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Digitalisierung an NRW-SchulenKeiner kann sie einrichten, deshalb bleiben tausende Tablets ungenutzt

Lesezeit 5 Minuten
Schülerinnen beschäftigen sich mit einem Tablet - sie sind nur von oben zu sehen.

Tablets gehören inzwischen in den meisten Klassen zum Alltag.

Tablets einzurichten und zu warten bleibt oft an Lehrkräften hängen. Und jetzt läuft auch noch bald der Digitalpakt 1.0 aus. Land und Kommunen sehen die Gefahr, dass die Digitalisierung an den Schulen in NRW zum Stillstand kommt.

Eigentlich hatte die Digitalisierung an den Schulen durch die Corona-Pandemie einen großen Schub bekommen. Im Digitalpakt 1.0 hat der Bund dafür gesorgt, dass mehr als sieben Milliarden Euro in den technischen Ausbau der Schulen geflossen sind: in Tablets, Smartboards und WLAN. Allein die Stadt Köln hat seit Beginn der Pandemie 50.000 mobile Endgeräte beschafft, mehr als 39.000 städtische Tablets sind bei den Kölner Schülerinnen und Schülern im Einsatz.

Doch jetzt warnt der Deutsche Städtetag, dass die Digitalisierung zum Stillstand kommen könnte. Denn der erste Digitalpakt läuft im Frühjahr nächsten Jahres aus und das Geld ist bislang fast ausschließlich in die Anschaffung von technischen Geräten geflossen. Lehrkräfteausbildung zu digitalem Unterricht und Systemadministration kamen zu kurz.

Die Folgen lassen sich derzeit besonders drastisch in Wuppertal beobachten: Dort waren Ende 2022 aus zusätzlichen Mitteln des „EU-React-Förderpaktes“ 14.000 iPads für Schulen angeschafft worden. Das Fördervolumen betrug neun Millionen Euro. Jüngst wurde bekannt, dass in den Lagerräumen der Wuppertaler Schulen noch tausende Tablets ungeöffnet in Kartons schlummern. Das flog auf, weil die Bezirksregierung Düsseldorf die Umsetzung der Fördermaßnahme geprüft hat. Dabei stellte sich heraus, dass 60 Prozent der ausgelieferten Tablets ein dreiviertel Jahr danach immer noch nicht in Betrieb genommen worden waren.

Kölner Gesamtschule: Ein Lehrer ist für 600 Schüler-iPads zuständig

Den Schulen hätten die Ressourcen und teilweise auch das Knowhow gefehlt, die neunseitige mitgelieferte Bedienungsanleitung zu durchdringen und die Geräte einzeln ins Netz einzubinden, sagte Richard Voss von der GEW Wuppertal im WDR. Und eigentlich sei das ja die Aufgabe einer IT-Fachkraft und nicht die von Lehrkräften. In Wuppertal bietet die Stadt den Schulen lediglich eine telefonische Unterstützung der Schul-IT an. Jetzt hat die Bezirksregierung der Stadt Wuppertal bis 4. Dezember eine Frist gesetzt. Bis dahin müssen die Probleme gelöst sein, sonst ist die Rückzahlung der gesamten Fördersumme fällig.

Philipp Erbslöh ist Lehrer für Deutsch und Geschichte an der Kölner Katharina-Henoth-Gesamtschule, einer Schule mit 1300 Schülerinnen und Schülern an drei Standorten. Erbslöh ist Digitalbeauftragter. So heißt die Rolle, die nun jede Schule mit einer Lehrerin oder einem Lehrer aus ihrem Kollegium besetzen muss, damit jemand vor Ort als Ansprechpartner für die ganze Technik zuständig ist. Erbslöh ist für 600 iPads und für 150 Lehrergeräte zuständig, dazu kommen Computer, Drucker, Whiteboards. „Es ist immer was zu tun. Ein iPad, das nicht funktioniert, ein Update, das hakt, ein defektes Druckerkabel, ein Lehrer, der eine neue Lern-App erwerben will.“

Jede auch nur mittelgroße Firma in Deutschland hat einen Systemadministrator, der vor Ort sofort ansprechbar ist, wenn es Probleme gibt. Schulen haben das nicht
Philipp Erbslöh, Digitalbeauftragter an der Katharina-Henoth-Gesamtschule

Gerade weil die Schule iPad-Klassen hat, hängt funktionierender Unterricht auch davon ab, dass sofort jemand vor Ort helfen kann, wenn die Technik hakt. „Jede auch nur mittelgroße Firma in Deutschland hat einen Systemadministrator, der vor Ort sofort ansprechbar ist, wenn es Probleme gibt. Schulen haben das nicht,“ bringt Philipp Erbslöh das Problem auf den Punkt. Dabei steige jetzt nach zwei Jahren Nutzung die Problemanfälligkeit bei den Tablets rapide an.

Natürlich ist Wuppertal ein Extremfall. Köln ist viel besser aufgestellt, da das Schulentwicklungsamt NetCologne als festen Kooperationspartner ins Boot geholt hat. NetCologne richtet die Geräte vor Auslieferung an die Schulen ein und steht für die Digitalbeauftragten der Schule als Ansprechpartner für Support zur Verfügung. Probleme, die nicht vor Ort gelöst werden könne, melden die Schulen an NetCologne weiter, die sich dann kümmert. Aber bei 300 Kölner Schulen kann da eben längst nicht jeder gleich bedient werden. Wartezeiten sind unvermeidbar.

Auch er wisse von Schulen, an denen die - allerdings fertig installierten Geräte - mittlerweile die meiste Zeit in den Schränken liegen, weil immer wieder irgendetwas hakt oder weil sich Kollegien nicht gut genug geschult fühlen, um damit zu arbeiten, bestätigt Erbslöh.

Für ihre Arbeit bekommen die Digitalbeauftragten eine Entlastungsstunde – das heißt, es wird eine Unterrichtsstunde pro Woche erlassen. Eigentlich ein Witz, meint Schulleiter Martin Süsterhenn, der seinem Digitalbeauftragten vier Entlastungsstunden gewährt, weil er sieht, „dass der Aufwand riesig ist und das Ganze unendlich viel Arbeit macht.“ Das Problem: All das muss das Kollegium auffangen, da der Deutsch- und Geschichtslehrer in der Zeit keine Klassen unterrichten kann. Das alles funktioniert nur, solange genug Personal da ist, das sich gegenseitig entlasten kann. Aber eben nicht an Schulen, an denen jetzt schon massiver Lehrermangel herrscht. „Eigentlich bräuchte jede Schule einen Administrator für die immer komplexer werdende Schul-IT“, sagt Süsterhenn. Oder zumindest einen, den sich zwei oder drei Schulen teilen.

Digitalpakt 2.0 im Haushalt nicht vorgesehen

Eigentlich hatte die Ampel im Koalitionsvertrag angekündigt, nach dem Auslaufen des ersten Digitalpakts das Nachfolgeprogramm „Digitalpakt 2.0“ aufzulegen, das bis 2030 laufen sollte. Darin waren als Schwerpunkte die Neuanschaffung von Hardware, der Austausch inzwischen veralteter Technik, aber auch Gerätewartung und Administration vorgesehen. Es reiche nicht aus, nur in Technik wie neue Tablets zu investieren, sondern es brauche auch IT-Experten, die sich in den Schulen um die Technik kümmern, hatte Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) im Hinblick auf den Digitalpakt 2.0 angekündigt. Mit dem Anschlusspaket sollten die Schulen „endlich den Anschluss finden an die heute im Berufsalltag üblichen IT-Lösungen".

Im Haushaltsplan des Bundes für 2024 sind nun aber gar keine Mittel für den Digitalpakt Schule eingeplant. Die Länder haben Sorge, dass der Pakt Sparzwängen zum Opfer fällt: Wenn der erste Digitalpakt auslaufe, werde ohne sofortiges Folgepaket die bis dahin aufgebaute digitale Struktur an den Schulen zusammenbrechen, warnte die Kultusministerkonferenz. Zumal viele Geräte wie Tablets auch eine technische Verfallszeit haben und irgendwann erneuert werden müssten. Auch der Deutsche Städtetag macht Druck: „Wir können den Schülerinnen, Schülern und Eltern doch nicht sagen, dass nach 2024 erstmal Schluss ist mit digitaler Schule“, sagte Städtetags-Präsidiumsmitglied Silvio Witt.