Das Projekt „Get your own device“ (Erhalte Dein eigenes Gerät) sorgt für Debatten, weil nicht alle Eltern über 700 Euro zahlen wollen.
Eltern finanzieren iPadsKölner Schulen setzen auf Tablets für alle – und sorgen für kontroverse Diskussion
Es klingt wie eine Vision: Jedes Kölner Kind bekommt mit Wechsel auf die weiterführende Schule ein neues iPad. Alle haben das gleiche Gerät, das sie sowohl in der Schule als auch zuhause nutzen können. Es ist von der Stadt Köln als Schulträger mit der gleichen Software ausgestattet und wird von NetCologne administriert und gewartet.
Die Geräte sind so konfiguriert, dass nur die Bücher, Apps und Programme darauf sind, die für den Unterricht relevant sind. TikTok, Insta, Youtube oder Whatsapp können darauf in der Schule nicht genutzt werden. „Get your own device“ (GYOD) heißt das Prinzip. Ziel der Stadt Köln ist, dass perspektivisch alle weiterführenden Schulen so funktionieren.
Keine Ablenkung mehr durch Handys im Klassenraum
Das würde gleich zwei Probleme lösen: Es ermöglicht konzentriertes digitales Lernen ohne Ablenkung. Außerdem bedeutet es mehr Bildungsgerechtigkeit, weil alle Kinder mit dem gleichen Gerät arbeiten. Heute sieht es nämlich in den meisten Klassen noch so aus: Für einzelne Stunden werden — falls vorhanden und funktionstüchtig — Klassensätze der Schule ausgeteilt. Ansonsten gilt das Prinzip „Bring your own device“ (BYOD). Das heißt, jeder bringt das mit, was er hat. Da sitzt das eine Kind mit dem neuesten iPad, das andere arbeitet analog und nimmt zum Recherchieren sein Handy raus. Und da die Handys im Unterricht genutzt werden, liegen sie auch sonst oft hinter den Mäppchen und sorgen ständig für Ablenkung, weil zwischendurch gezockt oder Nachrichten gecheckt wird und kein Lehrer 30 private Handys oder Tablets im Blick halten kann.
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Inzwischen haben sich bereits neun der 147 Kölner weiterführenden Schulen für „Get your own device“ entschieden und setzen es um. Das sind neben der Gesamtschule Wasseramselweg unter anderem das Gymnasium Neue Sandkaul, das Schiller-Gymnasium, das Apostelgymnasium und das Elisabeth-von-Thüringen-Gymnasium. Wenn alles nach Plan läuft, wird eine weitere Schule zum nächsten Halbjahr starten, eine weitere zum Beginn des nächsten Schuljahrs.
Dabei gibt es zwei große Hürden. Da sind zum einen die technischen Voraussetzungen: Für „Get your own device“ braucht ein hochleistungsfähigen WLAN, das für eine Auslastung von einem Endgerät pro Schülerin oder Schüler und der täglichen Nutzung durch alle Schüler der Schule ausgelegt ist. Bei den Schulen, die GYOD einführen wollen, überprüft die Stadt die technischen Voraussetzungen und justiert nach.
Bis Ende 2025 soll an allen Kölner Schulen das WLAN modernisiert sein
Bis Ende 2025 sollen alle weiterführenden Schulen über ein entsprechend modernisiertes WLAN verfügen. Bisher erfüllen 92 der 138 weiterführenden Schulen die Voraussetzungen. Allein bei zehn Schulen, die ihr Interesse bekundet hatten, sei kürzlich das WLAN modernisiert worden, so dass sie nun starten könnten. Sie hätten sich allerdings nicht mehr in der Sache gemeldet.
Das könnte daran liegen, dass es bei dem Projekt einen Haken gibt: Die iPads müssen von den Eltern selbst erworben werden – und zwar ein einheitlich für Köln festgelegtes iPad der 9. oder 10. Generation. Plus Tastatur und digitalem Stift bedeutet das Kosten von rund 750 Euro. Wahlweise kann der Betrag über drei Jahre in Monatsraten von 21 Euro bezahlt werden. Für Kinder, deren Familien Köln-Pass-Inhaber sind, bezahlt die Stadt als Schulträger das iPad und stellt es als Dauerleihgabe zur Verfügung.
Elf Prozent der Geräte wird von der Stadt gestellt
Bislang wurden demnach rund elf Prozent der Geräte durch den Schulträger zur Verfügung gestellt. Zusätzlich haben sich in einigen Fällen – wie etwa am Gymnasium Pesch – die Schulen entschlossen, vorhandene Klassensätze iPads aus dem bestehenden Gerätebestand rauszulösen und den jeweiligen Schülerinnen und Schülern als Dauerleihgabe mitzugeben.
Aber alle anderen Familien müssen die Geräte selbst bezahlen. Das sorgt an den Schulen, die teilnehmen möchten, teils für kontroverse Debatten in der Elternschaft. Zumal es eben ein bestimmtes iPad sein muss. Wer seinem Kind dann etwa vor zwei Jahren bereits ein Gerät gekauft hat, kann das nicht nutzen. „Die Geräte müssen in eine komplexe Infrastruktur mit mehreren zehntausend Geräten eingebracht werden und somit bestimmte einheitliche Systemvoraussetzungen erfüllen, sonst können sie nicht integriert werden“, begründet das die Stadt.
iPad für 750 Euro: Keine Diksussion wurde je so kontrovers geführt
Ein Teil der Kölner Schulen, die an GYOD teilnehmen, starten jeweils mit den neuen Fünftklässlern. Das hat den Vorteil, dass Eltern bereits bei der Anmeldung darauf hingewiesen werden. Die andere Variante ist der Start mit der 10. Klasse. Das ist etwa an der Königin-Luise-Schule der Plan. Hintergrund sei, dass voraussichtlich ab dem Abitur 2028 in der Mathe-Zentral-Prüfung iPads benötigt werden, erläutert Schulleiterin Ute Flink. Ab 2029 soll es zudem ein fünftes Abiturfach mit Präsentationsprüfung unter Nutzung digitaler Medien geben. „Da macht es Sinn, das in der Oberstufe mit dem iPad einzuüben“, so Flink. Noch wichtiger sei aber Beseitigen von Ungleichheit. GYOD biete endlich gleiche Lernvoraussetzungen für alle.
Es hat aber laut Flink an ihrer Schule noch nie eine Entscheidung gegeben, die in der Elternpflegschaft so kontrovers diskutiert wurde. Geprüft wird nun, ob der Förderverein einspringt bei Familien, die zwar nicht Köln-Pass-Inhaber sind, für die die Kosten aber trotzdem nicht leistbar sind. Eigentlich könne es nicht Aufgabe der Familien sein, alle Kinder mit den Lern-Geräten auszustatten, finden viel Eltern. Bund und Land müssten in einem Digitalpakt II dafür sorgen, dass das finanziert werde. Natürlich sei die Politik da am Zug, meint auch Flink. Aber darauf in Zeiten knapper Kassen zu warten, sei eben auch keine Lösung. Verpflichten kann die Schule die Eltern auch bei einem Beschluss der Schulkonferenz nicht. Alle oder keiner: Wenn ein Teil der Eltern das iPad nicht anschaffe, sei das Konzept nicht umsetzbar. Flink hofft noch, alle ins Boot zu holen.