Düsseldorf – Die Anwälte des abgeschobenen Gefährders Sami A. behaupten, ihr Mandant sei nach seiner Ankunft in Tunesien im Gefängnis drangsaliert worden. In einem Schreiben der Juristen an NRW-Integrationsminister Joachim Stamp (FDP), das dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ in Kopie vorliegt, heißt es, Sami A. habe „über nahezu zwei Tage kein Essen und nichts zu trinken erhalten. Er wurde stundenlang gefesselt vor eine Wand gesetzt und durch Schläge auf den Nacken am Einschlafen gehindert.“
Der 42-Jährige sei einer Behandlung unterzogen worden, „die als Folter oder sonstiger unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung gemäß Artikel 3 der Menschenrechtskonvention einzustufen“ sei. Weitere Einzelheiten würden „zum Schutz“ von Sami A. „zu gegebener Zeit gerichtlich vorgetragen und glaubhaft gemacht“.
Das Schreiben der Anwälte an Minister Stamp umfasst insgesamt zwölf Seiten. Darin wird auch die Frage gestellt, warum es Sami A. „trotz mehrfacher Bitten“ während der Abschiebung nicht erlaubt worden sei, mit seinem Rechtsbeistand Kontakt aufzunehmen. Zudem wird der FDP-Politiker darum gebeten zu erläutern, warum er die Abschiebung nicht abgebrochen hatte, nachdem ihm bekanntgeworden war, dass das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen die Aktion verboten hatte.
Der mutmaßliche Leibwächter des getöteten Terrorfürsten Osama bin Laden war am 13. Juli abgeschoben worden. Die Landesregierung war zu der Einschätzung gekommen, dass dem Islamisten in Tunesien keine Foltergefahr drohe. Stamp hatte dazu erklärt: „Wenn dies passiert wäre oder passieren würde, würde ich nicht eine Minute zögern, mein Amt zur Verfügung zu stellen.“
Das Oberverwaltungsgericht (OVG) in Münster hatte entscheiden, dass die deutschen Behörden Sami A. zurückholen müssen. Die Entscheidung war in der öffentlichen Debatte zum Teil scharf kritisiert worden. Auch NRW-Innenminister Herbert Reul hatte sein Unverständnis zum Ausdruck gebracht.
Sondersitzung im Landtag
Der CDU-Politiker erklärte, die Richter müssten bei ihrer Urteilsfindung auch das „Rechtsempfinden“ der Bevölkerung beachten. Die Äußerung löste eine Welle der Empörung aus. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) erklärte, Gerichtsentscheidungen müssten akzeptiert werden. NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) sprach schließlich ein Machtwort. Am Montag debattierte der Rechtsausschuss des Landtags in einer Sondersitzung über den Fall.
NRW-Justizminister Peter Biesenbach (CDU) wies den Vorwurf zurück, durch die unrechtmäßige Abschiebung sei eine Vertrauenskrise zwischen der Landesregierung und den Gerichten entstanden. OVG-Präsidentin Ricarda Brandts hatte den Behörden vorgeworfen, der Justiz Informationen vorenthalten zu haben. Das Integrationsministerium hatte in einer Mail angeordnet, dass dem Gericht das Datum der Abschiebung aus Sicherheitsgründen nicht mitgeteilt werden sollte. Auf diesen Vorgang ging Biesenbach nicht ein. Ihm stehe es nicht zu, die Arbeit der Kabinettskollegen zu benoten. Berivan Aymaz, integrationspolitische Sprecherin der Grünen, warf dem Justizminister eine „Verweigerungshaltung“ vor. Biesenbach habe an einer konsequente Aufarbeitung offensichtlich „keinerlei Interesse“.
Sven Wolf, stellvertretender Vorsitzender der SPD-Fraktion im Landtag, kritisierte, die Landesregierung habe das Land in „ Verfassungskrise“ geführt. Biesenbach habe die Chance verstreichen lassen, sich für die Täuschung der Justiz zu entschuldigen. „Jetzt muss der Ministerpräsident das übernehmen“, sagte Wolf.