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Letzte Dienstreise als AußenministerinWas Baerbock zum Abschied bekommt – und was sie Merz hinterlässt

Lesezeit 4 Minuten
Die geschäftsführende Außenministerin Annalena Baerbock (Grünen, 2.v.l), wird bei ihrer Ankunft auf Bornholm vom dänischen Außenminister Lars Løkke Rasmussen (links) begrüßt. Rechts im roten Kleid: Finnlands Außenministerin Elina Valtonen.

Die geschäftsführende Außenministerin Annalena Baerbock wird bei ihrer Ankunft auf Bornholm vom dänischen Außenminister Lars Løkke Rasmussen begrüßt.

Für die neue Regierung hat Außenministerin Annalena Baerbock einen Rat – Merz erfüllt ihn auf besondere Weise.

Annalena Baerbock bekommt New York geschenkt. Zumindest aus Lego. Vier Wolkenkratzer und die Freiheitsstatue kann sie nun zusammenbauen. Immerhin: Der Trump-Tower ist nicht dabei. Ein knappes Dutzend Außenminister verabschiedet sie mit diesem Geschenk auf der dänischen Insel Bornholm, wo die Ostsee-Anrainerstaaten dieses Mal zusammenkommen.

Ein paar Tage ist Baerbock noch geschäftsführend im Amt. Sie wird noch ein paar Wochen im Bundestag sitzen, Anfang September soll sie zur Präsidentin der Uno-Generalversammlung gewählt werden. Im echten New York, das nicht in eine Lego-Schachtel passt.

Zuvor aber noch einmal in den Regierungsflieger, der auf der kurzen Landebahn von Bornholm gerade noch so landen kann. Im gepanzerten Wagen vorbeifahren an leuchtenden grünen Wiesen, an properen flachen Häusern, zu einer kleinen Hotelanlage mit Blick auf die Ostsee. Arm in Arm mit der finnischen Außenministerin zum Eingang. Eine herzliche Umarmung der lettischen Kollegin, ein kollektives bedauerndes „Oooh“ der Ministerrunde zum Abschied. Wirkt alles so idyllisch, wenn da nicht die Themen wären: Russland, die Ukraine – und nun auch noch die USA.

Sorge um Trumps Kurs

Der Krieg gegen die Ukraine hat Baerbock fast ihre gesamte Amtszeit begleitet, der Angriff begann wenige Monate nach Start der Ampelkoalition. Baerbock war seitdem neunmal in der Ukraine. In der Bundesregierung drängte sie lautstark auf Waffenlieferungen, ausgerechnet sie, eine Grünen-Politikerin.

01.04.2025, Ukraine, Kiew: Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine, begrüßt Annalena Baerbock (Bündnis90/Die Grünen), geschäftsführende Außenministerin von Deutschland, in Kiew. Foto: Evgeniy Maloletka/AP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine, begrüßt Annalena Baerbock Anfang April in Kiew. (Archivfoto)

Nun macht ausgerechnet ein bisher sicherer Verbündeter Sorgen: Es ist unklar, welche Art von Frieden US-Präsident Donald Trump für die Ukraine anstrebt, ob er mehr sieht als ein Geschäft um Rohstoffe. „Es ist nicht im Interesse der USA, dass ein Deal geschlossen wird, der zu weiteren Aggressionen führt“, betont Baerbock auf Bornholm.

Die dreitägige Feuerpause, die Wladimir Putin gerade zum 80. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs angekündigt hat, dürfe „nicht darüber hinwegtäuschen, dass der russische Präsident die europäische Friedensordnung weiter im Visier hat“.

Auf dem Grund der Ostsee

Die Außenminister erinnern sich daran wohl sogar beim Blick aus dem Hotelfenster, wo die Ostsee so blau in der Sonne leuchtet. Am Meeresgrund liegen Datenkabel, immer wieder hat es an ihnen Schäden gegeben in den vergangenen Monaten. Sabotage, vermuten die Minister. Russland versuche außerdem, mit seiner unter falscher Flagge fahrenden „Schattenflotte“ Sanktionen zu umgehen, erinnert Baerbock.

Patrouillenfahrten auch in internationalen Gewässern sollen einfacher werden, um das zu verhindern. Auch darüber beraten die Ostsee-Minister, deren Runde seit dem Krieg so jäh an Bedeutung gewonnen hat.

29.04.2025, Dänemark, Allinge: Litauens Außenminister Kestutis Budrys, Islands Außenministerin Katrin Gunnarsdottir, Estlands Außenminister Margus Tsahkna, Deutschlands Außenministerin Annalena Baerbock, Dänemarks Außenminister Lars Loekke Rasmussen, Norwegens Außenminister Espen Barth Eide, Finnlands Außenministerin Elina Valtonen, Frankreichs Außenminister Jean-Noel Barrot, Schwedens Außenministerin Maria Malmer Stenergard, Lettlands Außenministerin Baiba Braze und Polens Außenminister Radek Sikorski posieren für ein Selfie während eines Außenministertreffens der Mitgliedsländer der Nordisch-Baltischen Acht (NB8) auf der Insel Bornholm. Foto: Thomas Traasdahl/Ritzau Scanpix Foto/AP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Annalena Baerbock und weitere europäische Außenminister und Außenministerinnen posieren für ein Selfie.

Stürmische Zeiten seien es, so sagt es Baerbock. Für ihr Abschluss-Statement auf Bornholm vor sandigen Dünen, mit Möwengeschrei im Hintergrund, hat sie ihre Haare zum Zopf gebunden – zumindest diesen Windschutz hat man als Ministerin in der Hand.

Der Ukraine-Krieg geht weiter, die Hamas hält noch israelische Geiseln fest, Israel attackiert weiter Gaza. Die Hoffnungen, die auch Baerbock auf eine Lösung des Nahost-Konflikts hatte, haben sich nicht erfüllt. Immerhin: Arabische Staaten bemühen sich um eine Befriedung. Sie hätte nicht gedacht, dass sie die Golfstaaten öfter besuchen werde als manche EU-Staaten, sagt Baerbock resümierend. In Krisen können auch neue Verbindungen wachsen, so sieht sie es.

Baerbocks Rat an ihren Nachfolger

Zusammenhalt stärken, das ist auch ihre Botschaft an den künftigen Außenminister Johann Wadephul (CDU). Eigentlich brauche der keine Empfehlungen, sagt Baerbock. Aber dann fügt sie doch an: Es sei wichtig, zusammenzustehen und bereit zu sein „sich auch in die Schuhe des anderen zu stellen“, die Perspektive zu wechseln also. Und sie mahnt die neue Regierung, nicht alles umzuwerfen. Außenpolitik lebe von Verlässlichkeit und Kontinuität. Eine „aktive Außenpolitik“ empfiehlt sie, eine also, die nicht abwartet, sondern handelt.

Wadephul, der meist deutlich bedächtiger auftritt als Baerbock, hat die Ministerin für ihre Ukrainepolitik gelobt. Den Begriff der „feministischen Außenpolitik“, der in der Union so heftige Abwehr ausgelöst hat, wird er nicht übernehmen – aber er hat eingeräumt, dass deren Maxime wichtig sei, in der Diplomatie auch die Perspektive von Frauen in den Blick zu nehmen. Der wohl künftige Kanzler Friedrich Merz holt Baerbocks Chefdiplomaten Günter Sautter, derzeit Politischer Direktor im Auswärtigen Amt, als außenpolitischen Berater ins Kanzleramt. Etwas Baerbock bleibt also.

Gruß nach Kanada

In den nächsten Tagen trifft Baerbock Wadephul zur Amtsübergabe. Für sich selbst sieht sie eine Aufgabe, die über die Sitzungsleitung in der Uno hinausgeht. Es ist offen, wie sehr die USA auch hier ihr Engagement zurückfährt und ihre Zahlungen kürzt. Die Uno „steht maximal unter Druck“, sagt Baerbock. Es ist ihre neue Mission.

Erstmal aber noch ein Selfie, alle Ministerkollegen gemeinsam vor der Ostseekulisse. Es soll über den Atlantik gehen. In Kanada haben die Liberalen gegen die rechtspopulistischen Konservativen gewonnen: „Glückwunsch, Kanada“ ruft die Ministerrunde. Und auch Baerbock strahlt. (rnd)