Die NRW-Verkehrsverbünde ziehen die Notbremse: Sie dünnen ihre Fahrpläne aus, um den Pendler-Frust zu bekämpfen. Das Ziel: mehr Verlässlichkeit.
Pendler in der Region betroffenAb Januar fahren im Rheinland weniger Regionalzüge und S-Bahnen
Mit Start 2025 werden in Nordrhein-Westfalen deutlich weniger Regionalzüge und S-Bahnen fahren. Die Kürzungen im Fahrplan gelten zunächst für ein Jahr. Um Verspätungen zu reduzieren, Zugausfälle zu vermeiden und einen verlässlichen Fahrplan auf die Beine zu stellen, haben sich go.Rheinland, der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr und der Nahverkehr Westfalen-Lippe (NWL) darauf verständigt, rund vier Prozent der Fahrleistungen zu streichen. Grund ist der Mangel an Fahrpersonal.
Dramatischer Mangel an Fahrpersonal
„Es handelt sich dabei um eine vorübergehende Maßnahme“, sagt Oliver Wittke, Vorstandssprecher des VRR. „Wir unterstützen die Eisenbahnunternehmen dabei, neues Personal zu finden und auszubilden. Logischerweise geht das aber nicht von heute auf morgen.“
Die Qualifizierungskurse dauern bis zu zwölf Monate, die ersten neuen Lokführerinnen und Lokführer können also zum Jahresende 2025 eingesetzt werden. „Weitere Ausfälle durch eben diesen Personalmangel oder aber auch Baumaßnahmen lassen sich vorerst also nicht gänzlich vermeiden“, so Wittke. „Es wird deshalb noch ein schweres Jahr auf der Schiene geben. Daran gibt es nichts zu beschönigen.“
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Der gekürzte Fahrplan sei eine Antwort auf die vielen Ausfälle, die so kurzfristig sind, dass die Reisenden erst unmittelbar vor der Abfahrt erfahren, dass ihr Zug nicht fahren wird. „Wir wollen diese Situation, wenn möglich, gar nicht erst entstehen lassen – das ist der Sinn des Ganzen. Und falls doch, dann muss das Ziel eine verlässliche, frühzeitige Fahrgastinformation sein. Auch dafür sollen auf diese Art und Weise Kapazitäten geschaffen werden“, so Marcel Winter, Geschäftsführer von go.Rheinland.
Land will 700 Ausbildungsplätze für Lokführer schaffen
Seit September 2023 haben die Eisenbahnverkehrsunternehmen in einer gemeinsamen Ausbildungsinitiative unter dem Dach von Fokus Bahn NRW zwar 300 neue Lokführerinnen und Lokführer ausgebildet, doch das deckt die Nachfrage bei weitem nicht. In diesem Jahr sollen noch einmal 350 dazukommen. „Aber gleichzeitig gehen 160 in den Ruhestand“, so Winter. Man benötige zusätzliches Personal als Folge der Tarifabschlüsse, die es den Lokführern ermöglichen, zwischen mehr Geld oder mehr Freizeit zu wählen. Durch die vielen Baustellen wegen der maroden Infrastruktur seien die Belastungen immens gestiegen. „Das hat Auswirkungen auf den Personalbestand, die Krankenstände und damit auch auf den Fahrplan“, so Winter.
Die Zugkilometer, die im Jahr 2025 angeboten werden, sinken von 117 auf 112,5 Millionen. Man habe sich bemüht, bei den Kürzungen so vorzugehen, dass ein verlässliches Grundangebot zur Verfügung steht und Alternativen geboten werden. Reisende sollen zumindest auf einen anderen Zug oder Busse umsteigen können. Man habe sich bemüht, in der Hauptverkehrszeit und im Schülerverkehr möglichst keine Kürzungen vorzunehmen.
Die Landesregierung will über Landesprogramm Fokus Bahn NRW die Zahl der Ausbildungsplätze für Lokführer im kommenden Jahr um rund 50 Prozent auf 700 erhöhen. Ziel sei, „dass die Fahrgäste im Laufe des Jahres 2026 nicht mehr die Ansage Zugausfall wegen Personalmangel hören müssen“, sagte NRW-Verkehrsminister Oliver Krischer (Grüne).
ADAC: Bei der S-Bahn Rheinland fällt jede sechste Fahrt aus
Wie schwierig die Lage im Rheinland ist, hat der ADAC in einer Auswertung der Pünktlichkeitsquoten bei den S-Bahnen untersucht. Danach fällt auf den Linien S6, S11, S12 und S19 jede sechste S-Bahn aus. Etwa die Hälfte der Züge verspätet sich um mindestens drei Minuten. Der ADAC rechnete die ausgefallenen Züge jeweils als verspätet mit ein. Für go.Rheinland gelten Bahnen mit weniger als vier Minuten Verspätung hingegen noch als pünktlich. Der Zweckverband go.Rheinland lässt laut ADAC außerdem Zugausfälle in seiner Statistik unberücksichtigt und kommt so im September auf eine Pünktlichkeitsquote von knapp 75 Prozent.
„Wer wegen einer Verspätung seine Umsteigeverbindung verpasst, muss je nach Takt vielleicht 20 Minuten oder sogar noch länger warten. Das bedeutet: Entweder plant man mit einer Bahn-Reserve oder nimmt eben doch das Auto. Das ist nicht im Sinne des Mobilitätswandels. Es hilft also nicht, wenn die Verspätung ‚nur‘ vier Minuten beträgt“, sagt Verkehrsexperte Roman Suthold vom ADAC Nordrhein. Erforderlich seien nicht nur zielgerichtete Investitionen in die Infrastruktur des ÖPNV, sondern auch Transparenz im Umgang mit Echtzeitdaten.
Diese Linien sind im Rheinland von den Kürzungen betroffen:
RE 4 (RRX): Die zusätzlichen Züge zwischen Aachen und Düsseldorf werden gestrichen.
RE 5 (RRX): Der RE 5 (RRX) fällt baustellenbedingt an den Wochenenden (freitags, 21 Uhr bis montags, 5 Uhr) vom 3. Januar bis zum 6. Januar sowie vom 24. Januar bis zum 27. Februar und durchgehend vom 10. Januar bis zum 20. Januar zwischen Bonn und Remagen aus. Als Ersatz fahren Busse.
RE 6 (RRX): Die Linie verkehrt ab Januar täglich nur bis 22 Uhr. Als Alternative steht Linie RE 1 (RRX) bereit. Der Abschnitt Düsseldorf – Köln/Bonn Flughafen wird ab Januar 2025 nur zwischen 5 Uhr (montags – freitags) bzw. 9 Uhr (Wochenende, Feiertage) und 21 Uhr bedient. Die S11 ist die Ausweichmöglichkeit.
RE 7: Die Linie fährt ab Januar auch wegen vieler Nachtbaustellen täglich nur bis 21 Uhr. Ersatzangebote sind noch in Planung.
RE 9: Die Verstärkerfahrten auf dem Abschnitt Siegen – Köln entfallen.
RB 20: Werktags verkehrt die Linie nicht wie vorgesehen mit Dreier-Zügen, samstags verkehrt nur mit einem Zugteil.
RB 34: Die geplante Ausweitung des Stundentakts an den Wochenenden wird auf 2026 verschoben. Bis Ende Januar 2025 entfällt eine tägliche Fahrt, die durch Busse ausgeglichen wird.
RB 48: Die Linie fällt baustellenbedingt vom 17. Dezember 2024 bis zum 27. Februar 2025 zwischen Köln und Bonn-Mehlem aus. Fahrgäste müssen Linien RE 5 (RRX) und RB 26 auszuweichen.
S 23: Während der Schulferien fährt die Linie nur mit einem Zugteil. Es stehen weniger Sitzplätze zur Verfügung.