Neue Durchsuchungen drehten sich um ein Darlehen für den FC Düren, dessen Präsident Landrat Wolfgang Spelthahn (CDU) ist. Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ hat den Verlauf der Affäre rekonstruiert.
Schleuser-AffäreWarum Landrat Spelthahn weiter ins Visier der Staatsanwaltschaft gerät

Die Staatsanwaltschaft Düsseldorf ermittelt gegen Landrat Wolfgang Spelthahn.
Copyright: Stephan Everling
Der Dürener Landrat Wolfgang Spelthahn (CDU), der nach Artikeln des „Kölner Stadt-Anzeiger“ über dessen mutmaßliche Verstrickung mit der sogenannten „Luxusschleuser-Bande“ vom Dienst suspendiert wurde, gerät immer weiter ins Visier der Staatsanwaltschaft. Ende Januar veranlasste die Behörde erneute Razzien in der Affäre. Etwa 130 Ermittler durchsuchten mehrere Wohn- und Geschäftsräume in Krefeld und Orten in Hessen.
Im Mittelpunkt standen dabei zwar weitere Verdächtige im Alter von 50 bis 57 Jahren, die Teil der Schleuserbande gewesen sein sollen. Letzten Endes aber zielten die Durchsuchungen auch darauf ab, Beweismittel gegen Spelthahn zu finden, der sämtliche gegen ihn erhobene Verdächtigungen abstreitet. Denn bei der Razzia ging es um ein Darlehen in Höhe von 150.000 Euro, das laut Staatsanwaltschaft in Absprache mit dem Landrat an den 1. FC Düren geflossen sein soll. Der CDU-Politiker ist Präsident des Fußball-Regionalligisten. Und das Geld soll von der Schleuserbande gekommen sein, die etwa 350 wohlhabende Chinesen und Araber sowie deren Angehörige gegen sechsstellige Summen nach Deutschland gelotst haben soll.
Die Ermittlungen beginnen im Frühjahr 2024
Viele Fragen in diesem Zusammenhang bleiben noch unbeantwortet, und nach wie vor gilt die Unschuldsvermutung. Der Blick in vertrauliche Unterlagen ermöglicht es dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ jedoch, die Hintergründe und den Verlauf der Affäre um den bekannten Christdemokraten zu rekonstruieren.
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Die Geschichte der Ermittlungen gegen Spelthahn beginnt im Frühjahr 2024. Es ist der mutmaßliche Schleuserchef Claus Brockhaus, ein Anwalt aus Köln, der die Fahnder auf die Spur bringt. Später belastet auch der SPD-Politiker Jens Bröker den Landrat schwer. Der ehemalige Leiter eines auch mit Migration beschäftigten Referates der Dürener Kreisverwaltung gilt als eine der Schlüsselfiguren der mutmaßlichen Luxusschleuser-Bande.
Mutmaßlicher Schleuserboss belastet Spelthahn
Beide Beschuldigte waren am 17. April 2024 verhaftet worden. Zwei Wochen später behauptete Anwalt Brockhaus laut Vernehmungsprotokoll, der Landrat sowie Bröker seien darüber im Bilde gewesen, dass die formalen Voraussetzungen für die Gewährung von Aufenthaltstiteln für die einreisewilligen Migranten nicht vorgelegen hätten. Er habe dies persönlich zwar nie gesehen, sei aber ziemlich sicher, dass auch Spelthahn mitkassiert habe, sagte der Hauptbeschuldigte in einer weiteren Vernehmung. Und: Spelthahn sei ständig auf der Suche nach Geld für den 1. FC Düren gewesen. Zum sechsstelligen Darlehen für den Club seien deshalb auch noch Sponsoring-Verträge gekommen, die er über seine Firma beglichen habe.
Am 4. Juli 2024, nach etwa zweieinhalb Monaten Untersuchungshaft, legte der Sozialdemokrat Bröker ein Geständnis ab. Er sei mit etwa 300.000 Euro bestochen worden, um dabei zu helfen, Aufenthaltsgenehmigungen für die wohlhabenden Migrationswilligen zu beschaffen. Auch Bröker wies Spelthahn eine Mitschuld zu. Der Landrat habe seine Amtsstuben wie ein regionaler Fürst regiert und habe auch die Haltung des örtlichen Ausländeramtes bei den Aufenthaltsgenehmigungen für die Geschleusten festgelegt. Er soll demnach die Aktivitäten der Schleuser unterstützt haben. Im Gegenzug hätte er vom mutmaßlichen Bandenchef Brockhaus sowie Komplizen ein sechsstelliges Darlehen erhalten.
Der Landrat soll sich in die Angelegenheit des örtlichen Ausländeramtes eingemischt haben
Mit seinen Aussagen stützte Bröker einen Verdacht der Ermittler. Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft soll dieser oftmals nur in Absprache mit Spelthahn in die Abläufe des örtlichen Ausländeramtes eingegriffen haben, heißt es in internen Unterlagen. Gegen den Willen einer Sachbearbeiterin sollen beide etwa dafür gesorgt haben, dass die Migranten die Aufenthaltstitel nicht mehr persönlich abholen mussten. Einmischungen habe es auch bei der Verlängerung von Aufenthaltsgenehmigungen für Migranten-Kinder gegeben. Zudem sollen Bröker und Spelthahn darauf gedrungen haben, dass Arbeitsverhältnisse anerkannt und somit Aufenthaltstitel verlängert wurden, obwohl die Schleuser-Kunden keine Sozialabgaben abführten.

Polizisten durchsuchen im April 2024 in der Nähe der Dürener Innenstadt Wohnungen und Häuser im Rahmen einer Razzia gegen Schleuserkriminalität.
Copyright: dpa
Vor diesem Hintergrund steht der Landrat unter dem Verdacht der Bestechlichkeit und des gewerbs- und bandenmäßigen Einschleusens von Ausländern in 84 Fällen. Die Fahnder berufen sich auf Auswertungen der Ausländer- und Visaakten sowie Bankkonten, heißt es in vertraulichen Papieren. Zudem führen die Strafverfolger abgehörte Telefonate, E-Mail-Verkehre und die belastende Aussage des mutmaßlichen Schleuserchefs Brockhaus als Beweise an. Insgesamt 222 Migranten seien über die Dürener Schiene illegal eingereist.
Durchsuchung auch in der Ferienvilla
Im Juli vergangenen Jahres wurde deshalb auch Spelthahns Ferienvilla am oberbayerischen Ammersee durchsucht. Im Beschluss dazu heißt es, der Landrat und der SPD-Politiker Bröker hätten mit einem weiteren Beschuldigten je illegal eingereistem Familienvorstand zwischen 1000 und 10.000 Euro von der Schleuser-Bande erhalten. Das Geld habe man sich geteilt.
Spelthahns Suspendierung am 9. November vergangenen Jahres erfolgte nach mehreren Berichten in der Affäre durch den „Kölner Stadt-Anzeiger“. Seinerzeit teilte die nordrhein-westfälische Kommunalministerin Ina Scharrenbach (CDU) dem Dürener Stadtrat mit, die Staatsanwaltschaft habe „ganz wesentliche Beweismittel“ vorgelegt. Sie habe deshalb keine andere Wahl gesehen, als ihren einen Vertreter einzusetzen. Spelthahn hat inzwischen vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf gegen seine Ablösung geklagt. Ein Urteilsspruch steht noch aus.
Geld aus der Schleuser-Kasse soll auch an den FC Düren geflossen sein
Die neuerlichen Durchsuchungen im Kontext zu den Geldflüssen aus dem mutmaßlichen Schleusertopf an den 1. FC Düren machen die Angelegenheit für Spelthahn nicht leichter. Der Verein sei dessen große Leidenschaft, hatte der damalige Untersuchungshäftling Bröker berichtet. Als Vereinsvorsitzender habe Spelthahn das ehrgeizige Ziel verfolgt, den Verein in die dritte Bundesliga zu führen. Das kostete einiges. Und zwar Geld, das man nicht gehabt habe.
Da seien laut Bröker führende Protagonisten der Schleuser-Bande ins Spiel gekommen. Der mutmaßliche Chef der Schlepper habe dem Landrat einen „Investor“ aus Krefeld vorgestellt. Ebenjener Geldgeber wurde vor gut drei Wochen verhaftet. Er soll Spelthahn die 150.000 Euro für den Fußballklub geliehen haben, heißt es in einer Meldung der Staatsanwaltschaft.
Anwalt: „Die Vorwürfe entbehren jeglicher Grundlage“
Benedikt Pauka, Spelthahns Anwalt, hat sämtliche Vorwürfe zurückgewiesen. Sein Mandant habe „in keiner Weise an der Erschleichung von Aufenthaltstiteln mitgewirkt oder von einer solchen Kenntnis gehabt, ebenso hat er keinerlei Vorteile gefordert, sich versprechen lassen oder angenommen“, so der Strafverteidiger: „Die gegen Herrn Spelthahn erhobenen Vorwürfe entbehren jeglicher Grundlage.“
Dies betreffe auch die Verdächtigungen im Zusammenhang mit dem FC Düren. Spelthahn habe nicht um ein Darlehen gebeten und auch keines erhalten. Vielmehr sei ein „Investor“ daran interessiert gewesen, „ein internationales Sportinternat und ein Performance-Center auf dem Grundstück des 1. FC Düren zu errichten“. Da sich der Mann „bereits zuvor als Fan des Vereins präsentiert hatte, bestand bei Herrn Spelthahn und den weiteren Vorstandsmitgliedern kein Zweifel daran, dass ihm aus ideellen Interessen an einer Unterstützung des Vereins gelegen war“.
Finanzielle Zuwendungen seien dabei nie direkt an seinen Mandanten gegangen, so Pauka. Um das Projekt zu realisieren, habe der „Investor“ vielmehr auf eigene Initiative eine Kapitalgesellschaft gegründet. Diese habe dem Fußballclub dann Mitte 2020 ein Darlehen in Höhe von 120.000 Euro gewährt, mit dem das „aufwendige Bauleitverfahren“ bezahlt worden sei.