AboAbonnieren

Interview

„Eine römisch-katholische Verschwörung gibt es nicht“
NRW-Justizminister räumt bei OVG-Affäre aber einen Fehler ein

Lesezeit 5 Minuten
Dr. Benjamin LIMBACH, Buendnis 90/die Gruenen, blickt im leeren Plenarsaal in die Ferne.

NRW-Justizminister Limbach (l.) sieht sich wegen der OVG-Besetzung Klüngel-Vorwürfen ausgesetzt.

Der Plan von NRW-Justizminister Benjamin Limbach, eine Duz-Freundin zur Präsidentin des Oberverwaltungsgerichts zu machen, wirft viele Fragen auf. Ein Gespräch über Timing, den Augsburger Folterskandal und grüne Identität.

Herr Minister, im Untersuchungsausschuss „OVG-Besetzung“ geht es um die Aufklärung der Frage, ob Sie eine Ex-Kollegin aus politischen oder privaten Gründen bevorzugt haben. Kurz nach Amtsantritt hatten Sie sich mit ihr zum Abendessen verabredet. War das ein Anfängerfehler?

Benjamin Limbach: Dass sich frühere Kollegen mal zum Essen verabreden, halte ich für völlig normal. Der Fehler war, dass ich das Gespräch nicht unterbrochen habe, als das Thema auf die Besetzung der OVG-Präsidentenstelle kam und klar wurde, dass sie überlegte, sich auf die Stelle bewerben zu wollen. Da hätte ich sagen müssen: Warte mal, das gehört nicht hier her, ruf bitte morgen in meinem Büro an und lass Dir einen Termin geben. Dienstliche Angelegenheiten sollte man nicht bei privaten Treffen besprechen.

Ja, in Köln würde man das Klüngel nennen. Waren Sie denn überrascht, als Ihnen klar wurde, was die Ex-Kollegin von Ihnen wollte?

Die OVG-Besetzung war nicht das erste Thema an diesem Abend. Die ungeklärte Besetzungsfrage war schon ein Vorgang, über den in der Justiz viel gesprochen wurde. Von daher war es nicht ungewöhnlich, darauf zu kommen. Dass sie sich selbst bewerben wollte, damit hatte ich nicht gerechnet. Um es an dieser Stelle aber noch einmal klar zu sagen: Ich halte die vom Kabinett getroffene Auswahlentscheidung auch heute noch für richtig. Wir haben die am besten qualifizierte Person für das Amt ausgewählt.

Haben Sie die Ex-Kollegin zu einer Bewerbung ermuntert?

Nein. Im Gegenteil. Ich habe ihr geraten, sich den Schritt genau zu überlegen. Nichts anderes hätte ich ihr auch bei einem dienstlichen Gespräch im Ministerium gesagt. Es gab ja schon ein Feld von hochkarätigen Bewerbern.

Die dann allerdings den Kürzeren gezogen haben, als ihre Duz-Freundin ins Rennen ging…

Wir waren 1999 Richterkollegen am Verwaltungsgericht in Düsseldorf. Da haben sich in den gemeinsamen Kaffeepausen alle geduzt. Es bestand und besteht aber darüber hinaus kein besonderes Näheverhältnis. Keine privaten Treffen, keine gemeinsamen Aktivitäten, nichts dergleichen. Nicht mit jedem, den man duzt, ist man gleich auch gut befreundet. Sie ist eine geschätzte frühere Kollegin, nicht mehr, aber auch nicht weniger.

„Wir gehören den Altkatholiken an, bei denen es auch Priesterinnen gibt und Geistliche heiraten dürfen“

Die Ex-Kollegin und Ihre Frau sollen sich beide im katholischen Hildegardis-Verein in Bonn engagiert haben.

Eine römisch-katholische Verschwörung gibt es nicht. Das wird schon allein daraus ersichtlich, dass wir im Sommer 2022 aus der Kirche ausgetreten sind. Damals hat eines der vielen Missbrauchsgutachten zum Umgang der Kirche mit der sexualisierten Gewalt das Fass zum Überlaufen gebracht. Seitdem gehören wir den Altkatholiken an, bei denen es auch Priesterinnen gibt und Geistliche auch heiraten dürfen.

Ein unterlegener Bewerber, ein Bundesrichter, unterstellt Schwarz-Grün politische Motive bei der Stellenbesetzung. In einer eidesstattlichen Versicherung hat er erklärt, sie hätten ihm geraten, sich an den Chef der Staatskanzlei, Nathanael Liminski zu wenden, um sich die Gemengelage erklären zu lassen. Wie ist Ihr Blick darauf?

An mich ist zu keinem Zeitpunkt der Wunsch herangetragen worden, die OVG-Position mit einer bestimmten Person zu besetzen. Es stimmt einfach nicht, dass es eine politische Einflussnahme gegeben hat. Nach meiner Erinnerung hatte der Bundesrichter von sich aus erwähnt, dass er möglicherweise das Gespräch mit Herrn Liminski suchen wolle. Von mir kam dieser Vorschlag nicht.

Benjamin Limbach redet auf dem Landesparteitag der Grünen zu den Delegierten.

Benjamin Limbach bei einer Rede redet auf dem Landesparteitag der Grünen. Zur OVG-Stellenbesetzung sagt er: „Es stimmt einfach nicht, dass es eine politische Einflussnahme gegeben hat.“

Das heißt, der Bundesrichter sagt nicht die Wahrheit?

Ich kann nur sagen, was meine Erinnerung an das Gespräch ist, und das habe ich getan.

Haben Sie es schonmal bereut, das Ministeramt übernommen zu haben?

Klar würde ich mir manchen Ärger gerne ersparen und mich freuen, wenn ich das eine oder andere Problem weniger hätte. Aber mich reizt weiterhin der große Gestaltungsspielraum. Also ein ganz klares Nein.

Ihre Mutter war die Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts, Jutta Limbach, sie wurden stark „SPD-sozialisiert“. Was hat Ihre Mutter zu Ihrem Wechsel zu den Grünen im Jahr 2018 gesagt?

Ehrlich gesagt, das würde mich auch sehr stark interessieren, aber sie ist im Jahr 2016 verstorben. Ich glaube nicht, dass meine Mutter besonders enttäuscht gewesen wäre. Sie pflegte immer gute Kontakte zu den anderen Parteien, auch zur CDU und den Grünen.

Limbach nach dem Gefängnisskandal von Augsburg: „Die Unterbringung in besonders gesicherten Hafträumen kommt in NRW nur in Ausnahmefällen zur Anwendung“

Wie ist Ihr Blick auf den Folterskandal in der JVA Augsburg in Bayern?

Ich bin froh, dass wir in NRW dazu klare Regelungen haben. Die Unterbringung in besonders gesicherten Hafträumen kommt nur in Ausnahmefällen zur Anwendung – im Fall einer akuten Selbst- oder Fremdgefährdung. Alle Bediensteten sind im Haftalltag angehalten, dies durch aufmerksames und deeskalierendes Verhalten zu vermeiden. Bislang wurden keine vergleichbaren Vorkommnisse gemeldet. Die Nationale Stelle zur Verhütung von Folter ist übrigens regelmäßig auch in den Haftanstalten von NRW unterwegs, ich bekomme die Berichte auf den Tisch.

NRW fordert mehr Befugnisse bei der Verkehrsdatenspeicherung. Gehen die Grünen uneingeschränkt mit?

Ja, da ist es uns in NRW gelungen, mit unserem Sicherheitspaket eine historische Allianz zu schmieden. Das Europarecht ermöglicht uns diesen Vorstoß, mit dem wir ein äußerst wirksames Instrument im Kampf gegen den Terror in die Hand bekommen würden. Für die Umsetzung ist allerdings der Bund zuständig, und der liberale Justizminister Buschmann steht auf der Bremse. Notfalls müssen die gesetzlichen Rahmenbedingungen durch die nächste Bundesregierung geschaffen werden.

Wahlsieg von Trump könnte die gegenseitige Kontrolle von Verfassungsorganen ins Wanken bringen

Wie würde sich ein Sieg von Donald Trump bei den US-Wahlen auswirken?

Ich befürchte, dass das Prinzip der gegenseitigen Kontrolle von Verfassungsorganen ins Wanken geraten könnte. Für Europa wäre das der letzte Weckruf, alles zu unternehmen, um die eigene Sicherheit selbst sicherzustellen.

Wie „grün“ sind Sie? Verzichten Sie auf Fleisch und Urlaubsreisen mit dem Flugzeug?

Nein. Es gibt ja kein Glaubensbekenntnis der Grünen, in dem steht, dass man auf Fleischverzehr oder Flugreisen völlig verzichten muss. Es ist klar, dass wir mit unseren Ressourcen sparsam umgehen müssen. Wir wollen unsere Umwelt und unsere Heimat schützen. Die Grünen sind immer auch eine Partei der Bürgerrechte gewesen. Das war für mich ein wichtiger Grund, Grüner zu werden.