17 Polizeibeamte wurden in den vergangenen vier Jahren entlassen. Man gehe „jedem Hinweis nach“, heißt es aus dem Innenministerium in NRW.
Rechtsextremistische PolizistenBeamter wollte „Kanacken klatschen“ – Welche Fälle Reul beschäftigen
„Vier Dinge, die immer weg sind, wenn man sie braucht“, schrieb der angehende Polizeikommissar in die Chatgruppe mit Kollegen. Darunter ein Foto mit einem Portemonnaie, einem Schlüsselbund nebst Handy und dem Konterfei von Adolf Hitler.
Es ist ein menschenverachtendes Weltbild, das Beamte aus den Polizeibehörden Recklinghausen, Kleve und Borken in ihren Chats offenbarten, deren Verlauf dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ teilweise vorliegt. Hakenkreuze wurden gepostet, der Mord an Juden verhöhnt und es hagelte fremdenfeindliche Pöbeleien. Die Chatgruppen hießen „Vorzeigepolizisten“ oder „Secret Hitler Crew“. Im Mai 2022 beispielsweise schickte einer der Beschuldigten ein Selfie in Uniform, auf dem er lässig an einem Streifenwagen lehnte. „Was ich beruflich mache?“, stand unter dem Bild. Antwort: „Kanacken klatschen“.
In 66 Fällen wurde eine rechtsextreme Gesinning disziplinarrechtlich bestraft
Bei der nordrhein-westfälischen Polizei sind in den vergangenen vier Jahren 17 Polizisten aus dem Beamtenverhältnis entfernt worden. Das Innenministerium geht offen mit dem Thema um und nennt weitere Zahlen. Seit 2017 sind demnach insgesamt 388 Hinweise auf extremistische Einstellungen verfolgt worden, darunter 371 Hinweise auf rechtsradikale Einstellungen. In 66 Fällen ist eine rechtsextreme Gesinnung anderweitig als durch eine Entlassung geahndet worden. In 204 Fällen hat sich der Vorwurf nicht erhärtet. Und in 101 Fällen dauert die Prüfung noch an.
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Zu beachten sei jedoch, „dass die Hinweiserfassung sehr niedrigschwellig erfolgt“, heißt es aus dem Ministerium. Auch ein anonym und vage geäußerter Verdacht werde erfasst. Diese geschehe „ganz bewusst“, betont NRW-Innenminister Herbert Reul. „Rechtsextremistische Chats und Äußerungen einzelner Polizistinnen und Polizisten werfen einen Schatten über die gesamte nordrhein-westfälische Polizei“, sagte der Minister auf Anfrage. „Diese schwarzen Schafe“ dürften den Rest nicht in Misskredit bringen. „Denn der größte Teil derjenigen, die jeden Tag für unsere Sicherheit und Ordnung sorgen und dafür auch ihr Leben riskieren, handelt auf dem Boden des Grundgesetzes und nach geltendem Recht“, so Reul.
Verdacht auf Besitz von kinderpornografischen Inhalten
Verfehlungen nachzuweisen, kann im Einzelfall sehr schwer sein. Auch die Ermittlungen gegen einige der Beschuldigten aus Recklinghausen laufen noch. Ein Polizeianwärter aus Borken jedoch, der eine der Chatgruppen sogar gegründet haben soll, wurde vor wenigen Tagen aus dem Beamtenverhältnis auf Probe entlassen.
Ihm fehle es an der notwendigen „Eignung“ für den Beruf, heißt es in dem Bescheid, der dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vorliegt. Das Bild einer Katze in einem Mixer war noch einer der harmlosesten Beiträge, die er in die Chatgruppen mit rassistischen und menschenverachtenden Inhalten eingestellt hat. Zusätzlich zur Entlassung wird jetzt aber auch wegen des Verdachts auf Besitz von kinderpornografischen Inhalten gegen den Mann ermittelt. So postete er den Ermittlungen zufolge einen Sticker mit dem Wort „Sex“ und unmittelbar danach einen Sticker mit den Worten „Mit Kindern“. Und ein anderer User soll ein Video in die Gruppe eingestellt haben, in dem ein Kind zuschaut, wie es zu sexuellen Handlungen zwischen zwei Erwachsenen kommt.
Rassistisch und menschenverachtend
Bei verbalen Entgleisungen können sich die Beschuldigten auch nicht darauf berufen, noch minderjährig gewesen zu sein. So muss sich ein 21-jähriger Polizeianwärter aus Duisburg vom Polizeiberuf verabschieden, wenn das Mitte vergangenen Jahres gefällte Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf Bestand haben sollte. Seine antisemitischen und rassistischen Chat-Beiträge seien stark menschenverachtend, attestierte das Gericht dem Beschuldigten, der zur Tatzeit erst 17 Jahre alt war. Als Jugendsünde wollte das Gericht seine Posts nicht durchgehen lassen. Polizisten seien zum Schutz der Menschenwürde verpflichtet. Mit diesen Anforderungen sei das Verhalten des Klägers, das ihn für den Polizeidienst disqualifiziere, unvereinbar.
Eine Einschätzung, mit der sicherlich auch eine Kripobeamtin der Kreispolizeibehörde Minden-Lübbecke konfrontiert wird, falls sich die Vorwürfe gegen sie bewahrheiten sollten. Den Ermittlungen zufolge soll sie Mitglied der mutmaßlichen „Reichsbürger-Verschwörung“ um Heinrich XIII. Prinz Reuß gewesen sein, die Pläne für einen „Umsturz“ in Deutschland gehabt haben soll. Sogar von Todeslisten und womöglich geplanten Massakern ist in den Akten der Bundesanwaltschaft zu lesen.
Todeslisten und womöglich geplante Massaker
Mitte 2022 jedenfalls soll der „Militär-Stab“ der Gruppierung mit dem bundesweiten Aufbau von sogenannten „Heimatschutzkompanien“ begonnen haben. Die Einheiten sollten nach dem Staatsstreich polizeiliche sowie militärische Aufgaben übernehmen. Die Kriminalbeamtin aus Minden-Lübbecke hat sich den Erkenntnissen der Ermittler zufolge bereit erklärt, die Kompanie 378 in NRW aufzustellen und zu leiten.
Bei einem Rekrutierungstreffen in einem Sägewerk betonte die Beamtin demnach, dass sie regional gut vernetzt und auf alles vorbereitet sei. Tags darauf soll die Kripo-Frau dem Organisator des militärischen Arms mitgeteilt haben, dass sie ihre Dienstpistole mit 30 Schuss mit nach Hause nehmen werde, so die Ermittlungen. Von einem der führenden Verschwörer soll ihr sogar die Aufnahme in den militärischen Stab in Aussicht gestellt worden sein, um nach dem Putsch die Polizei „neu aufzubauen“. Was nebenbei noch einen weiteren Vorteil habe: Als wichtige Mitstreiterin der Bewegung werde sie am Tag X mit einem Hubschrauber abgeholt, so das skurrile Versprechen laut Bundesanwaltschaft.
NRW will Gesetzeslücke schließen
Bei der Strafverfolgung rechtsextremistischer Beamte wird die Justiz von einer Gesetzeslücke gebremst. Amtsträger können bisher in geschlossenen Chats, etwa bei WhatsApp, Telegram, Facebook und anderen, nicht strafrechtlich dafür belangt werden, wenn sie extremistisches Gedankengut verbreiten. Das will die Landesregierung NRW jetzt ändern. Dafür soll ein neuer Paragraf im Strafgesetzbuch und einer im Wehrstrafgesetz eingeführt werden – dem Reglement der Soldaten. Der Gesetzesentwurf aus NRW hat den Bundesrat bereits passiert und ist im Bundestag angekommen. Ein konkreter Zeitplan etwa für Anhörungen oder gar die Abstimmung im Parlament gebe es aber noch nicht, heißt es aus der Bundestagsfraktion der CDU.
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) indes sieht das Gesetzesvorhaben kritisch. „Es bestehen erhebliche Bedenken, ob die Einführung des neuen Straftatbestandes für Amtsträger und Amtsträgerinnen verfassungsrechtlich zulässig ist“, sagte der NRW-GdP-Vorsitzende Michael Mertens dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. In dem Zusammenhang verwies der Spitzengewerkschafter auf ein entsprechendes Gutachten der Strafrechtsprofessorin Elisabeth Hove aus Leipzig. Im Kern scheitert die Gesetzesnovelle nach Auffassung der Gutachterin am verfassungsmäßig garantierten Recht der freien Meinungsäußerung.
Bei rechtsextremistischen Posts komme ohnehin das Delikt der Volksverhetzung in Frage, heißt es. Diese Strafvorschrift gelte es entsprechend zu verbessern, anstatt die viel zu weit reichenden Gesetzesnovelle einzuführen, die auch private Chats unter Strafe stellt und womöglich gegen das Grundgesetz verstoße. „Die GdP hält von der Gesetzesinitiative nichts“, erklärt der NRW-GdP-Chef. „Polizisten haben auch ein Privatleben und sollten da nicht ohne eine triftige Rechtsgrundlage ausgeschnüffelt werden.“
Polizei-Gewerkschaft: „Verfehlungen liegen im Promillebereich“
Zugleich ließ Mertens keinen Zweifel daran, dass „Polizisten und Polizistinnen mit beiden Beinen auf der freiheitlichen demokratischen Grundordnung stehen müssen“ Setze man allerdings die Zahlen rechtsextremistischer Beamter aus den vergangenen vier Jahren in Relation zu den zirka 50.000 Beschäftigten bei der Polizei in NRW, „dann geht es in den Promillebereich“. Mertens spricht von Einzelfällen, „die bei der Polizei nichts zu suchen haben, aber die Kollegen und Kolleginnen generell unter Extremismus-Verdacht zu stellen, das geht zu weit“.
Nicht nur die Polizeibehörden der Länder müssen sich mit solchen schwarzen Schafen herumplagen. Beim Bundeskriminalamt und der Bundespolizei wurden bis 2021 etwa 36 Verfahren aktenkundig. Dazu zählte auch ein Bundespolizist aus dem Kreis Euskirchen der seine Steuern nicht bezahlen wollte. Der Beamte, offenbar ein Reichsbürger, bezeichnete die Bundesrepublik Deutschland als „Vasall“, der unter „US-Besatzung steht“. Das Finanzamt sei eine Firma, so der Polizeihauptmeister. Und es sei fraglich, für wen diese arbeite. Denn: „Die BRD ist kein Staat.“