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Vor Schulstart in NRWSPD nennt Einführung von Lesezeit einen „Witz“

Lesezeit 3 Minuten
Schülerinnen und Schüler nehmen im Klassenzimmer einer 9. Klasse der Gemeinschaftsschule Leutenbach am Geografieunterricht mit Hilfe von Laptops und Tablets teil.

In NRW startet kommenden Montag wieder der Schulunterricht. (Symbolbild).

Neues Schuljahr, alte Probleme: Vor allem der Lehrermangel macht den Schulen zu schaffen. Die SPD stellt Schulministerin Feller ein schlechtes Zeugnis aus.

Für die meisten Schüler in Nordrhein-Westfalen beginnt am nächsten Montag das neue Schuljahr. Die Probleme, auf die sie dabei treffen werden, sind altbekannt. Vor allem der Lehrermangel plagt die Schulen in NRW. Laut Schulministerium fehlen aktuell rund 6700 Lehrkräfte.

Die bildungspolitische Sprecherin der SPD, Dilek Engin, stellt Schulministerin Dorothee Feller (CDU) deswegen ein schlechtes Zeugnis aus: „Wäre Frau Feller Schülerin, wäre sie sitzengeblieben“, sagte sie am Montag in Düsseldorf.

Jeder zehnte Schulleiterposten in NRW unbesetzt

Das zeige sich beispielhaft an den vielen unbesetzten Schulleiterposten. Wie aus eine Anfrage der SPD an Schulministerin Feller hervorgeht, ist fast jede zehnte Stelle in NRW unbesetzt. Auch sonst mache die Ministerin zu wenig, um gegen den Lehrermangel vorzugehen. Die SPD fordert daher unter anderem, Ein-Fach-Lehrkräfte zuzulassen. „Gleichzeitig muss es Quereinsteigern erleichtert werden, durch berufsbegleitende Weiterbildungsmaßnahmen auch ein zweites Fach unterrichten zu können.“ Zudem müsse die Eigenverantwortung von Schulen gestärkt werden, indem diesen ein eigenes Budget zur Verfügung gestellt wird.

Sabine Mistler, Vorsitzende des Philologenverbandes Nordrhein-Westfalen (PhV), schließt sich der Forderung gegenüber dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ an: „Wir begrüßen es, wenn Schulen die Möglichkeit erhalten, Personallücken möglichst schnell und unbürokratisch zu schließen.“ Ein eigenes Budget müsse allerdings klaren Regelungen unterliegen und dürfe nicht zu mehr Verwaltungsaufwand führen. Auch Ayla Çelik, Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft NRW (GEW) begrüßt den Vorstoß, betont allerdings: „Die Einstellung von Hilfskräften darf nicht auf Lehrerinnen- und Lehrerstellen angerechnet werden.“

Wie viel bringen Ein-Fach-Lehrkräfte?

Auch die Ausweitung von Ein-Fach-Lehrkräften findet Çelik richtig: „Kolleginnen und Kollegen, die wir schon für die Arbeit in der Schule gewonnen haben, können sich so noch besser einbringen. Und gleichzeitig bieten wir eine Perspektive für diese Beschäftigten.“

Mistler vom PhV macht sich indes wenig Hoffnungen, dass eine Ausweitung der Ein-Fach-Lehrkräfte etwas am Lehrermangel ändern würde: „Das ist für unsere Schulformen, vor allem für die Gymnasien, kaum relevant. Bei nur einem Fach werden in der Regel Kunst oder Musik abgedeckt.“

Die von Feller ab dem kommenden Schuljahr eingeführte Lesezeit von dreimal 20 Minuten pro Woche bezeichnete Engin von der SPD indes als „Witz“. Mit der Maßnahme will das Bildungsministerium auf die Ergebnisse der jüngsten Iglu-Studie reagieren, wonach jeder vierte Viertklässler in Deutschland nicht richtig lesen kann.

SPD forder frühzeitiges „Screening“ der Kinder

Kritik kommt auch vom GEW. Die Maßnahme sei nicht nachhaltig und löse das Problem nicht. „Was wir brauchen, ist frühe Förderung für alle Kinder. Der Kindergarten ist der Ort, an dem wir als erstes ungleiche Startbedingungen auffangen können“, sagte die GEW-Vorsitzende Çelik. „Aber hier stoßen wir dann auf die gleichen Probleme: Unterfinanzierung, fehlende Wertschätzung für die Fachkräfte.“

Sabine Mistler vom Phv widerspricht. Mit der von Feller eingeführten Lesezeit habe das Schulministerium schnell reagiert. „Wir begrüßen dies ausdrücklich und gehen davon aus, dass diese zusätzliche Zeit pädagogisch angemessen umgesetzt wird.“

Statt Lesezeit brauche es ein „Screening“ der Kinder, um der Leseschwäche entgegenzuwirken, so Engin. Bei einer solchen Untersuchung solle die sprachliche und emotionale Entwicklung der Kinder festgestellt werden. Das Schulministerium plant zwar ein Screening, allerdings soll dieses wohl erst ein halbes Jahr vor der Einschulung stattfinden. „Das ist zu spät, weil die Grundschulen dann kaum noch auf den Förderbedarf reagieren können.“

Die GEW-Vorsitzende Çelik ist skeptisch, ob ein Screening viel bringen wird. Zwar sei es sinnvoll, den Förderbedarf rechtzeitig zu erkennen, „aber das ist der Punkt: Ein Screening bringt nichts, wenn man auf die Resultate nicht mit Fachkräften angemessen reagieren kann.“ Um diese zu gewinnen, brauche es massive Investitionen. „An dieser Stelle ist die Schuldenbremse nicht zielführend“, so Çelik