Juliane (36) und Markus (44) aus Bergisch Gladbach haben drei Kinder (6, 9 und 11). Wir haben mit ihnen über Gleichberechtigung in der Beziehung gesprochen. Getrennt voneinander.
Gleichberechtigung in Bergisch Gladbach„Er macht die Dinge sehr ordentlich. Aber manchmal macht er sie halt auch gar nicht“
Markus
Wie haben Sie sich kennengelernt?
Markus: Das war beim CVJM, dort war ich damals als Zivildienstleistender beschäftigt. Ihre Eltern waren quasi meine Chefs. Ich war zwei Wochen im Urlaub, da habe ich sie vermisst und als ich wieder gekommen bin, sind wir stundenlang spazieren gegangen. Und dann waren wir zusammen. Wir sind beide sehr christlich und der Überzeugung, dass es Gottes Fügung ist, dass wir ein Paar geworden sind.
Was gefällt Ihnen an Ihrer Frau?
Man kann mit ihr gut reden, auch gut diskutieren. Wir haben die gleichen Interessen. Es ist wie der Deckel auf dem Topf. Es passt einfach.
Leben Sie in einer gleichberechtigten Beziehung?
Was heißt gerecht? Was heißt gleich? Meine Frau ist mit den drei Kindern gut sieben Jahre zu Hause geblieben. Da hat sie im Haushalt alles gemanagt. Ich war dafür erwerbstätig, und zwar früher als Buchbinder oft 60 Stunden pro Woche. Wenn der Chef anrief, bin ich auch am Wochenende angeflogen. Unter der Woche verließ ich um fünf Uhr das Haus und kam mit Glück um sechs Uhr abends zurück. Ich hatte viel zu wenig Zeit mit den Kindern. Als sich die Möglichkeit für mich ergab, eine Halbtagsstelle beim CVJM zu übernehmen, haben wir deshalb entschieden, beide 50 Prozent zu arbeiten.
Ich hätte mir auch vorstellen können, Vollzeit-Papa zu werden. Aber so wie jetzt ist es ideal. Ich genieße es, dass ich nicht nur arbeiten gehen muss. Und im Arbeitsleben bin ich so entspannt wie ich es noch nie war.
Wie haben Sie den Haushalt und die Kinderbetreuung jetzt nach dem Wechsel aufgeteilt?
Gleich ist es immer noch nicht. Jeder hat seine Aufgaben, die er lieber erledigt. Ich bin gern im Garten, baue da viel, repariere. Ich putze Fenster und übernehme den Großeinkauf. Ich koche auch besser als meine Frau, sagen meine Kinder. Nudeln, Pizza, Rouladen, alles. Dafür bleibt auch schon mal das Putzen oder das Brotbacken auf der Strecke. Das macht dann meine Frau etwas häufiger. Sonst erledigt jeder das, was anfällt. Wäsche, saugen, aufräumen. Die Kinder helfen allerdings auch mit. Wir wollen ihnen ja beibringen, dass man etwas tun muss, damit das Essen auf dem Tisch steht, der Boden gewischt, die Wäsche sauber ist. Das müssen sie ja lernen.
Markus: „Wenn sie nach Hause kommt und ich habe statt zu putzen was im Garten repariert, dann ist sie manchmal genervt“
Gibt es Streit im Haushalt?
Eher Diskussionen. Zum Beispiel darüber, ob die Kinder ihre Spielsachen immer sofort wegräumen müssen. Das sehe ich lockerer als meine Frau. Ich bin eher chaotisch. Ich fühle mich in der Unordnung sogar wohler. Dann gehe ich in meine Werkstatt. Wenn sie nach Hause kommt und ich habe statt zu putzen was im Garten repariert, dann ist sie manchmal genervt. Sie schenkt aber auch meiner anderen Arbeit Wertschätzung.
Wie haben Sie es mit dem Geld geregelt?
Es gibt ein gemeinsames Konto. Meine Frau hatte zu jeder Zeit die volle Berechtigung, an das Konto zu gehen. Auch als sie in Elternzeit war, hat sie zu Hause ebenso ihre Leistung erbracht wie ich im Job. Ich hinterfrage ihre Ausgaben nie, wir können uns da aber auch vertrauen.
Gleichen Sie den Rentenunterschied aus?
Wir haben keine zusätzliche Absicherung. Einfach deshalb, weil das unfassbar teuer ist. Mit unserem Lohn, von dem wir drei Kinder ernähren müssen, kann man keine großen Sprünge machen. Ich glaube aber, dass wir immer über die Runden kommen würden. Wir leben in Deutschland, da bin ich voller Vertrauen. Von einer Trennung gehen wir ohnehin nicht aus. Das ist für mich gar nicht vorstellbar.
Wie war das in Ihrer Ursprungsfamilie?
Meine Eltern haben sich sehr früh getrennt. Mein Vater war im Grunde ein Workaholic. Samstags kam er von der Arbeit nach Hause, hat sich aufs Sofa gesetzt und Sportschau geguckt. Das kannte ich nicht anders und das war für mich in Ordnung. Er hatte zudem ein sehr klassisches Rollenverständnis von Mann und Frau. Dass ich jetzt Teilzeit arbeite, hätte er komisch gefunden.
Glauben Sie, dass Ihre Kinder in Punkto Gleichberechtigung anders sozialisiert werden als Sie?
Auf jeden Fall. Vor allem aber erleben unsere Kinder, dass sie hier ein Zuhause haben. Die Großen gehen bis mittags zur Schule, der Kleine muss nicht unbedingt in die Kita, in den Ferien bleibt er zum Beispiel immer zu Hause. Das ist möglich, weil wir unsere Arbeitszeiten untereinander aufgeteilt haben. Es ist also immer einer zu Hause, deshalb können auch die Kinder immer da sein.
Wir können sie hier erziehen. Die Kinder fänden es manchmal noch schöner, wenn ich gar nicht arbeiten würde. Das ginge nur dann, wenn meine Frau Vollzeit erwerbstätig wäre. Aber ich glaube, so wie wir es im Moment machen, ist es ideal.
Juliane
Wie haben Sie sich kennengelernt?
Juliane: Das war beim CVJM, dort leiteten meine Eltern ein Haus, bei dem er gearbeitet hat. Er war zwei Wochen im Urlaub und irgendwie habe ich ihn vermisst. Das Gefühl kannte ich gar nicht. Ich kann mich noch genau an diesen Moment erinnern, als er wiederkam. Er lief die Treppe des Hauses herunter, ich stieg aus dem Auto. Irgendwie ist in diesem Moment etwas passiert.
Was gefällt Ihnen an Ihrem Mann?
Seine Art mit Menschen umzugehen. Also auch mit mir. Er ist da sehr warmherzig.
Ist es ihnen wichtig, in einer gleichberechtigten Beziehung zu leben?
Gerade als ich in Elternzeit war, habe ich hier die Hauptarbeit übernommen. Haushalt, Kinder, Kontaktpflege, Ehrenamt. Er hat dafür zwölf Stunden am Tag außer Haus gearbeitet. Mir war aber wichtig, dass er Haushalt und Kinder mitübernehmen kann, wenn er denn da ist. Dass er selbstverständlich die Kinder wickeln und allein versorgen, dass er den Boden putzen kann. Wenn mein Mann von der Arbeit heimkäme und er nicht in der Lage wäre, mich zu unterstützen, fände ich das schwierig.
Wo liegen Ihre Gemeinsamkeiten?
Unser beider Anliegen war immer, dass wir auch noch eine Paarbeziehung haben. Die Ehe ist unsere Priorität vor Kindern, Arbeit, Großfamilie und Gästen. Denn wir sind die Basis. Das funktioniert auch in beiden Modellen. Wenn die Kinder im Bett waren, ist der Haushalt fertig. Dann hatten wir Feierabend zusammen. Was uns noch wichtig ist: Wir wollen nur so viel arbeiten, dass wir genug Geld zum Leben haben, aber eben auch Zeit für Ehrenamt in Gemeinde und CVJM und Freunde, Familie. Die Kinder sollen außerdem hier erzogen werden und nicht den ganzen Tag in der Fremdbetreuung verbringen. Darin sind wir uns einig.
Was hat sich im Haushalt und bei der Kinderbetreuung verändert, seit sie sich die Erwerbsarbeit 50:50 teilen?
Die Kinder haben Zeit mit Papa und er Zeit mit den Kindern. Als ich alleine zu Hause war, hat mich das Kochen und Putzen und Kinderbetreuen emotional viel weniger gestresst als die dauernde Frage „Wann kommt der Papa?“. Da kann ich jetzt sagen: Montag und Dienstag ist er den ganzen Tag für euch da. Das finden die Kinder gut. Ich selbst war auch zufrieden, als ich nicht berufstätig war.
Mir ist nie die Decke auf den Kopf gefallen. Was ich hinzugewonnen habe, ist vielleicht ein Stück Objektivität. Denn es ist ein Unterschied, ob man den ganzen Tag im gleichen Quark sitzt, oder ob man von der Arbeit auch mal neu und frisch dazukommt. Das empfinde ich positiv. Übrigens auch für meine Arbeitsstelle, denn auch da gucke ich objektiver auf die Dinge durch meine Tätigkeit zu Hause.
Juliane: „Eigentlich müsste er Vollzeit zu Hause bleiben, denn er kann besser Fenster putzen, besser Brot backen, besser Fischstäbchen braten“
Wie haben Sie den Haushalt heute aufgeteilt?
Er ist zuständig für Handwerk und Verwaltung, also Bank, Überweisung, Anträge. Ich habe eine Bankkarte, aber was da dahintersteckt, macht alles er. Für mich bleibt höchstens noch ein bisschen Ablage übrig. Ich bin diejenige, die strukturiert und organisiert. Ich kümmere mich um die Kontaktpflege, auch um die der Kinder. Den Rest teilen wir eigentlich auf. Wenn der Wäschekorb dienstags voll ist, wäscht er, wenn er donnerstags voll ist, ich. Ist das Brot montags aufgebraucht, backt er, freitags ich.
Wobei ich schon manchmal vorsorglich ein Toastbrot kaufe, damit es dienstags noch reicht, weil er nicht so gerne backt. Dafür bringt er den Zehnerpack Milch mit, weil er einen Führerschein hat und ich nicht. Wir ergänzen uns aber auch auf Zuruf. Wenn es mich stresst, zu den ganzen Elternabenden zu gehen, dann übernimmt er und ich wasche dafür eine Maschine mehr.
Eigentlich müsste er Vollzeit zu Hause bleiben, denn er kann besser Fenster putzen, besser Brot backen, besser Fischstäbchen braten. Meine Stärke ist lediglich, ihn daran zu erinnern, dass er es auch macht. Denn es kann auch mal vorkommen, dass er bis kurz vor dem Mittagessen noch gar nichts eingekauft hat, dann düst er noch los, brät die Stäbchen aber dann Tippitoppi, sagen unsere Kinder.
Haben Sie Freizeit?
Wir haben jeder für sich Zeit für unser Ehrenamt, da kümmern wir uns um Kinder- und Jugendliche oder übernehmen seelsorgerische Aufgaben. Als Paar nehmen wir uns immer Zeit für einen Kaffee zur Übergabe. Manchmal auch mehrmals am Tag. Da besprechen wir organisatorische Sachen, aber auch was uns bewegt, wie es uns geht. Die Kinder sind dabei, dürfen uns aber nicht stören. Schon immer nehmen wir uns auch Auszeiten als Paar ohne Kinder. Qualität ist da mehr als Quantität.
Gibt es Streit im Haushalt?
Ja. Beispiel: Ich komme nach Hause und die Krümel des Müslis sind noch auf dem Tisch. Das würde mir nicht passieren. Ich habe da meine Routine, da könnte nach jedem Essen eines der Kinder kommen und da Memory spielen, weil ich immer alles abgewischt habe. Er macht es zwar sehr ordentlich, wenn er es macht; er macht es aber manchmal gar nicht. Ich plane auch jetzt schon, welchen Teig ich am Sonntag anrühre, ihm fällt dann eher samstagabends ein, dass wir keine Eier mehr haben. Ich gestehe ihm aber zu, dass er einen Haushalt anders führt, als ich.
Wie haben Sie es mit dem Geld geregelt?
Wir haben schon immer nur ein Konto. Da kam das Gehalt meines Mannes drauf, jetzt geht unser beider Gehalt ein. Ich würde ihn nie um Erlaubnis fragen, ob ich mir eine Wimperntusche kaufen kann. Auch früher nicht. Denn ich habe schließlich die Kinder und den Haushalt versorgt. Das ist mindestens gleichwertig zu der Erwerbsarbeit.
Haben Sie Sorge, dass Sie bei einer Trennung finanziell schlecht abgesichert sind?
Nein, weil ich in Deutschland lebe und hier ist man immer so unterstützt, dass man zurechtkommt. Und wir sind es gewohnt, nicht so viel Geld zu haben. Das kriegen wir hin.
Gibt es Dinge, an denen Sie gescheitert sind?
Manchmal ist mein Kopf überlastet, ich bin nervlich dann völlig durch. Und dann passieren Fehler. Dann bin ich ungehalten und ungeduldig mit den Kindern. Ich habe dann keine Kapazität mehr für menschlichen Austausch. Deshalb sehe ich das als meine Aufgabe an, beruflich nicht zu sehr über meine Grenzen zu gehen.
Glauben Sie, dass Ihre Kinder in Punkto Gleichberechtigung anders sozialisiert werden durch Ihre Aufteilung?
Vielleicht. Ich lege großen Wert darauf, dass auch meine Jungs, wenn sie mal ausziehen, selbständig ihre Wäsche waschen und sich etwas zu essen kochen können. Ich glaube aber vor allem, dass unsere Kinder etwas anderes erleben als viele andere, die in Institutionen erzogen werden. Unser Jüngster kann zum Beispiel alleine Himbeeren einkochen. Das können wir ihm ermöglichen, das ginge in keiner Kita, das würden wir aber auch nicht mehr machen, wenn mein Mann und ich nach einem Acht-Stunden-Tag nach Hause kämen.