Die Chefs des Bahnunternehmens National Express sehen keine Alternative zu den Fahrplankürzungen – und erwarten ein besseres Baustellenmanagement.
Krisengipfel der NRW-Bahnen im Januar„Wir können die vielen Baustellen nicht mehr verkraften“
Chronischer Lokführermangel, ein schrumpfendes Angebot von Regionalzügen und S-Bahnen, ein Ende des Baustellenchaos nicht in Sicht – das kommende Jahr wird den Pendlern in den Ballungsräumen viel abverlangen. Auf Initiative von National Express kommt es im Januar zu einem Krisengipfel mit den Eisenbahnunternehmen und der DB InfraGO. Einziges Thema: Wie kriegen wir die Lage in den Griff? Die Chefs von National Express, Michael Hetzer und Jan Reinicke, äußern sich zu den Rahmenbedingungen. National Express ist mit einem Marktanteil von 20 Prozent nach der DB Regio der zweitgrößte Anbieter in NRW.
Herr Hetzer, Herr Reinicke, ein ausgedünnter Fahrplan, Verspätungen auf Rekordniveau, das Deutschlandticket wird teurer. Wie erklärt man das alles den Kunden?
Michael Hetzer: Indem wir offen und ehrlich mit den Problemen umgehen. Wir begrüßen die Brancheninitiative, weil wir derzeit, wie alle anderen Verkehrsunternehmen auch, den Fahrplan wegen des Personalmangels nicht einhalten können. Anstatt ungeplant kurzfristig auszufallen, weil wir möglichst viele Züge retten wollen, muss es darum gehen, in dieser schwierigen Lage wenigstens einen verlässlichen Fahrplan anzubieten.
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Jan Reinicke: Aus Sicht des Fahrgastes ist es das Schlimmste, wenn er erst auf dem Bahnsteig erfährt, dass sein Zug nicht kommt. Dabei muss es ihn nicht interessieren, ob unser Lokführer ausgefallen ist oder der Ausfall andere Gründe hat.
Welche Gründe sind das?
Hetzer: Die vielen Baustellen machen uns schwer zu schaffen. 60 Prozent unserer Arbeitsschichten werden davon beeinflusst. Das macht das gesamte System ineffizient. Die große Schwierigkeit bei der Eisenbahn ist, dass eine Störung das gesamte System beeinflussen kann. Beispielsweise wenn ein Lokführer laut Dienstplan einen anderen Zug übernehmen muss, aber selbst Verspätung hat und dieser Zug dann ein Gleis blockiert, weil er ohne Lokführer nicht losfahren kann.
Reinicke: Natürlich sind wir dafür, dass die Infrastruktur instandgehalten wird und sowohl die Neu- und Ausbauprojekte als auch die Instandhaltungsmaßnahmen vorankommen. Das geschieht aber in NRW in einem Ausmaß, das das System nicht mehr verkraften kann. Da treffen große Ausbauvorhaben mit langem zeitlichem Vorlauf auf Instandhaltungs-Sperrpausen, deren Auswirkungen wir erst im vergangenen Sommer richtig erfassen konnten. Wenn wir wegen einer Baustelle eine Umleitung planen, kann es passieren, dass auf dieser Umleitungsstrecke kurzfristig auch gebaut wird. Dann sind wir gezwungen, die Linie zu teilen. Dafür brauchen wir mehr Personal. Im gesperrten Abschnitt müssen wir dann einen Notverkehr mit Bussen einsetzen.
Die größten Sorgenkinder? Die Regionalexpress-Linien mit den langen Fahrwegen, etwa zwischen Köln und Minden
Was sind die größten Sorgenkinder für Ihr Unternehmen?
Reinicke: Die Regionalexpress-Linien mit den langen Fahrwegen, also der RE 1 (RRX) zwischen Aachen und Hamm und der RE 6 (RRX), der zwischen Minden und Köln fährt. Der RE 7 zwischen Rheine, Köln und Krefeld wird durch die vielen Baustellen hart getroffen. Wir sind lange Zeit davon ausgegangen, dass die Regionalbahn 48 mit Ausnahme der Karnevalszeit im gesamten Jahr 2025 zwischen Köln und Bonn baustellenbedingt so wie gar nicht mehr fahren wird. Aber nach kurzfristiger Information der DB InfraGO hat sich die Baustellenplanung erneut geändert. Der Verkehr zwischen Köln und Bonn ist im März und April nun doch möglich.
Das Fahrangebot wird 2025 um vier Prozent gekürzt. Was versprechen Sie sich davon?
Hetzer: Die vier Prozent sind das, was erforderlich ist. Wir haben auch kein wirtschaftliches Interesse daran, mehr zu kürzen als notwendig. Und wir werden es dort tun, wo es am wenigstens wehtut. Die Fahrplaneinschränkungen werden im kommenden Jahr die Zuverlässigkeit der Züge verbessern. Es wird hoffentlich nicht mehr so häufig oder am besten gar nicht mehr vorkommen, dass ein Fahrgast am Bahnsteig steht, und wir kommen nicht. Bei der Pünktlichkeit bin ich noch skeptisch. Weil jede Trasse, die frei wird, weil wir nicht fahren, vom Infrastrukturbetreiber angeboten werden muss. Der Güterverkehr ist scharf auf jede Trasse, die er tagsüber bekommen kann.
Leiharbeit quält auch die Bahnbranche
Warum ist es so schwer, Personal zu finden? Seit 2019 gibt es die gemeinsame Ausbildungsinitiative in NRW, mit Unterstützung des Landes. Sie bilden doch selbst aus.
Hetzer: 2023 mussten wir viele Kündigungen verkraften. Lokführer sind von uns zu Unternehmen gewechselt, die sie dem Markt dann auf Leihbasis zur Verfügung stellen. Diese Firmen bezahlen einfach besser, ein solches Gehaltsniveau ist für ein Eisenbahnverkehrsunternehmen wirtschaftlich schlicht nicht darstellbar. Natürlich sehen wir das nicht gern, aber auf einem Arbeitnehmermarkt ist das nachvollziehbar. Dann spielt das Thema Demografie eine größere Rolle. In der ganzen Branche werden in den nächsten Jahren immer mehr Lokführer in Rente gehen. Uns trifft das weniger, weil wir noch nicht so lange auf dem Markt sind. Aber auch wir müssen weiter und permanent ausbilden.
In welcher Größenordnung?
Hetzer: Wir bilden in einem Maße aus, wie wir das noch nie getan haben. In diesem Jahr haben wir 140 Plätze zur Verfügung gestellt und werden das 2025 in vergleichbarer Größenordnung tun. Die Brancheninitiative Fokus Bahn NRW will die Zahl ihrer Ausbildungsplätze auf 700 verdoppeln. Die können von allen Bahnunternehmen in Anspruch genommen werden.
Das hört sich doch gut an?
Reinicke: Ja. Aber es wird immer schwieriger, geeignete Bewerber zu finden. Wenn wir die vergangenen Jahre sehen, beenden zwischen 20 und 30 Prozent die Ausbildung nicht. Deshalb ist es wichtig, im Vorfeld möglichst genau zu schauen, ob der Bewerber oder die Bewerberin für den Beruf tatsächlich geeignet ist. Dabei geht es nicht nur um technisches Verständnis. Der Beruf erfordert nun mal ein sehr umfangreiches Wissen. Es geht vor allem um Stress-Resilienz, um Schicht-, Nacht- und Wochenendarbeit. Die Erwartungshaltung muss vorab genau geklärt werden. Das gilt auch für die Berufe der Disponenten und der Kundenbetreuer auf den Zügen.
Wie viel Fahrpersonal fehlt National Express?
Reinicke: Aktuell fehlen uns zwischen zehn und 20 Prozent an Lokführern. Erschwerend kommt hinzu, dass der Anteil der Leih-Lokführer zu hoch ist. Die sind deutlich teurer. Dementsprechend ist der Anteil der Fremdleistungen an unserer gesamten Belegschaft zu hoch. Das muss sich aus Kostengründen ändern.
Im Januar wird es einen Runden Tisch der Bahnbranche in NRW geben. Mit welchem Ziel gehen Sie in diesen Krisengipfel?
Reinicke: Das Baustellenmanagement muss besser werden. Die DB InfraGO muss die Baustellen wieder mit mehr Vorlauf ankündigen. Das hat sie sich auch vorgenommen und in ihr eigenes Regelwerk geschrieben. Danach müssen große Baustellen in der Regel 24 Wochen vorher angekündigt werden.
Wir erhalten diese Ankündigungen leider immer kurzfristiger, was an der schieren Menge der Baustellen liegt. Die Baumaßnahmen sind untereinander nicht immer abgestimmt. Zudem beobachten wir häufiger eine Veränderung von Bauzeiten mit negativen Folgen für den Eisenbahnbetrieb. Jeder, der einmal im Bestand gebaut hat, weiß, dass das selten nach Plan läuft. Der Runde Tisch ist deshalb so dringend nötig, weil der Kunde nicht unterscheidet, ob ein Zug aus Personalmangel oder wegen einer Baustelle ausfällt. Das muss er auch nicht. Es heißt dann immer nur – die Bahn. Insofern sind wir alle Betroffene und Leidende des gesamten Systems.
Sperrung der Bahnstrecke zwischen Köln und Bonn bis zum 27. Februar
Der Bahnverkehr auf der linken Rheinseite zwischen Köln, Bonn und Koblenz wird ab Freitag, 20. Dezember (21 Uhr) bis zum 27. Februar (5 Uhr) wegen der Modernisierung des Stellwerks in Bad Godesberg und umfangreichen Bauarbeiten an Signalen und Weiche von vielen Ausfällen und Sperrungen betroffen sein. Das betrifft den Fern- und den Nahverkehr.
Im Fernverkehr werden nahezu alle Züge im gesamten Zeitraum über die rechte Rheinseite umgeleitet. Dadurch verlängern sich die Fahrzeiten. Einige Bahnhöfe werden nicht mehr angefahren, einige Züge fallen komplett oder auf Teilstrecken aus.
Im Regionalverkehr kommt es zu umfangreichen Fahrplanänderungen auf den Linien RE 5 (RRX), RB 26, RB 30 und RB 48 teilweise bereits ab dem 20. Dezember bis zum 27. Februar. Die Auswirkungen fallen je nach Bauphase und Linie unterschiedlich aus.
In der Phase 1 (bis 3. Januar) fährt die Regionalbahn 48 zwischen Köln und Bonn-Mehlem nicht.
In der Phase 2 (3. Januar, 21 Uhr, bis 10. Januar, 21 Uhr) fallen die RB 30 zwischen Bonn und Remagen und RB 48 weiterhin aus. Der RE5 wird nur am Wochenende vom 3. Januar (21 Uhr) bis 6. Januar (5 Uhr) zwischen Bonn und Remagen eingestellt.
In der Phase 3 (10. Januar, 21 Uhr, bis 20. Januar, 5 Uhr) fahren zwischen Bonn und Remagen keine Züge der Linien RE5, RB26 und RB30, der RB 48 fährt weiterhin nicht.
Die Phase 4 (20. Januar, 5 Uhr, bis 27. Februar, 5 Uhr) bringt folgende Einschränkungen: Ausfall RE5 und RB26 zwischen Bonn und Remagen an den Wochenenden, freitags (21 Uhr) bis montags (5 Uhr), sowie Ausfall der RB 30 zwischen Bonn und Remagen. Der RB48 fährt im gesamten Zeitraum zwischen Köln und Bonn-Mehlem nicht. An den Wochentagen hält der R5 während der Hauptverkehrszeit zusätzlich in Sechtem und Roisdorf.
Auch nach dem 27. Februar wird es laut DB Regio NRW weitere Einschränkungen zwischen Köln und Bonn geben. „Viele Baumaßnahmen finden während des laufenden Zugbetriebs oder nachts statt, sodass die Reisenden hiervon nichts oder nur wenig merken. Wenn zum Beispiel neue Signale aufgestellt oder Gleise erneuert werden, sind phasenweise Streckensperrungen notwendig“, so eine Bahnsprecherin auf Anfrage.