Das günstigste Ticket nützt nichts, wenn keine Haltestelle in der Nähe ist. Vom Kreis Euskirchen bis Köln: So gut ist die Region angebunden.
Bus und Bahn im RheinlandWo Bürger im Kölner Raum vom Nahverkehr abgehängt sind
Was nutzt das schönste Deutschlandticket, wenn der Weg zur Haltestelle zu weit ist oder der Bus nur zweimal am Tag kommt? Die Allianz pro Schiene, eine gemeinnützige Interessenorganisation zur Förderung des Schienenverkehrs, hat alle Großstädte und Landkreise in Deutschland untersucht, ob sie über eine „akzeptable“ Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr verfügen.
Dazu muss eine Haltestelle zu Fuß erreichbar sein, an der werktags mindestens stündliche Busse oder Bahnen abfahren. Bis zu einem Bahnhof dürfen es nicht mehr als 1200 Meter, bis zu einer Bushaltestelle nicht mehr als 600 Meter sein.
Nur 68 Prozent sind in NRW mit den Fahrten an ihrer Haltestelle zufrieden
Mit einer Quote von 92,6 Prozent landet Nordrhein-Westfalen hinter den Stadtstaaten Berlin (99,4), Hamburg (98,7) und Bremen (97,9) und dem Saarland (94,1) auf Platz fünf, doch selbst im bevölkerungsreichsten Bundesland sind die Unterschiede zwischen den Großstädten und Landkreisen extrem. In NRW sind 68 Prozent der Bus- und Bahnnutzer mit der Anzahl der Abfahrten an ihrer Haltestelle zufrieden. Der Bundesdurchschnitt liegt bei knapp 85,7 Prozent.
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Erreichbarkeit von Bus und Bahn*:
- Bonn: 99,9
- Düsseldorf: 99,8
- Köln: 99,4
- Leverkusen: 98,9
- Städteregion Aachen: 98,8
- Wuppertal: 98,6
- Rhein-Erft: 96,3
- Rhein-Sieg: 92,2
- Rheinisch-Bergischer Kreis: 92,0
- Kreis Düren: 92,8
- Oberbergischer Kreis: 74,1
- Kreis Euskirchen: 69,3
*Anteil der Bevölkerung in Prozent, dessen Wohnort 2022 maximal 600 Meter (Bus) bzw. 1200 Meter (Bahn) Luftlinie von einer Haltestelle mit mindestens 28 Abfahrten am Tag entfernt lag
Unter den Großstädten liegt Bonn mit einem Wert von 99,9 Prozent sogar bundesweit auf Platz eins. Düsseldorf kommt auf 99,8, Köln auf 99,4 Prozent. Bei den Landkreisen gibt es im Rheinland jedoch erhebliche Unterschiede. Im Rhein-Erft-Kreis haben 96,3 Prozent der Menschen zumindest einmal pro Stunde einen ÖPNV-Anschluss, im Oberbergischen Kreis sind es nur 74,1, im Kreis Euskirchen nur 69,3 Prozent.
Angesichts dieser extremen Unterschiede, die bei einer deutschlandweiten Betrachtung noch ganz anders ausschauen, spricht sich die Allianz pro Schiene für bundesweit einheitliche Mindeststandards aus. „Auch Menschen auf dem Land müssen ohne eigenen Pkw mobil sein können. Wir brauchen ein Recht auf Mobilität ohne Auto, eine Mobilitätsgarantie“, sagt der Geschäftsführer des gemeinnützigen Verkehrsbündnisses, Dirk Flege.
Die im Grundgesetz verankerte „Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse“ gebe es bei der Mobilität noch nicht. „Im Saarland sind 94 Prozent der Bevölkerung akzeptabel an Bus und Bahn angebunden, in Mecklenburg-Vorpommern lediglich 66 Prozent.“ Die Zahlen hatte das Bundesinstitut für Bau, Stadt- und Raumforschung (BBSR) veröffentlicht.
Bayerische Kreise besonders schlecht angebunden
Man werde in den Flächenländern nie für alle Menschen akzeptable Anbindungen mit Bahn und Bus erreichen können, „aber bis 2030 sollte das in jedem Bundesland für mindestens 90 Prozent der Menschen machbar sein“.
„Die Bundesländer dürfen mit dieser Aufgabe nicht allein gelassen werden. Hier sind Kommunen, Landkreise, Bundesländer, aber auch der Bund gleichermaßen gefordert“, fordert Flege. Bereits jetzt zahlt der Bund den Bundesländern so genannte Regionalisierungsmittel, mit denen die Länder Nahverkehr bestellen können. Eine Erhöhung dieser Mittel haben die Regierungsparteien im Bund in ihrem Koalitionsvertrag angekündigt.
Unter den zehn Landkreisen mit der bundesweit schlechtesten ÖPNV-Anbindung sind laut Allianz pro Schiene-Auswertung sechs aus Bayern, zwei aus Niedersachsen und jeweils einer aus Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt. „Nur zwei der zehn Schlusslichter gehören zu den Landkreisen mit der geringsten Bevölkerungsdichte. Insofern ist eine gute oder schlechte ÖPNV-Anbindung kein Naturgesetz, sondern das Ergebnis von guter oder schlechter Verkehrspolitik“, so der Allianz-pro-Schiene-Geschäftsführer.
Schwarz-Grün will ein Netz von Schnellbuslinien knüpfen
Doch was plant NRW, um die Anbindung der ländlichen Gemeinden an den öffentlichen Nahverkehr zu verbessern? CDU und Grüne haben in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, alle Kommunen mit mehr als 20.000 Einwohnern, die nicht an das Schienennetz angeschlossen oder nur schwer zu erschließen sind, mit Schnellbussen zu bedienen.
„Hierzu wollen wir bis 2027 ein flächendeckendes, den SPNV ergänzendes Schnellbusnetz aufbauen“, heißt es wörtlich. Die Parteien sprechen von einer „landesweiten Mobilitätsgarantie“. Deshalb sollen die Kommunen auch beim Ausbau der Angebote bei Bussen, Bürgerbussen und On-Demand-Verkehren unterstützt werden.
Bis 2027 wollen CDU und Grüne auch ein Konzept vorlegen, wie jeder Ort in NRW im Stundentakt wenigstens zwischen 5.30 und 22.30 Uhr mit Bus oder Bahn erreicht werden kann. Überdies sollen mindestens 1000 zusätzliche Mobilstationen gefördert werden, um das Umsteigen vom Fahrrad oder Auto auf den öffentlichen Nahverkehr zu erleichtern.
Bund und Länder zahlen jeweils drei Milliarden Euro im Jahr für das Deutschlandticket
Wie das alles bezahlt werden soll, ist noch unklar. Das neue Deutschlandticket ist bei den Verkehrsverbünden im Land bisher an rund 1,3 Millionen Menschen verkauft worden, wobei die Quote der Neukunde je nach Verbund zwischen fünf und sieben Prozent liegt, doch eine Reform der Finanzierung des ÖPNV steht nach wie vor aus.
Der Bund und die Länder werden das Deutschlandticket 2023 und 2024 jeweils zur Hälfte mit drei Milliarden Euro pro Jahr finanzieren, aber nur für dieses Jahr haben sie auch eine Garantie abgegeben, dass sie Geld nachschießen werden, falls das nicht reicht. Für kommendes Jahr steht die Garantie noch aus. Der Preis für das Deutschlandticket soll aber nicht erhöht werden.
Ob es 2024 noch einmal einen Corona-Rettungsschirm geben wird, weil die Fahrgastzahlen je nach Verkehrsunternehmen und Region immer noch bis zu 20 Prozent unter dem Niveau des Jahres 2019 liegen, ist nicht geklärt. Ob die Regionalisierungsmittel, das sind die Gelder, die der Bund den Ländern zur Verfügung stellt, um damit den öffentlichen Nahverkehr zu bezahlen, weiter erhöht werden, auch nicht.
Im Jahr 2023 hat der Bund zwar eine Milliarde Euro zusätzlich genehmigt, doch das sei auf Dauer viel zu wenig, um den ÖPNV auszubauen, mahnt NRW-Verkehrsminister Oliver Krischer (Grüne) bei jeder sich bietenden Gelegenheit.
Und so sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass im Kreis Euskirchen oder im Oberbergischen Kreis bereits 2027 ein paar mehr Dörfer an Werktagen stündlich ans Busnetz angeschlossen sind. Dass in Großstädten wie Köln seit Monaten Stadtbahnen wegen Fahrermangel aus dem Fahrplan gestrichen werden müssen, steht auf einem anderen Blatt.