Zwischen totaler Freude und tiefer Sorge, so beschreibt Anderea Heck vom Elternverband NRW die gespaltene Reaktion von Müttern und Vätern auf das versprochene Ende des Schul-Lockdowns. Es gibt „Eltern, die nicht mehr können“, sagt Heck, vor allem Eltern von Grundschülern, die schon beim Wort „Download“ Nervenflattern bekommen; und es gibt solche, die sich um Hygiene und Infektionszahlen sorgen.
Annette Greiner vom Landesverband Schulpsychologie NRW begrüßt die Schulöffnung. Wichtig ist aus ihrer psychologischen Sicht aber, dass dieses Angebot eine klare Struktur und Verlässlichkeit hat, denn das Vertrauen in die Institution Schule als „sicherer Ort“ habe gelitten. „Da auch die Erwachsenen in dieser Krise massiv emotionalisiert sind durch eigene Ängste und Unsicherheiten, wird es wichtig sein, hier transparente Kommunikation zwischen allen Verantwortlichen zu pflegen.“
Hintergrund
Sicher ist Ihnen aufgefallen, dass wir unsere Artikel zum Thema Schule zumeist mit Symbolfotos bebildern. Der Grund dafür sind die streng geschützten Persönlichkeitsrechte von Kindern. Unsere Fotografen dürfen Schüler und Schülerinnen nicht ohne weiteres fotografieren, dafür bedarf es der eindeutigen Zustimmung der Eltern.
Auch Lehrern und Lehrerinnen steht nach dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht zu, selber darüber zu entscheiden, welche Informationen über ihre Person an die Öffentlichkeit gelangen. Daher steht den Lehrkräften, die bei uns über ihre Situation an den Schulen berichten zu, das anonym zu tun.
Gestaltungsspielraum beim Wechselunterricht
Diesen Versuch unternimmt Bildungsministerin Gebauer am Donnerstagnachmittag, an dem sie nicht allein ihre Schulmail mit näheren Anweisungen an die Schulleiter versendet, sondern auch vor die Presse tritt. Am Abend zuvor hatte sie gemeinsam mit NRW-Ministerpräsident Armin Laschet verkündet, dass NRW seine Schulen vom 22. Februar an wieder öffne und mit den Grundschulen und Abschlussklassen sowie den Förderklassen der Primarstufe beginne. Sie betont nun den Gestaltungsspielraum, den sie den Schulen beim Wechselunterricht lässt – in der Präsenzphase soll an den Grundschulen vor allem Deutsch, Mathematik und Sachkunde auf dem Lehrplan stehen. Auch Sportunterricht werde erteilt.
Klassenfahrten, so die Ministerin, würden bis zum 15. Juli abgesagt, bis zu den Osterferien sollen alle an der Schule Tätigen bis zu zwei Tests pro Woche genehmigt bekommen. Die Mittel für Luftfilter können weiter abgerufen werden, obwohl die Frist verstrichen ist – von 50 Millionen Euro wurden nach Angaben der Ministerin bislang lediglich 20 Millionen Euro in Anspruch genommen. Sinkt der allgemeine Inzidenzwert auf 50 und darunter, sollen alle Schulen in den Präsenzunterricht zurückkehren. Dass dieser Wert im Unterschied zur 35er-Marke für den Handel gilt, unterstreicht laut Gebauer, „dass Bildung Vorrang" hat.
NRW-SPD will kein Sitzenbleiben
Jochen Ott, Schulexperte der SPD, betont, dass die vergangenen Monate nicht mit einem normalen Schuljahr verglichen werden könnten. „Deswegen sprechen wir uns dafür aus, dass auch in diesem Schuljahr kein Kind sitzenbleiben muss. Das ist nach einem solchen Schuljahr nicht fair! Denn kein Kind hat die Gelegenheit, sich ernsthaft zu verbessern oder Rückstände aufzuholen. Und keine Lehrerin und kein Lehrer konnten ernsthaft Schülerinnen und Schülern helfen, Defizite aufzuarbeiten.“ Auch den „Freischuss“ fordert Ott erneut, also die Möglichkeit, Prüfungen zu wiederholen.
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Martin Süsterhenn, Leiter der Katharina-Henoth-Gesamtschule in Köln-Höhenberg, äußert einen Wunsch: „sofern es das Infektionsgeschehen verantwortbar zulässt, ab dem 22. Februar für alle Schülerinnen und Schüler mit halben Gruppen Präsenzunterricht stattfinden zu lassen. Und die einfachste organisatorische Lösung wäre für uns dann die, dass die Schule den Wochenstundenplan auf zwei Wochen legt, so dass alle Kinder jeden zweiten Tag kommen und nach zwei Wochen einen Wochenstundenplan absolviert haben.“
An den Tagen, an denen sie zuhause sind, könnten dann die innerhalb der Präsenzzeit vorbereiteten und erklärten Aufgaben selbstständig bearbeitet werden. „Die so bearbeiteten Aufgaben können dann während der Präsenzzeiten korrigierend besprochen werden."
Beer attestiert Gebauer Realitätsverlust
Sigrid Beer, bildungspolitische Sprecherin der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen im NRW-Landtag, lobt die Einsicht bei der Ministerin, „dass es nur im Wechselunterricht eine Einstieg in Präsenz geben kann. Schulen und Kommunen brauchen jetzt Verlässlichkeit für die Wechselmodelle in einem ersten Schritt bis zu den Osterferien“. Allerdings bleibe es bei einem Realitätsverlust, wenn Gebauer davon spreche, dass die Schülerinnen und Schüler keine Nachteile bei Prüfungen hätten im Vergleich zum vergangenen Jahr.
Gespaltene Reaktionen auch in den Verbänden: „Mit den Jüngsten zu beginnen, ist sicherlich vernünftig“, so Maike Finnern von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft. „Entscheidend sei neben gelingenden Maßnahmen des Infektionsschutzes wie Masken, Tests und Luftfilteranlagen, dass feste Gruppen gebildet werden, die Zahl der Schülerinnen und Schüler in den Klassen halbiert und ein Schulweg, auf dem Abstände eingehalten werden können, gesichert wird.“
Langes Warten auf die Schulmail
Sabine Mistler, Vorsitzende des Philologen-Verbands NRW, ist enttäuscht, „dass es keine bundesweite Öffnungsstrategie gibt“, begrüßt aber die verstärkten Investitionen in den Infektionsschutz sowie das Augenmerk auf Abschlussklassen, denn den Abiturienten dieses Corona-Jahres dürften keine Nachteile für ihr weiteres Ausbildungs- und Berufsleben erwachsen.
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Wie alle Schulleiter in NRW warten auch Birger Heusinger von der Grundschule Nesselrodestraße in Köln und Achim Nöhles von der Schule am Lerchenweg in Monheim am Donnerstag lange auf die Schulmail aus dem Ministerium. Heusinger ist einerseits froh, dass die Grundschulen bald wieder öffnen, denn gerade in dieser Schulform kommen längst nicht alle mit dem Distanzunterricht zurecht.
Auf der anderen Seite gibt es viele offene Fragen wie die zur Ausgestaltung des Wechselunterrichts oder zur weiteren Notbetreuung und zum Personal, das diese gewährleisten soll. Nöhles teilt diese Einschätzung: Die Schulmail lasse den Schulen viel Spielraum, wie sie das Wechselmodell ausgestalten könnten, überdies sei gut, dass man eine Woche Vorlauf zur Verfügung habe, auch wenn viele Eltern auf einen baldigen Schulstart drängten. Andererseits werde der Betreuungsumfang nicht zurückgenommen: Es bleibt die Frage, wie die Schulen die Notbetreuung stemmen und wie sie eventuelle Raumprobleme bei gleichzeitig stattfindendem Präsenzunterricht mit ihrem Schulträger lösen.