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Lehrkräftemangel in NRWSachverständige befürchten abschreckende Wirkung bei Plänen der Schulministerin

Lesezeit 4 Minuten
Eine Englisch-Lehrerin an der Tafel, sie schreibt mit Kreide in Englisch.

In der Anhörung im Schulausschuss steht der Lehrkräftemangel im Mittelpunkt.

Weniger Teilzeit, Zwangsabordnung an unterbesetzte Schulen - Experten kritisieren Pläne von Bildungsministerin Feller (CDU).

Als die nordrhein-westfälische Bildungsministerin Dorothee Feller (CDU) ihr „Handlungskonzept Unterrichtsversorgung“ vorstellte, ließ Kritik nicht lange auf sich warten. Zur Bekämpfung des Lehrkräftemangels – in NRW sind mehr als 8000 Stellen unbesetzt – sieht das Konzept unter anderem erschwerte Teilzeitkonditionen vor sowie die Möglichkeit, Lehrkräfte an unterbesetzte Schulen abzuordnen.

„Man schießt sich selbst ins Knie, wenn man einerseits den Lehrerberuf attraktiver gestalten will und gleichzeitig Menschen abschreckt, für die etwa die Möglichkeit zur Teilzeit ein Anreiz wäre, diesen Beruf zu ergreifen“, ist etwa Sven Christoffer, Vorsitzender des Verbands Lehrer NRW, überzeugt.

Schulausschuss tagt zum Fachkräftemangel

Fachleute aus Wissenschaft und Praxis, die im Schulausschuss am Dienstag ihre Sicht auf die Bekämpfung des Fachkräftemangels an den Schulen darlegen, geben ihm Recht. Wie aus schriftlichen Stellungnahmen für die Anhörung im Düsseldorfer Landtag hervorgeht, halten die Sachverständigen dienstrechtliche Verschärfungen für kontraproduktiv – das gilt insbesondere für die Einschränkung der Teilzeit und die Möglichkeit zur Abordnung.

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Der Verband Bildung und Erziehung (VBE) mahnt, Abordnungen an andere Schulen nur mit Zustimmung der Lehrerinnen und Lehrer vorzunehmen, um den Beruf nicht „noch unattraktiver zu machen“. Auch der Philologenverband befürchtet angesichts restriktiver dienstrechtlicher Maßnahmen „massiven Widerstand und auch Resignation bei den Lehrkräften“.

Philologenverband spricht von „erschöpftem System"

Der Philologenverband kritisiert, dass der Lehrkräftemangel ein verschlepptes Problem sei und bereits seit Jahrzehnten zulasten der Bildung gehe – aktuell, so die Bochumer Schulforscherin Gabriele Bellenberg, treffe er in NRW „auf ein erschöpftes System“, erst recht nach der Corona-Pandemie und infolge einer immer weiter auseinander gehenden sozialen Schere.

Die kommunalen Spitzenverbände vermissen Daten, die es erlauben, den Bildungsverlauf von Kindern in ihrer jeweiligen sozialen Lage zielgenauer zu begleiten. Die SPD-Opposition im Landtag fordert deswegen einen „schulscharfen“ Sozialindex, der es erlaube, Problemlagen lokal zu spezifizieren: Schulen in sogenannten Brennpunkt-Vierteln sind besonders stark vom Lehrkräftemangel betroffen, entsprechend intensiv ist das Kollegium gefordert, das dort arbeitet.

Um diese Punkte wird es im Ausschuss konkret gehen:

Seiteneinstieg

Ein Kernpunkt in Fellers Handlungskonzept ist die Erleichterung des Seiteneinstiegs – dies halten auch die Sachverständigen für unverzichtbar, denn anders sei der Fachkräftemangel mittel- und längerfristig nicht einzudämmen.

Gleichzeitig warnen sie vor einer Aushöhlung der grundständigen Ausbildung. Eine dauerhafte Lösung kann der verstärkte Einsatz von Quereinsteigern aus Sicht der Landesschülervertretung nicht sein. Es dürften keine „Fehlanreize“ gesetzt werden, die sich langfristig auf die Unterrichtsqualität auswirkten, warnen die Schüler. Ebenso wie die Landeselternschaft Grundschulen kritisiert auch die Schülervertretung, dass der Numerus clausus den Zugang zu Lehramtsstudiengängen zu häufig ausbremse.

Ein-Fach-Lehrer

Die Landesrektorenkonferenz (LRK) der Universitäten in NRW regt an, die Ausbildung und Zulassung von Ein-Fach-Lehrern in Erwägung zu ziehen. In einigen Bundesländern werde das bereits erprobt. Die FDP schlägt vor, Master-Absolventen mit nur einem Lehrfach die Möglichkeit zu geben, sich berufsbegleitend für ein zweites zu qualifizieren. Die LRK empfiehlt darüber hinaus, das Studium im „Master of Education“ für Bachelorabsolventen aus anderen Studiengängen zu öffnen.

Ganztagsunterricht

Der Grundschulverband sorgt sich vor allem um die Bildungsqualität und -gerechtigkeit und stellt fest, „dass nur qualitativ hochwertiger Ganztagsunterricht einen Beitrag zur besseren Bildung der Kinder leisten kann“. Der Verband fordert außerdem eine echte Lernmittelfreiheit sowie eine flexiblere Stundentafel, um den Schülerinnen und Schülern auch zum Üben mehr Zeit zu verschaffen.

Schulforscherin Bellenberg empfiehlt, die Stundentafel auf Basiskompetenzen zu konzentrieren, die an veränderte gesellschaftliche Anforderungen wie die Digitalisierung angepasst werden müssten. In der Stundentafel wird die Anzahl der Unterrichtsstunden festgelegt, die auf ein Fach entfallen. Je nach Bundesland und Schulform wird dieses Instrument allerdings nicht mehr so starr wie früher angewandt.

Prüfungen

Das gesamte Prüfungswesen muss aus Bellenbergs Sicht überdacht werden. Die von der Schulministerin angekündigte Reduzierung der Klassenarbeiten in Klasse 10 reiche nicht aus, kritisiert die Bochumer Professorin. Auch die Lehrergewerkschaften fordern eine deutliche Reduzierung von Klassenarbeiten, für deren Korrektur ein großes Zeitbudget aufgewendet werden muss.

Lehramtsanwärter

Der von der Landesregierung angestrebte zusätzliche selbständige Unterricht angehender Lehrer auf freiwilliger Basis wird von mehreren Experten kritisiert. Von Freiwilligkeit könne angesichts ihres Abhängigkeitsverhältnisses nicht die Rede sein, stellt der VBE fest. Außerdem ersetzten die Anwärter keinen vollwertigen Unterricht, unterstreicht auch die Schülervertretung. (mit dpa)


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