Nathanael Liminski ist NRW-Minister für Internationales. Was er nach Trumps Wahlsieg für NRW und Deutschland erwartet.
NRW-Minister Liminski„Deutsche Extremisten werden sich Trumps fragwürdige Mittel und Methoden abgucken“
Herr Minister, viele Menschen haben Angst vor Trumps Präsidentschaft. Ist die Weltuntergangsstimmung berechtigt?
Nathanael Liminski: Angst ist selten ein guter Ratgeber, insbesondere in der Politik. Wir in NRW haben unsere Hausaufgaben gemacht. Mit dem NRW-USA-Jahr haben wir in über 100 Veranstaltungen mit mehr als 100 Projektpartnern die Beziehungen auf der subnationalen Ebene enger geknüpft und auch ganz bewusst Kontakte zum Trump-Lager aufgebaut. Jetzt rächt sich, dass die Bundesregierung in den letzten Monaten vor allem Cheerleading für Harris betrieben hat, statt sich substantiell auf eine zweite Amtszeit von Trump vorzubereiten.
Erfolgte die Aufstellung von Kamala Harris zu spät?
Die Demokraten haben sich sehr viel Zeit gelassen mit der Entscheidung, den amtierenden Präsidenten als Kandidat aus dem Rennen zu nehmen – wohl zu viel. Es ist nie hilfreich, wenn der Kandidat oder die Kandidatin für eine Wahl relativ spät feststeht. Das war auch bei Armin Laschet 2021 so, als er erst 200 Tage vor der Wahl zum Kandidaten gekürt wurde. Kamala Harris hat es trotz ihres Amtes als Vizepräsidentin nicht geschafft, in der wenigen Zeit ein eigenständiges Profil aufzubauen und ein überzeugendes Narrativ für ihre Kandidatur zu entwickeln.
Jens Spahn war beim Parteitag der Republikaner. Sollte die CDU jetzt einen Gesprächsfaden zu Trump aufnehmen?
Ich habe im September in Washington sowohl Gespräche mit der amtierenden Administration geführt als auch mit den Ratgebern von Donald Trump. Es ist ein Gebot staatspolitischer Verantwortung, dass wir zu den USA als unserem wichtigsten außereuropäischen Verbündeten enge Kontakte pflegen, und zwar unabhängig davon, wer im Weißen Haus sitzt. Vor diesem Hintergrund scheint es mir selbstverständlich, dass neben der aktuellen Bundesregierung auch Vertreter der CDU das Gespräch mit der neuen Administration suchen. Mit Trumps Leuten zu reden, heißt nicht, so zu reden wie sie. Die USA-Kompetenz unseres Kanzlerkandidaten Friedrich Merz könnte ein Vorteil für Deutschland sein.
„Mit Trumps Leuten zu reden, heißt nicht, so zu reden wie sie“
Hat Europa Druckmittel, um auf Trump einzuwirken?
Eine Lektion der letzten Jahre sollte sein, dass die Vorstellung, man könne die erratische Persönlichkeit Donald Trumps tatsächlich nachhaltig beeinflussen, eine Illusion ist. Europa muss sich vielmehr auf die Formulierung eigener Interessen und die eigene Handlungsfähigkeit konzentrieren. Nur auf dieser Grundlage kann man Trump gegenübertreten.
Glauben Sie, dass Trump EU-Kommissionschefin von der Leyen ernst nimmt?
Es wäre jedenfalls ein großer Fehler, wenn er sie nicht ernst nehmen sollte. Ursula von der Leyen hat sich in den letzten Jahren beispielsweise durch ihr Management der Corona-Pandemie, die Koordinierung der europäischen Reaktion auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine oder das Ausfechten von internationalen Handelskonflikten einen Ruf als leidenschaftliche und durchsetzungsstarke Vertreterin europäischer Interessen in der Welt erarbeitet.
Wir können froh sein, sie in dieser Lage an der Spitze Europas zu haben. Von meinem letzten Austausch mit ihr und mit der für Handel zuständigen Generaldirektorin in Brüssel vor wenigen Wochen weiß ich: Die Vorbereitungen auf Trump laufen auf Hochtouren – zumindest in Brüssel.
Wie wird der Trump-Sieg den Bundestagswahlkampf in Deutschland beeinflussen?
Ich befürchte, dass Radikale und Extremisten die mitunter fragwürdigen Mittel und Methoden von Trump abgucken werden. Dann könnte es umso mehr auf das Verantwortungsbewusstsein der Parteien in der Mitte ankommen. Vielleicht unterlässt die SPD dieses Mal das Negativ-campaigning, das Herr Klingbeil beim letzten Bundestagswahlkampf salonfähig machen wollte. Ich bin aber realistisch genug davon auszugehen, dass die SPD versuchen wird, vor der Negativfolie der US-Wahlen die Union und ihren Kandidaten zu dämonisieren.
„Unsere Unterstützung für die Ukraine darf nicht von den Stimmungen Trumps abhängen“
NRW ist in der Ukraine-Hilfe stark engagiert. Befürchten Sie, dass Trump die Ukraine an Putin ausliefert?
Europa muss zur Not auch eigenständig handlungsfähig sein. Unsere Unterstützung für die Ukraine gegen den russischen Angriffskrieg, dessen Stoßrichtung eindeutig auf Europa insgesamt zielt, darf nicht von den Stimmungen Donald Trumps abhängen. Ich setze aber darauf, dass er ein Eigeninteresse der USA in diesem Kampf um Freiheit, Recht und Demokratie entdeckt.
Welche Auswirkungen kann das Wahlergebnis für die NRW-Wirtschaft haben?
Die USA waren in den vergangenen fünf Jahren mit Ausnahme des Pandemie-Jahres 2020 stets der wichtigste außereuropäische Absatzmarkt für Nordrhein-Westfalen. Auch die mehr als 1700 US-Unternehmen in unserem Land zeigen, wie eng unsere wirtschaftlichen Verbindungen weiterhin sind. In Handels- und Wirtschaftsfragen waren alle vergangenen US-Regierungen für uns herausfordernd. Wir müssen uns darauf einstellen, dass uns die künftige US-Regierung eine Menge abverlangen wird.
Welche Branchen wären von einem Handelskrieg besonders betroffen?
Als exportorientierter Wirtschaftsstandort wären wir empfindlich getroffen, das steht außer Frage. Die deutsche Automobilindustrie diente in vielen Reden von Trump als Feindbild. Aber auch andere Branchen und Länder wären betroffen. Es muss eine Priorität der europäischen Politik sein, durch eine Kombination aus Stärke und Verhandlungsgeschick einen solchen Konflikt möglichst früh im Keim zu ersticken. Das muss man europäisch organisieren und darf sich dann nicht auseinandertreiben lassen. Zur Förderung des nötigen Zusammenhalts in Europa wäre Führung aus Deutschland hilfreich.
„Zur Förderung des nötigen Zusammenhalts in Europa wäre Führung aus Deutschland hilfreich“
Markiert der Sieg von Trump jetzt erneut eine Zeitenwende?
Man sollte den Begriff nicht überstrapazieren, aber diese Wahl ist zweifellos eine Zäsur. Die USA waren seit Jahrzehnten das Sicherheitsnetz der internationalen Ordnung. Jetzt ist klar: Diese Sicherheitsgarantie gibt es nicht mehr. Europa muss mehr in die transatlantische Sicherheitskooperation einbringen, um als Partner auch künftig davon profitieren zu können.
In Deutschland wäre die erneute Wahl eines Skandalpolitikers wohl nur schwer vorstellbar. Inwiefern ticken die US-Bürger anders?
Schon bei meinen Traineeship am US-Kongress vor knapp 20 Jahren habe ich gelernt, dass Politik in den USA anders funktioniert: Die Medienlandschaft ist weitaus polarisierter, die Unterschiede zwischen den beiden großen Parteien sind grundsätzlicher und die Gräben in der Gesellschaft noch tiefer als bei uns. Außerdem ist die amerikanische Politik viel stärker an einzelnen Personen ausgerichtet.
Hinzu kommt die Besonderheit des amerikanischen Wahlrechts, wonach nicht die absolute Mehrheit der abgegebenen Stimmen ausschlaggebend ist, sondern die Mehrheit der Wahlmänner und -frauen in einer begrenzten Anzahl von Bundesstaaten. So kann eine maximal polarisierende und dadurch medial sehr präsente Figur wie Trump ausreichende Mehrheiten an den entscheidenden Orten mobilisieren.
Trump hat mit Migrationspolitik gepunktet. Beflügelt der Sieg die AfD?
Hendrik Wüst warnt schon lange davor, die politische Sprengkraft des Themas Migration zu unterschätzen und wirbt deshalb für eine Allianz der Mitte zur Lösung der offenkundig ungelösten Probleme im Zusammenhang mit ungesteuerter, irregulärer Migration. Auch hier hat die Ampel die Zeichen der Zeit nicht erkannt.
Inwieweit die AfD davon profitieren wird, hängt nicht zuletzt davon ab, mit welcher Tonlage wir dieses Thema diskutieren. Hierfür trägt natürlich auch die Union Verantwortung.