Der Nahost-Konflikt ist an deutschen Unis angekommen. Aktivisten versuchen auch hier, Protestcamps zu errichten. Die Unis stehen vor einem Dilemma.
Nahost-KonflitkHochschulverband kritisiert propalästinensische Protestcamps an deutschen Unis
Der Hochschulverband hat Besetzungen von Universitäten durch propalästinensische Aktivisten kritisiert. Universitäten seien Orte differenzierter geistiger Auseinandersetzungen, aber „keine Orte für gewaltsame und aus dem Ruder laufende Proteste“, erklärte Verbandspräsident Lambert T. Koch.
Er bezog dies auf Proteste an Berliner Universitäten. Am Mittwochabend wurde laut Polizei ein Protestcamp an der Universität Bremen mit rund 50 Menschen geräumt. Die Universität Leipzig will von Straftätern Schadenersatz fordern.
Uni ließ das Gelände in Leipzig von der Polizei räumen
In Leipzig hatten am Dienstag propalästinensische Demonstranten einen Hörsaal und einen Hof besetzt. Die Uni begründete die Räumung mit Gefahren für Studierende und Lehrende. Ebenfalls am Dienstag versuchten etwa 150 Aktivisten an der Freien Universität Berlin, einen Hof zu besetzen und Zelte aufzubauen. Die Uni schaltete ebenfalls die Polizei ein und ließ das Gelände räumen. Die Polizei bilanzierte am Mittwoch, es seien 79 Personen vorübergehend festgenommen worden, davon 49 Frauen und 30 Männer, es gebe 80 Strafermittlungsverfahren und 79 Ordnungswidrigkeitsverfahren.
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Dass die Freie Universität die Aktion so schnell auflösen ließ, traf nicht nur bei Studenten, sondern auch bei Lehrenden auf Widerspruch. In einem Statement schrieben etwa 100 Dozenten von mehreren Berliner Hochschulen: „Unabhängig davon, ob wir mit den konkreten Forderungen des Protestcamps einverstanden sind, stellen wir uns vor unsere Studierenden und verteidigen ihr Recht auf friedlichen Protest, das auch die Besetzung von Uni-Gelände einschließt.“ Und weiter: „Wir fordern die Berliner Universitätsleitungen auf, von Polizeieinsätzen gegen ihre eigenen Studierenden ebenso wie von weiterer strafrechtlicher Verfolgung abzusehen.“
„Gewalt verharmlost“: FDP-Politikerin entsetzt über Unterstützerbrief aus Berlin
Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger reagierte entsetzt auf den Unterstützerbrief. „Dieses Statement von Lehrenden an Berliner Universitäten macht fassungslos. Statt sich klar gegen Israel- und Judenhass zu stellen, werden Uni-Besetzer zu Opfern gemacht und Gewalt verharmlost“, sagte die FDP-Politikerin der „Bild“-Zeitung (Donnerstag). „Dass es sich bei den Unterstützern um Lehrende handelt, ist eine neue Qualität. Gerade sie müssen auf dem Boden des Grundgesetzes stehen.“
Die FU verteidigte ihr Vorgehen - die Räumung des Geländes - auf Nachfrage. „Klar ist, dass es während der gestrigen Proteste zu antisemitischen, diskriminierenden Äußerungen kam, aber auch zu Aufrufen zu Gewalt“, erklärte ein Sprecher am Mittwoch. „Dies können wir, auch im Blick auf die Sicherheit und den Schutz unserer Mitglieder, nicht akzeptieren.“ Kritische Stimmen von Mitgliedern der FU nehme man aber sehr ernst.
Hochschulverbands-Präsident Koch, sagte zu den Vorfällen in Berlin, die Grenzen von legitimer Israel-Kritik zu Antisemitismus und Unterstützung der Terrororganisation Hamas würden immer wieder erschreckend schnell überschritten. „Wer Intoleranz predigt, darf nicht mit Toleranz rechnen“, meinte er. „Nicht nur, aber insbesondere den jüdischen Hochschulangehörigen, die seit dem 7. Oktober auch an deutschen Hochschulen um ihre Sicherheit bangen, sind wir dies schuldig.“
Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, bescheinigte Polizei und Justiz in Deutschland, seit den Terroranschlägen der Hamas auf Israel am 7. Oktober exzellente Arbeit im Umgang mit antisemitischen Demonstrationen geleistet zu haben. Dies habe zuletzt das konsequente Eingreifen der Berliner Polizei bei den propalästinensischen Protesten vor der Berliner Humboldt-Universität gezeigt, bei denen am vergangenen Freitag „unerträglicher Hass und Hetze gegen Israel verbreitet“ worden seien.
Der Botschafter der Palästinensischen Autonomiebehörde in Deutschland, Laith Arafeh, wies Kritik an den propalästinensischen Protesten hingegen zurück. Der Spielraum für freie Meinungsäußerung und die akademische Freiheit mit Blick auf Israel und den Gaza-Krieg gehe immer weiter zurück, sagte der Botschafter der Deutschen Presse-Agentur. „Wir verurteilen alle Formen von Fanatismus einschließlich Antisemitismus“, sagte er. „Genauso verurteilen wir den systematischen Einsatz falscher Antisemitismus-Vorwürfe gegen alle Stimmen, die ein Ende des Krieges fordern.“
In den USA gibt es seit Wochen an zahlreichen Universitäten Proteste gegen das Vorgehen Israels im Gaza-Krieg. Dieser begann als Reaktion auf das beispiellose Massaker mit mehr als 1200 Toten, das Terroristen der Hamas und anderer Gruppen am 7. Oktober in Israel verübt hatten. (dpa)