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Interview

Güler kritisiert Spahn
„Prämie für Rückkehr nach Syrien bringt nichts“

Lesezeit 4 Minuten
Serap Güler, MdB aus Köln

Serap Güler, Bundestagsabgeordnete aus Köln,

Die Politikerin aus Köln ist Verteidigungsexpertin der CDU. Güler verlangt eine Allianz mit Katar und anderen Golfstaaten.

Frau Güler, die Lage in Syrien ist unübersichtlich. Welche Möglichkeiten hat Deutschland, Einfluss zu nehmen?

Serap Güler: Deutschland darf bei Syrien nicht nur Zuschauer sein. Wir müssen jetzt geopolitisch eine Rolle spielen und zum Beispiel dem NATO-Partner Türkei, der gerade sehr einflussreich in der Region ist, Unterstützung anbieten. Auf das Telefonat zwischen Bundeskanzler Scholz und dem türkischen Staatspräsidenten müssen jetzt konkrete Schritte folgen.

Wie genau können wir die Türkei unterstützen?

Wir haben ja leider kaum eigene Beziehungen zu Syrien, deshalb müssen wir in unserem ureigenen sicherheitspolitischen Interesse dazu beitragen, dass Syrien nicht zerfällt. Das können humanitäre oder wirtschaftliche Hilfen sein, aber auch strategische Fragen, wie man die unterschiedlichen Gruppen aufeinander zubewegen kann und welche Rolle sie beim State-Building spielen können. Hier können wir aktiv mit der Türkei als Mittler zusammenarbeiten.

Wer könnte sonst Partner in der Region sein?

Wichtig ist: Rechtsstaatlichkeit oder der Aufbau von demokratischen Strukturen lassen sich nicht von Außen diktieren, dafür gibt es genug gescheiterte Beispiele. Wir brauchen Akteure mit Einfluss, um überhaupt einen Fuß in die Tür zu bekommen. Neben der Türkei sind das auch Katar und andere Golfstaaten. Sicher, das sind alles keine Wertepartner. Nur: Wenn wir alleine darauf setzen, bleiben wir Zuschauer und sehen dabei zu, wie andere ihre Interessen durchsetzen.

Warum hat Russlands Präsident Putin den Despoten Assad fallen gelassen?

Ich glaube, er hat die Lage erstens unterschätzt und zweitens lag seine Konzentration bekanntlich in der Ukraine. Zum Schluss war wahrscheinlich der Punkt erreicht, wo er einsah, dass Assad nicht mehr zu retten ist. Die Rebellen haben ja ein Vakuum genutzt, dass auch der Iran beziehungsweise die Hisbollah aktuell hinterlassen haben. Wie so oft, hängt auch hier alles mit allem zusammen.

Welche Rolle wird Russland künftig in der Region spielen?

Aus sicherheitspolitischer Sicht muss es ebenso in unserem Interesse sein, dass Russland seine Militärbasen in Syrien verliert: den Marinestützpunkt in Tartus und den Luftwaffenstützpunkt in Latakia. Beides war strategisch wichtig für Putins Truppen in Afrika in puncto Logistik und Versorgung. Der Verlust würde Russland in Afrika massiv schwächen und für die NATO bedeuten, dass für den Mittelmeerraum aus dem Süden eine geringere russische Bedrohung ausgeht.

Wie kann das gelingen?

Mit diesem Anliegen stehen wir nicht alleine da. Auch die bereits genannten Akteure werden hieran ein Interesse haben. Deshalb ist es ja so wichtig, dass wir einerseits Hilfe anbieten, diese aber auch an klare Bedingungen knüpfen: Und eine davon ist, dass diese Stützpunkte von den Russen nicht weiter betrieben werden dürfen.

Die Diskussion über Rückführungen nach Syrien – vor allem über freiwillige oder über Straftäter – ist legitim

Was soll nun mit den Syrern geschehen, die nach Deutschland gekommen sind?

Die Diskussion über Rückführungen nach Syrien – vor allem über freiwillige oder über Straftäter – ist legitim. Dennoch erscheint sie mir zu früh. Wenn sich – wie wir es gerade in der Türkei sehen – Syrer zurück in ihre Heimat aufmachen, weil sie nachhause wollen, wird sie niemand daran hindern. Die Lage in Syrien ist derzeit allerdings noch zu unübersichtlich, um hier schon irgendetwas Konkretes sagen zu können. Wir müssen abwarten, welches Bild sich in den nächsten Wochen abzeichnet. Die Interessen der einzelnen Gruppen sind einfach zu unterschiedlich.

Wie beurteilen Sie die Lage der Christen in Syrien?

Das ist im Moment noch wirklich schwer zu sagen. Ich glaube, auch die Christen selbst sind sich da noch nicht einig, was Assads Sturz für sie bedeutet. Für uns muss aber klar sein: Der Schutz der religiösen Minderheiten oder der Kurden liegen in unserem Interesse und sind wichtig für die Stabilität im Land. Alles andere stiftet weiteres Chaos. Das deutlich zu machen ist jetzt eine unserer Aufgaben.

„Faire Chance für Menschen, die sich integriert haben“

Was halten Sie von dem Vorschlag von Jens Spahn, Syrern eine Rückkehrprämie zu zuzahlen?

Eine Prämie für die Rückkehr nach Syrien bringt nichts. Ich glaube, kein Syrer, der nicht vorhat, Deutschland zu verlassen, wird das für 1000 Euro tun. Wir sollten jetzt aber keinen Überbietungswettbewerb machen, sondern abwarten, wie sich die Lage entwickelt.

Aber ich will auch klar sagen: All jene, die seit mehreren Jahren hier leben und sich integriert haben, müssen eine faire Chance bekommen, hier bleiben zu dürfen.

Wird die Entwicklung in Syrien die angespannte Situation bei der Aufnahme von Flüchtlingen beenden?

Auch das lässt sich im Moment schwer abschätzen. Ich hoffe das sehr, für die Menschen vor Ort, aber auch für uns. Aber die einzelnen Rebellengruppen und ihre Anführer sind für alle gerade ein bisschen Wundertüte. Hoffen wir das Beste, dass einem gestürzten Terrorstaat, kein weiterer folgt und tragen wir aktiv dazu bei, dass es anders kommt.