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Trump oder Harris
Was die NRW-Wirtschaft durch die Wahl in den USA zu verlieren hat

Lesezeit 5 Minuten
NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubauer sowie die US-Präsidentschaftskandidaten Kamala Harris und Donald Trump, Montage

1700 US-Unternehmen sitzen in NRW, im Gegenzug exportieren nordrhein-westfälische Firmen Waren im Wert von knapp 16 Milliarden in die Vereinigten Staaten.

1700 US-Unternehmen sitzen in NRW, im Gegenzug exportieren nordrhein-westfälische Firmen Waren im Wert von knapp 16 Milliarden in die Vereinigten Staaten.

Sie schaue „gebannt und mit Sorge auf die US-Wahl“, sagt NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (Grüne): „In Trumps Legislatur haben wir erlebt, wie viel an guten transatlantischen Kontakten, Formaten und Austausch schlicht mutwillig zerstört wurde.“ Die „großen Herausforderungen unserer Zeit“ indes erforderten „internationale Zusammenarbeit und die USA als starken Partner“, so die Grünen-Politikerin zum „Kölner Stadt-Anzeiger“. Dafür brauche es „niemanden, der nur auf Populismus, Spaltung und Protektionismus setzt“. Der „Wegfall von Kooperationsformaten“ und eine Entfremdung der USA und Europas könne „auch nicht im Interesse der Amerikanerinnen und Amerikaner sein“, betont die Ministerin: „Wir müssen jetzt mit allem was in unserer Macht steht dafür sorgen, die wirtschaftliche Zusammenarbeit zu stärken und resilient zu machen.“

Hendrik Wüst (l, CDU), Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, und NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (Grüne) haben in den USA für dem Wirtschaftsstandort NRW geworben

Hendrik Wüst (l, CDU), Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, und NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (Grüne) haben in den USA für dem Wirtschaftsstandort NRW geworben

Kommenden Dienstag wählen die Amerikaner. Einen pöbelnden, verlogenen und menschenverachtenden Ex-Präsidenten oder erstmals eine Frau, die schwer einzuschätzen ist, was die Details ihrer Politik betrifft. Wer wird ins Weiße Haus einziehen? Trump oder Harris? Es ist nicht nur für die USA ein wichtiger Tag. Weltweit steht auch wirtschaftlich viel auf dem Spiel. Mit dem „Inflation Reduction Act“, im Kern eine 430-Milliarden-schwere-Subventionsmaschine, lockt die aktuelle US-Regierung von Joe Biden derzeit bereits zahlreiche deutsche Unternehmen und Investoren in die Vereinigten Staaten. Weitere vier Jahre Abschottungs-Politik, wie die Trump-Administration sie mit „America First“ schon einmal durchgezogen hat, würden die deutsche Wirtschaft zusätzlich belasten. Auch NRW, eng verflochten mit der US-Wirtshaft, hat einiges zu verlieren.

Wasserstoff, Herzschrittmacher, Autos oder Lebensmittel

Da wäre zum Beispiel das Ford-Werk in Köln, in dem zukünftig die neueste Generation Elektrofahrzeuge für den europäischen Markt produziert werden soll, wozu der Automobilhersteller zwei Milliarden US-Dollar investiert hat. Oder 3M in Neuss mit einem deutschlandweiten Umsatz von circa 2,5 Milliarden Euro pro Jahr. Die Medtronik GmbH in Meerbusch, die mehr als die Hälfte aller weltweit implantierten Herzschrittmacher herstellt. Oder der Wasserstoff-Brennstoffzellen-Spezialist Plug Power, dessen europäisches Service- und Logistikzentrum im Duisburger Freihafen beheimatet ist, wo jährlich 500 Tonnen grüner Wasserstoff produziert werden soll. Die USA zählen zu den wichtigsten Außenhandelspartnern von Nordrhein-Westfalen.

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Mehr als 1.700 US-Unternehmen wie Coca Cola, UPS, FedEx, das Teleshopping- und E-Commerce-Unternehmen QVC, der Lebensmittel- und Futterhändler Cargill oder der Pharmazie- und Konsumgüterhersteller Johnson & Johnson haben sich in NRW angesiedelt. Damit sind die Amerikaner deutlich stärker vertreten als etwa Frankreich (1.100), Japan (650) oder Italien (580) und stellen schätzungsweise 200.000 Beschäftigte.

Die USA liefern jährlich Produkte im Wert von 17 Milliarden Euro nach NRW

Die USA sind für NRW-Unternehmen zudem ein wichtiger Forschungs- und Produktionsstandort und natürlich ein überaus interessanter Markt. Die nordrhein-westfälische Wirtschaft hat im Jahr 2023 Waren im Wert von 15,7 Milliarden Euro in die Vereinigten Staaten exportiert. Wie das Statistische Landesamt anhand vorläufiger Ergebnisse mitteilt, waren das allerdings 7,3 Prozent weniger als ein Jahr zuvor (damals etwa 17 Milliarden Euro). Neben chemischen und pharmazeutischen Erzeugnissen wurden insbesondere Maschinen in die USA verkauft. Insgesamt waren die USA nach den Niederlanden (27 Milliarden Euro) und Frankreich (knapp 20 Milliarden Euro) das drittstärkste Abnehmerland für NRW-Produkte.

Der Importwert lag mit 17 Milliarden Euro um 9,6 Prozent höher als ein Jahr zuvor. Erstmalig überstieg damit die Summe der Importe aus den USA die Summe der Exporte. Mehr Produkte lieferten nur die Niederlande (40 Milliarden Euro) und die Volksrepublik China (35 Milliarden Euro) nach NRW.

Ministerpräsident Wüst auf Werbetour in den Vereinigten Staaten

Im April dieses Jahres ist Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst zur Werbetour für den Wirtschaftsstandort NRW in die USA geflogen. Dabei stand auch ein Besuch der Microsoft-Zentrale im Bundesstaat Washington auf dem Programm. Der Softwareriese hatte im Frühjahr angekündigt, insgesamt 3,2 Milliarden Euro in hochmoderne Rechenzentren im Rheinischen Revier zu investieren. Die Landesregierung erhofft sich davon eine hohe Anziehungskraft der Region für Firmen, die die Rechenkraft Microsofts brauchen und sich in der Nachbarschaft ansiedeln wollen – auch aus den USA. Vor allem Unternehmen im Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI) sollen angelockt werden

Kooperationen mit KI- und Rüstungsunternehmen

Ein weiterer Schwerpunkt der Wüst-Reise lag in der Verbesserung der Kooperation amerikanischer Rüstungs-Konzerne mit NRW-Unternehmen. Der CDU-Politiker besuchte Northrop Grumman, eines der zentralen Unternehmen in der Herstellung des neuen Kampfjets F-35 der Bundeswehr. Der Düsseldorfer Rüstungskonzern Rheinmetall stellt einen Teil des Rumpfs voraussichtlich ab 2025 in einer neuen Fabrik am Flughafen Weeze her. Und fungiert als Zulieferer des US-Partners, der den gesamten Rumpf zusammensetzt.

Am Ende seiner Reise hatte Wüst zwar keine weiteren Investitionen von Tech-Konzernen im Gepäck. Aber das habe er auch nicht erwartet, sagte der Ministerpräsident. Es sei ihm wichtig gewesen, die Verbindung zum Bündnispartner vor Ort „zu pflegen, auszubauen, zu vertiefen“.

NRW verlängert Klimaschutz-Projekt mit dem US-Staat Minnesota

Wirtschaftsministerin Neubaur ist im August mit einer nordrhein-westfälischen Wirtschaftsdelegation nach Kalifornien und Minnesota gereist. Außer mit örtlichen Unternehmensvertreterinnen und -vertretern habe sie sich auch noch „mit hochrangigen Politikerinnen und Politikern“ getroffen. „Geopolitische Krisen, erstarkende Autokraten, rasant voranschreitender Klimawandel – selten war es so wichtig, dass Demokratien enger zusammenrücken“, so die Ministerin zum „Kölner Stadt-Anzeiger“.

Im Zentrum ihrer USA-Reise standen aktuelle wirtschafts-, energie- und klimapolitische Fragen. Und die Grünen-Politikerin kam nicht mit leeren Händen zurück. In Minnesota verlängerte sie mit der dortigen Wirtschaftsministerin Grace Arnold das schon länger laufende Abkommen zum Schwerpunkt Energie und Klimaschutz. „Beide Seiten werden dadurch noch stärker und projektbezogen in den Bereichen Klimafinanzierung, Energiespeicherung und Energie-Resilienz zusammenarbeiten”, berichtet Neubaur: „Ich bin überzeugt, dass wir das starke transatlantische Bündnis mit unseren amerikanischen Freundinnen und Freunden insbesondere in wichtigen US-Bundesstaaten weiter festigen werden – unabhängig von Wahlausgängen.“

In NRW leben 14.425 US-Amerikaner

In den kommenden Jahren werde die NRW-Landesregierung „speziell“ dabei helfen, „für unsere vielen mittelständischen Unternehmen gezielt zusätzliche Marktpotenziale zu erschließen und die starken Handelsbeziehungen weiter zu intensivieren“. Ein „wichtiges Fundament“ für die wirtschaftliche Zusammenarbeit seien auch 98 Schulpartnerschaften, 290 Hochschulkooperationen sowie 33 Städtepartnerschaften, heißt es von der NRW-Landesregierung. Aachen beispielsweise ist mit Arlington verbunden, Dortmund mit Buffalo (N.Y.), Duisburg mit Fort Lauderdale, Münster mit Fresno und Köln mit Indianapolis.

Insgesamt lebten Ende 2023 nach Angaben des Statistischen Landesamtes NRW 14.425 US-Amerikaner in Nordrhein-Westfalen, wovon 13.095 Personen 18 Jahre oder älter waren. Die meisten wohnten entlang der Rheinschiene in den Großstädten Düsseldorf (2425), Köln (21710) und Bonn (1235). Die Kreise Olpe und Remscheid lagen mit nur je 35 „Amis“ am Ende der kommunalen Statistik.

Zusätzlich gab es noch knapp 12.000 Menschen mit doppelter Staatsbürgerschaft. Wie viele US-Amerikaner in NRW wahlberechtigt sind, kann das Statistikamt aber nicht sagen.