Nach dem tödlichen Polizeieinsatz in Dortmund, bei der ein 16-Jähriger ums Leben kam, soll das Einsatztraining der Polizei grundlegend reformiert werden.
Nach tödlichen Polizeischüssen in DortmundReul will Polizisten besser schulen lassen
Sieben Monat nach dem Polizeizugriff, bei dem der suizidgefährdete 16-Jährige Mouhamed D., auf dem Hof einer Jugendeinrichtung in Dortmund erschossen wurde, will NRW-Innenminister Herbert Reul das Einsatztraining modernisieren.
Wie der CDU-Politiker im Innenausschuss des Landtages am Donnerstag mitteilte, sollen die Aus- und Fortbildungskursen von fünf auf sieben Tage erhöht werden. Dabei steht der Umgang mit psychisch auffälligen Menschen im Mittelpunkt. Zudem sollen die Polizeiführer auf den Wachen durch die Verhandlungsgruppen der Spezialeinheiten ebenfalls entsprechend geschult werden. Reul sprach „von einem Schulungskatalog, der 18.000 Beamte und 1800 Führungskräfte in NRW betrifft“. Dabei gehe es auch um die Frage, „wie gehe ich mit Menschen um, die über einen anderen kulturellen Hintergrund verfügen“. Zudem soll ein spezieller Podcast den Wachdienst für die neuen Herausforderungen sensibilisieren. Reul bezeichnete den Maßnahmenkatalog als größten Fortschritt in der polizeilichen Fortbildung.
Innenminister Reul will Tragepflicht für Bodycams einführen
Außerdem möchte der Innenminister eine Tragepflicht für Bodycams einführen. Auch sollen die Beamten dazu angehalten werden, die Minikameras so früh wie möglich in einem Einsatz einzuschalten. Diese Forderung geht darauf zurück, dass keiner der zwölf Polizisten und Polizistinnen, die an dem Einsatz gegen Mouhamed D. beteiligt waren, Bodycams eingeschaltet hatte. Wäre dies geschehen, hätten die Ermittler klare Beweise gehabt, ob die Todesschüsse in einer Notwehrsituation erfolgten oder nicht. Bisher steht es den Einsatzkräften frei, die Kameras anzuklicken oder nicht.
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Inzwischen hat die Staatsanwaltschaft Dortmund vier Polizeibeamte und den Einsatzleiter angeklagt. Die Vorwürfe reichen von gefährlicher Körperverletzung über die Anstiftung bis hin zum Totschlagsverdacht gegen den Maschinenpistolenschützen. Die Verteidiger weisen die Vorwürfe zurück. Sie gehen nach wie vor von einer Notwehrsituation aus, da sich Mouhamed D. mit einem Messer in der Hand auf die Beamten zubewegt hatte. Der Anklage zufolge ist völlig unklar, wie er die Waffe gehalten hat.
Justiz könne künftig auf Videoaufnahmen zurückgreifen
Um künftig diese Frage zu beantworten, begrüßte Minister Reul die Bodycam-Offensive: „Polizei und Justiz können zukünftig häufiger auf Videoaufnahmen zurückgreifen, wenn sie – im Rahmen des gesetzlichen Umfangs – benötigt werden.“
Auch die Liste verfügbarer Dolmetscher soll ausgeweitet werden. Das Ministerium will außerdem die fremdsprachigen Einsatzkräfte entsprechend registrieren lassen. Im Fall Mouhamed D. entstand das Problem, dass er weder auf die Ansprachen seiner Betreuer noch von Zivilpolizisten reagierte, während er sich in Suizidabsicht ein großes Messer vor den Bauch hielt.
Ankläger Christoph Dombert bemängelte, dass der Einsatztrupp nicht auf ein Kriseninterventionsteam mit geeignetem Übersetzer gewartet habe. Deshalb habe das tödliche Drama seinen Lauf genommen.
Die Opposition reagierte überrascht ob der Reformen. Marc Lürbke, innenpolitischer Sprecher der FDP, zeigte sich gerade was die Bodycams betrifft, skeptisch: Derzeit verpflichtet das Polizeigesetz aus seiner Sicht nicht zur Mitnahme der Kameras. „Hier brauchen wir eine praxistaugliche Regelung. Es darf keinen Wildwuchs in den Behörden geben.“