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Kommentar

Kommentar zum Weltfrauentag
Kinder und Haushalt sind keine Frauenhobbys

Ein Kommentar von
Lesezeit 3 Minuten
Frauen nehmen an einer Demonstration unter dem Motto „Internationaler feministischer Kampftag“ teil.

Frauen verdienen aufs Leben gerechnet immer noch vierzig Prozent weniger als Männer.

Ein Tag im Jahr, um auf die Benachteiligung der Hälfte der Bevölkerung aufmerksam zu machen? Das ist ein Widerspruch in sich. Aber immer noch nötig.

Ein Spezialaufschlag anlässlich des Weltfrauentages zum Thema Gleichberechtigung ist natürlich ein Widerspruch in sich. Käme ein Alien auf diesen Planeten, er würde – falls vorhanden – seine Stirn in Falten werfen und fragen: Warum braucht eine Gruppe, die 50 Prozent der Bevölkerung ausmacht, einen extra Tag, um besondere Sichtbarkeit zu erlangen? Warum ist sie nicht hälftig als gleichberechtigt zum anderen Teil der Menschheit thematisch repräsentiert? Wie kann man Gleichstellung fordern und das prozentual derart unterrepräsentiert an nur einem einzigen von 365 Tagen im Jahr tun?

Frauen verdienen immer noch deutlich weniger als Männer

Um die jahrhundertelange Benachteiligung der Hälfte der Bevölkerung dem Alien zu erklären, müsste man sehr weit ausholen. Und so richtig logisch würden die Argumente nicht geraten. Warum dieser Tag vielleicht einfach als eine Art Hilferuf aber trotz allem nötig ist, lässt sich schnell mit einigen willkürlich herausgepickten Zahlenbeispielen belegen:

Frauen verdienen pro Stunde in Deutschland 18 Prozent weniger als Männer, im europäischen Vergleich ist man damit Viertletzter mit riesigem Abstand zu den Musterstaaten Luxemburg, Italien, Rumänien und Belgien. Aufs Leben gerechnet verdienen Frauen immer noch etwa 40 Prozent weniger Geld als Männer, Mütter mit drei Kindern werden sogar mit einem finanziellen Nachteil von 70 Prozent Minus bestraft.

Claudia Lehnen

Claudia Lehnen

Claudia Lehnen, geboren 1978, ist Chefreporterin Story/NRW. Nach der Geburt ihres ersten Kindes begann sie 2005 als Feste Freie beim Kölner Stadt-Anzeiger. Später war sie Online-Redakteurin und leitet...

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Dabei kann man dem weiblichen Geschlecht kaum faules Dahinvegetieren vorwerfen, das diese Verdienstlücke befriedigend erklären könnte. Laut Gender-Care-Studie übernehmen Frauen auch heute pro Tag 77 Minuten mehr an Hausarbeit und Kinderbetreuung als Männer. Die Vermächtnisstudie 2023 hat ergeben, dass von 21 Aufgabenbereichen zu Hause ganze drei überwiegend von Männern übernommen werden. Den Rest schultern Frauen. Immer noch. Natürlich unbezahlt.

Und das, obwohl das Thema Kinder und Haushalt ja keine Frauenhobbys sind, sondern maßgebliche Basis unserer Gesellschaft wie unseres Wirtschaftssystems. Wo nähmen denn die großen Firmen oder der Handwerker um die Ecke ihre Arbeitskräfte her, wenn es nicht Eltern – und hier mit überproportionalem Zeitaufwand Mütter – gäbe, die ihr einst Neugeborenes knapp 20 Jahre zu Hause gewaschen, gefüttert, beschmust, belehrt, ermutigt, beschützt und zu einem halbwegs brauchbaren Menschen erzogen hätten?

Wer würde in die Rentenkassen einzahlen, von der ironischerweise Männer viel stärker profitieren als Frauen, die für die ganze Lebensarbeit, die sie leisten, auch im Jahr 2024 immer noch überproportional häufig in der Altersarmut enden?

Der Spezialaufschlag zum Weltfrauentag ist also traurige Notwendigkeit. Und dennoch gibt es Lichtblicke. Und die strahlen wie so oft gar nicht in der großen Politik, sondern im Alltag und nebenan. Anlässlich dieses Tages haben wir mit unterschiedlichen Paaren aus der Region darüber gesprochen, wie sie versuchen, eine gleichberechtigte Partnerschaft bezüglich Haushalt, Geld und Kinderbetreuung zu leben.

Auch wenn die Ergebnisse und eingeschlagenen Pfade ganz unterschiedlich ausfallen, ist doch bei allen spürbar: Die Reflexionsbereitschaft ist groß, das Bemühen aufrichtig. Es wird gerungen und ausprobiert, es wird sich gestritten, geeinigt und versöhnt. Es gibt Verschiedenheiten und Kämpfe, aber am Ende, so fasst es Timo, einer der Gesprächspartner zusammen, sei das gar nicht schlimm. „So können wir voneinander lernen.“