Die „Idee“ für eine Waffenruhe sei gut, erklärt Putin, und lehnt ab. Trump findet’s „positiv“. Moskaus Scharfmacher träumen von mehr.
„Ergeben oder sterben“Putin kontert Trump mit Bedingungen, Bomben und drastischen Worten

Wladimir Putin spricht während einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem belarussischen Präsidenten Lukaschenko.
Copyright: AFP
Moskau hat einen von der Ukraine und den USA vorgeschlagenen 30-tägigen Waffenstillstand zunächst zurückgewiesen. Kremlchef Wladimir Putin bekräftigte bei einer Pressekonferenz am Donnerstag, dass Russland an seinen Bedingungen für ein Ende seines Angriffskrieges gegen die Ukraine festhält.
Die „Idee“ zur „Einstellung der Feindseligkeiten“ sei zwar grundsätzlich „richtig“ und Russland „dafür“, ein Waffenstillstand müsse jedoch zu einem „langfristigen Frieden“ führen und die „Ursachen der Krise beseitigen“, erklärte Putin.
Wladimir Putin ist grundsätzlich „dafür“, aber doch dagegen
Es gebe noch viele Fragen, die „auf beiden Seiten akribische Recherchen erfordern“, führte der Kremlchef aus – und stellte daraufhin rund 20 mitunter sehr detaillierte Fragen, die seiner Auffassung nach unbedingt geklärt werden müssten, bevor eine Einigung möglich sein könnte.
Eine Waffenruhe scheint für Moskau demnach weiterhin nur dann denkbar, wenn die eigenen Bedingungen dabei restlos erfüllt werden. Auch einen Grund zur Eile sieht der Kreml bei diesem Vorhaben derzeit nicht, das machte Putin klar.
Putin droht Ukrainern in Kursk: „Ergeben oder sterben“
Entsprechend der Signale, die von russischen Politikern in den letzten Tagen gesendet worden waren, betonte auch der Kremlchef bei seiner Pressekonferenz, dass Russlands Armee derzeit im Vorteil sei. „In fast allen Kampfgebieten rücken russische Truppen vor.“ Auch im von der ukrainischen Armee teilweise besetzten Grenzgebiet Kursk sei die Lage nun „vollständig unter Kontrolle“, erklärte Putin.
Der Kremlchef hatte die Region zuvor persönlich besucht und dabei einen Tarnanzug getragen, was nur sehr selten vorkommt. Für die ukrainischen Truppen in Kursk fand der Kremlchef schließlich zu seinem vorherigen Frontbesuch passende, martialische Worte: „Es wird nur zwei Möglichkeiten geben: sich zu ergeben oder zu sterben.“ Auch das klang nicht nach Entgegenkommen.
Selenskyj: „Putin hat Angst, Trump zu sagen, dass er Ukrainer töten will“
„Natürlich hat Putin Angst, Präsident Trump direkt zu sagen, dass er diesen Krieg fortsetzen und weiterhin Ukrainer töten will“, lautete dementsprechend die deutliche Antwort aus Kiew. Es seien „höchst vorhersehbare und manipulative Worte“ von Putin gewesen, erklärte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj noch am Donnerstagabend. Der Kremlchef bereite sich darauf vor, den vorgeschlagenen Waffenstillstand abzulehnen, führte der Ukrainer aus.
„Wir stellen keine Bedingungen, die den Prozess erschweren – Russland tut das“, stellte Selenskyj klar, nachdem die Ukraine auf Drängen der USA dem Vorschlag aus Washington zu einem bedingungslosen Waffenstillstand zugestimmt hatte. „Sie brauchen diesen Krieg“, fügte Selenskyj an. „Putin hat jahrelangen Frieden gestohlen und führt diesen Krieg Tag für Tag fort.“
Russland greift Großstadt Charkiw an
Tatsächlich ließ Moskau auch am Donnerstag nicht von seinen täglichen Angriffen ab. Insgesamt 84 Gefechte habe es im Laufe des Tages entlang der Frontlinie gegeben, teilte der Generalstab in Kiew mit. Am Abend meldeten ukrainische Medien schließlich Luftangriffe auf die Großstadt Charkiw, mehrere Zivilisten seien verletzt worden, berichtete die „Ukrainska Prawda“.
„Viele Worte, um Nein zu sagen“, ordnete derweil Carlo Masala, Politikwissenschaftler der Bundeswehr-Universität, die Pressekonferenz von Putin ein. Andere Experten äußerten sich ähnlich. Wenn Putin davon spreche, die „Ursache des Konflikts“ lösen zu wollen, verwende er „eine Formel, die eine diplomatische Lösung unmöglich macht“, schrieb der Historiker Matthäus Wehowski auf der Plattform X.
Experten kommentieren Putin: „Viele Worte, um Nein zu sagen“
Hinter der Floskel verberge sich weiterhin Moskaus Ziel, die Ukraine zu entwaffnen und zu unterwerfen, führte der Russland-Experte aus. US-Präsident Donald Trump sei der „Desinformationskampagne aufgesessen“, dass es Moskau lediglich um „Sicherheitsinteressen“ und die „Nato-Mitgliedschaft der Ukraine“ gehe, erklärte Wehowski. „Das ist falsch“, betonte der Historiker. „Der Kreml lehnt die Souveränität der Ukraine prinzipiell ab: militärisch, politisch, aber auch kulturell.“
Trump sprach hingegen von „sehr vielversprechenden“ und „ziemlich positiven“ Worten des russischen Präsidenten, Putins Äußerungen seien jedoch „nicht vollständig“ gewesen. „Jetzt werden wir sehen, ob Russland dabei ist. Und wenn nicht, wird das ein sehr enttäuschender Moment für die Welt sein“, sagte der US-Präsident bei einem Treffen mit Nato-Generalsekretär Mark Rutte im Weißen Haus. „Hoffentlich tun sie das Richtige“, fügte Trump an.
Bericht: Donald Trump erfüllt erneut Wunsch von Wladimir Putin
Nahezu zeitgleich berichteten US-Medien, dass Trump im Hintergrund erneut einen Wunsch Putins erfüllt haben soll. So sei Trumps Sondergesandter für die Ukraine, Keith Kellogg, von „hochrangigen Gesprächen“ zum Krieg ausgeschlossen worden.
Zuvor soll der Kreml dem Weißen Haus signalisiert haben, dass man Kellogg bei den Verhandlungen „nicht dabeihaben“ wolle, weil er zu „pro-ukrainisch“ eingestellt sei, berichtete „NBC“ mit Bezug auf Quellen in der US-Regierung und auf russischer Seite. Zuletzt hatte Kellogg tatsächlich keine Rolle mehr bei den Gesprächen gespielt.
Warnungen vor Wladimir Putin in den USA
In den USA wurden angesichts Moskaus Zeitspiel derweil auch Warnungen an Trump vor „Deals“ mit dem Kremlchef laut. „Im Jahr 2019 unterzeichnete Selenskyj einen Waffenstillstand mit Putin. Drei Jahre später startete Putin seine groß angelegte Invasion“, betonte der ehemalige US-Botschafter in Moskau, Michael McFaul, auf der Plattform X.
Die Ukrainer seien „zu Recht besorgt über einen weiteren Waffenstillstand ohne Sicherheitsgarantien“, führte der ehemalige Top-Diplomat aus. „Das sollten wir auch sein.“ Tatsächlich hat Russland nach Angaben der OSZE seit 2014 bereits 25 Waffenstillstandsabkommen mit der Ukraine verletzt.
Russlands Propagandisten wollen keinen Waffenstillstand
Russlands politische Scharfmacher, Propagandisten und Kriegsblogger reagierten unterdessen mit radikaler Ablehnung auf die Bemühungen um einen Waffenstillstand. Die Gespräche zwischen Kiew und Washington seine ohnehin „total bedeutungslos“, erklärte der populäre russische Moderator Wladimir Solowjow.
„Wir werden das nicht mit einem Abkommen erwidern“, fügte Solowjow an und bekräftigte seine Haltung mit einer vulgären Geste und der Frage: „Ist euch unsere Antwort nun klar geworden?“ Die „Rote Armee“ werde ihre Aufgabe erfüllen, prophezeite der Moderator einem Video der US-Journalistin Julia Davis zufolge. „Der Sieg wird unser sein und der Feind zerstört werden“, fügte Solowjow an.
„Wir sind nur mit einem Sieg zufrieden“
Auch der russische Neo-Faschist und Ultranationalist Alexander Dugin fand im Interview mit einem russischen Nachrichtenportal drastische Worte. „Wir sind nur mit einem Sieg zufrieden, zumindest mit der Befreiung von Noworossija, besser noch der von Kiew“, erklärte Dugin. Als „Noworossija“ bezeichnet Moskau die illegal annektierten ukrainischen Regionen, die der Kreml zum Staatsgebiet erklärt hat, obwohl große Teile davon weiterhin unter ukrainischer Kontrolle sind.
Putin hat seit Kriegsbeginn immer wieder darauf gedrängt, dass diese neue „Realität“ anerkannt werden müsse, bevor es zu einer Einigung kommen könne. Auch das gehört für Moskau zur „Beseitigung der Grundursachen der Krise“, die Putin nun erneut fordert.
Kremlkritiker reagieren sarkastisch auf Putins Pressekonferenz
Kremlkritiker wie Leonid Wolkow, langjähriger Gefährte von Alexej Nawalny, oder der frühere Schachweltmeister Garri Kasparow reagierten derweil mit Sarkasmus auf Moskaus Nein zur Waffenruhe und Putins ewige Floskel, dass die „Ursache des Krieges beseitigt“ werden müsse.
Beide Dissidenten machten bei X ähnlich lautende Witze über den Kremlchef. „Natürlich ist Putin die eigentliche Ursache des Krieges, daher stimme ich seiner Einschätzung zu“, lautete Kasparows Variante.
Putin sendet „Signale“ an Trump
Der Kreml blieb unterdessen auch am Freitag bei seinem Kurs. Nach einem Treffen zwischen dem US-Sondergesandten Steve Witkoff und Putin teilte Moskau mit, dass Witkoff „zusätzliche Informationen“ überbracht habe. Die Äußerungen blieben jedoch so vage, wie am Vortag.
„Putin hat über Witkoff Informationen und weitere Signale an Präsident Trump gegeben“, sagte Kremlsprecher Peskow. Nähere Angaben machte er nicht. Es gebe aber Anlass für „vorsichtigen Optimismus“ bezüglich einer friedlichen Beendigung des russischen Angriffskriegs in der Ukraine, hieß es weiter vom Kremlsprecher, der jedoch erneut betonte, dass es „Fragen“ gebe, die „gemeinsam beantwortet“ werden müssten.
Der Artikel wurde nach der erneuten Stellungnahme von Kremlsprecher Dmitri Peskow aktualisiert.