Die frühere NRW-Umweltministerin prägte in den 90er Jahren das Image der Grünen. Wie ist ihr Blick auf die aktuelle Lage ihrer Partei?
Ex-Umweltministerin Bärbel Höhn im Interview„Ich bin kein Fan von Schwarz-Grün“
Frau Höhn, Sie waren von 1995 bis 2005 NRW-Umweltministerin. Hätten sich die Grünen damals eine Koalition mit der CDU vorstellen können?
Es war 1995 schon für viele Grüne schwer, sich eine Koalition mit der konservativen NRW-SPD vorstellen zu können. Aber als der damalige Ministerpräsident Peer Steinbrück damit drohte, ein Bündnis mit der FDP zu schmieden, haben wir Zähne gezeigt und Gespräche mit der CDU geführt. Ein Zeichen war zum Beispiel ein gemeinsamer Spaziergang über die Poppelsdorfer Allee in Bonn damals von Jürgen Rüttgers und mir. Der wäre dafür offen gewesen – aber es war klar, dass so ein Projekt schwierig geworden wäre.
Sind Sie heute ein Fan von Schwarz-Grün in NRW?
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Nein, ich bin kein Fan von Schwarz-Grün, sondern sehe das pragmatisch. In den wichtigen Handlungsfeldern Energie, Klimaschutz, Verkehr, Soziales und bei der Integration ist uns die SPD nach wie vor viel näher als die CDU. Aber in NRW ist es CDU und Grünen gelungen, Brücken zu bauen. Ministerpräsident Wüst fällt es leichter, den Grünen Erfolge zu lassen als der SPD damals, weil er weniger Wählerverluste befürchten muss. Die SPD hat zu oft Angst, die Grünen würden ihnen Wählerstimmen nehmen – und uns schon deshalb damals keinen Erfolg gegönnt.
Der Stopp des Tagesbaus Garzweiler war eines Ihrer politischen Herzensanliegen. Schmerzt es Sie, dass Grünen die Räumung von Lützerath mitgetragen haben?
Natürlich schmerzt es, dass Lützerath wegen des Tagebaus abgerissen werden musste. Juristisch war das jedoch nicht zu verhindern. Da haben wir unsere Position vielleicht nicht gut genug kommuniziert. Am Ende waren viele unserer eigenen Leute enttäuscht, obwohl das Ende des Tagebaus 2030 ein Riesenerfolg ist. Auf der entscheidenden Pressekonferenz von unseren Wirtschaftsministern Mona Neubaur und Robert Habeck mit RWE konnte man leider den Eindruck haben, dass die eher von RWE dominiert wurde.
„Ich halte die Positionierung von Greta Thunberg für absolut falsch“
Haben die Grünen RWE zu große Zugeständnisse gemacht?
Das glaube ich nicht. Man hätte aber im Vorfeld der Lützerath-Entscheidung stärker auf die Initiativen vor Ort zugehen können, um ihnen klarmachen, dass nur mit ihrer Hilfe so unheimlich viel erreicht wurde. Viele Dörfer konnten gerettet werden. Der frühere Kohleausstieg im Jahr 2030 ist also auch ihr Verdienst. Damit hätten die Grünen den Unmut der Bürgerinitiativen besser einfangen können.
Die Unzufriedenheit mit der Klimaschutzpolitik war ein Grund dafür, dass Teile der Grünen Jugend hat mit der Partei gebrochen haben. Haben Sie dafür Verständnis?
Das finde ich schade. Aber man muss akzeptieren, wenn Einzelne da einen anderen Weg einschlagen wollen. Wenn die Grünen regieren, sind sie gezwungen, Kompromisse einzugehen, die nicht jedem gefallen. Das liegt in der Natur der Sache. Gleichzeitig sollten die Grünen ihr linkes Profil stärken – und die Frage, wie es zu einer gerechteren Verteilung kommen kann, wieder stärker in den Blick nehmen. Das Klimageld ist dazu ein Instrument, das einkommensschwache Bürger erheblich entlasten würde. Es muss endlich kommen.
NRW steigt aus der Braunkohle aus, aber weltweit werden neue CO2-Schleudern gebaut. Ist es nicht vermessen anzunehmen, dass wir die Klimawandel stoppen können?
Wir müssen die Klimakrise stoppen, sonst werden die Auswirkungen mit Toten und Zerstörung immer schlimmer. Historisch gesehen hat Deutschland zu 3,5 Prozent zur weltweiten Klimakrise beigetragen – der Wert ist gemessen am Anteil an der Weltbevölkerung ziemlich hoch, beim absoluten Ausstoß steht Deutschland immerhin an achter Stelle. Mehr Investitionen in den Klimaschutz sind auch in unserem eigenen Interesse. Wir sehen an der Krise der Automobilindustrie, wie schlimm es ist, wenn ein exportorientiertes Land wie Deutschland, die Energiewende im Verkehr in den letzten 20 Jahren verschlafen hat.
Greta Thunberg hat eine Jugendwegbewegung für den Klimaschutz angestoßen. Jetzt macht sie als Antisemitin Schlagzeilen. Wie sehr schadet das der Sache?
Ich halte ihre Positionierung für absolut falsch. Es ist fatal, dass dadurch jetzt auch der jungen Klimaschutzbewegung ein Teil der Unterstützung abhandenkommt. Die Stimme von Fridays for Future ist schon durch Corona leiser geworden, jetzt ist es die Gründerin Greta selbst, die der Sache in vielen Ländern schwer schadet. Ich finde das auch für sie persönlich tragisch.
Höhn: Befürchte, Habeck hat noch keine Chance aufs Kanzleramt
Haben Sie Verständnis für Klimakleber?
Ich habe nichts gegen zivilen Ungehorsam. Beim Castor-Protest in Gorleben stand die Bevölkerung überwiegend an der Seite der Demonstranten. Gemälde mit Kartoffelbrei zu beschmieren fand ich noch in Ordnung, weil da ja kein Schaden angerichtet wurde. Das Festkleben auf Straßen und Landebahnen halte ich für falsch. Man muss die Aktionen an ihrer Wirkung messen. Es bringt nichts für das Anliegen, wenn man normale Menschen gegen sich aufbringt. Es kann doch nicht gewollt sein, dass die Leute sich vom Klimaschutz abwenden.
CSU-Chef Markus Söder brandmarkt die Grünen als Verbotspartei…
Dieses Bashing ist hochgefährlich. Zum einen werden Grünen-Politiker immer häufiger tätlich angegriffen, zum anderen macht Söder mit solchen Sprüchen die AfD stark. Außerdem verbieten wir niemandem, Fleisch zu essen oder Fernreisen mit dem Flugzeug zu machen. Den Grünen geht es um einen bewussteren Umgang mit Umwelt, Gesundheit und Klimaschutz, nicht um Bevormundung.
Hat Robert Habeck eine Chance, Bundeskanzler zu werden?
(lacht) Ich fürchte, dass er diesmal noch keine Chance hat. Mein Bauchgefühl sagt mir, dass Friedrich Merz Bundeskanzler wird. Wenn er die Auswahl hat, mit den Grünen oder der SPD zu regieren, wird er das für ihn kleinere Übel wählen. Das ist aus Sicht der CDU ganz klar die SPD. Da schwant mit nichts Gutes. In der Vergangenheit waren solche Koalitionen immer sehr zögerlich darin, wichtige Entscheidungen zu treffen. Beim Klimaschutz wäre es fatal, wertvolle Zeit zu verlieren.