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„Diese Trump-Show ändert nichts“Moskau reagiert mit Trotz und Bomben auf US-Kurs – und attackiert Deutschland

Lesezeit 7 Minuten
Kremlchef Wladimir Putin schweigt bisher zum Vorschlag einer Waffenruhe. Außenminister Sergej Lawrow (r.) gibt sich derweil trotzig – und attackiert Europa. (Archivbild)

Kremlchef Wladimir Putin schweigt bisher zum Vorschlag einer Waffenruhe. Außenminister Sergej Lawrow (r.) gibt sich derweil trotzig – und attackiert Europa. (Archivbild)

Der Ball liege nun in Moskau, sagt Washington. Dort hat man allerdings keine Eile – und versucht weiter einen Keil in den Westen zu treiben. 

Die Zeichen in Moskau stehen auf „нет“ („Nein“): Während Kremlchef Wladimir Putin nach den Gesprächen zwischen der Ukraine und den USA und dem daraus resultierenden Vorschlag einer 30-tägigen Waffenruhe eisern schweigt, deuten die Äußerungen anderer Kreml-Vertreter in eine eindeutige Richtung. Auch Russlands Taten sprechen eine klare Sprache: Kurz nach den Berichten über die Einigung zwischen Kiew und Washington startete Moskau schwere Luftangriffe auf die Ukraine.

Natürlich sei man weiterhin gesprächsbereit, heißt es aus Moskau nun am Mittwoch – allerdings nur mit Einschränkungen. Man „studiere die abgegebenen Erklärungen“ sorgfältig, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow, ohne Stellung zu den Ergebnissen zu nehmen.

Moskau spielt nach Einigung zwischen USA und Ukraine auf Zeit

Die russische Regierung spielt auf Zeit – und macht daraus keinen Hehl. Bei der Frage nach einem Waffenstillstand wolle man nicht „vorgreifen“, erklärte Peskow. Zunächst müsse man „detaillierte Informationen“ abwarten, die man von den USA erwarte, führte der Kremlsprecher aus. „Zuerst müssen wir diese Informationen beschaffen.“ 

Noch am Mittwoch wolle man Moskau in Kenntnis setzen, erklärte US-Außenminister Marco Rubio. „Wenn sie ja sagen, wissen wir, dass wir echte Fortschritte gemacht haben und eine echte Chance auf Frieden besteht. Wenn sie nein sagen, wäre das höchst bedauerlich und würde ihre Absichten deutlich machen“, erklärte Rubio. „Der Ball liegt in ihrem Spielfeld.“

Sergej Lawrow verweist auf Wladimir Putins Bedingungen

„Die Positionsbildung der Russischen Föderation findet nicht aufgrund irgendwelcher Vereinbarungen oder Bemühungen einiger Parteien im Ausland statt“, stellte das russische Außenministerium daraufhin klar. Auch die Worte von Außenminister Sergej Lawrow und mehrerer Duma-Abgeordneter deuten am Mittwoch in eine klare Richtung.

Bisher „redet niemand mit Moskau“, beklagte der russische Top-Diplomat – und stellte noch einmal klar, dass westliche Friedenstruppen in der Ukraine „unter keinen Bedingungen“ akzeptiert werden würden. Lawrow verwies zudem auf eine bekannte Forderung von Putin: Jeder Lösungsversuch müsse „auf die Beseitigung der Grundursachen des Konflikts ausgerichtet sein“, betonte Lawrow, der im gleichen Atemzug erneut von einem „Nazi-Regime“ in Kiew sprach und auf den angeblich notwendigen Schutz der russischsprachigen Bevölkerung in der Ukraine verwies.

Auf diesem vom ukrainischen Katastrophenschutz zur Verfügung gestellten Foto sind ein verbranntes Auto und beschädigte Wohnhäuser in Krywyj Rih zu sehen, nachdem eine russische Rakete eingeschlagen ist.

Auf diesem vom ukrainischen Katastrophenschutz zur Verfügung gestellten Foto sind ein verbranntes Auto und beschädigte Wohnhäuser in Krywyj Rih zu sehen, nachdem eine russische Rakete eingeschlagen ist.

Auch damit richtete sich Lawrow an den bekannten Forderungen Putins aus, der als Bedingungen für einen „Frieden“ stets die Anerkennung der von Moskau zum Staatsgebiet erklärten besetzten Gebiete und die Ablösung der ukrainischen Regierung durch ein Marionettenregime gefordert hat. In die Nato dürfe die Ukraine demnach ebenfalls nicht eintreten, Kiews Armee soll – wenn es nach Putin geht – zudem maximal zusammengeschrumpft werden. Die Wünsche des Kremlchefs kommen somit einem russischen Sieg gleich. 

Moskau will einen Keil zwischen Europa und die USA treiben

Lawrow versuchte zudem erneut einen Keil zwischen die USA und Europa zu treiben. Gleich mehrere europäische Länder würden heimlich eine „Eskalation anstreben“, behauptete der russische Außenminister, der zuletzt mit faschistischen Entgleisungen aufgefallen war. „Europa und Großbritannien wollen, dass alles so weitergeht“, erklärte Lawrow. Die Europäer wollten „den Einsatz erhöhen“ und etwas „vorbereiten, um die Regierung von Donald Trump zu aggressiven Maßnahmen gegen Russland zu drängen“, raunte Moskaus Chefdiplomat, der auch Deutschland attackierte.

„Das Verhalten der Franzosen und Deutschen ist beschämend“, bemerkte der Chef des russischen Außenministeriums mit Blick auf die Vereinbarung von Minsk, die schlussendlich von Russland gebrochen worden war. „Letztendlich erklärten die Unterzeichner der Ukraine, Deutschlands und Frankreichs noch im Ruhestand, dass sie nie die Absicht gehabt hätten, diese Abkommen umzusetzen. Sie wollten lediglich Zeit gewinnen, um die Ukraine mit Waffen zu versorgen“, behauptete Lawrow. 

„Das Verhalten der Franzosen und Deutschen ist beschämend“

„Während die USA die Waffenruhe in der Ukraine als Bedingung für Gespräche betrachten, sieht Russland darin die Anerkennung aller seiner Forderungen“, kommentierte der Kölner Politologe Thomas Jäger die bisherigen Stellungnahmen aus Moskau. Ein Waffenstillstand komme für Moskau demnach nur in Betracht, wenn die eigenen Forderungen damit anerkannt würden, erklärte Jäger. „Annexion laut Verfassung“, die „ukrainische Demilitarisierung“ und „Neutralität“ sowie „keine Truppen aus Nato-Staaten“ und ein „Regimewechsel“ in Kiew blieben die Ziele Moskaus.

Die Statements einiger Duma-Abgeordneter sprechen derweil eine klare Sprache: Russland werde dem US-Vorschlag nicht zustimmen, versicherte der Abgeordnete Viktor Sobolew, ein Waffenstillstand sei „inakzeptabel“. Die USA würden diesen nur dafür nutzen, die Ukraine aufzurüsten und den Krieg „von vorne zu beginnen“, behauptete Sobolew.

Russische Politiker: Waffenstillstand „inakzeptabel“

Auch Michail Scheremet fand deutliche Worte. „Russland wird sich nicht an der Nase herumführen lassen“, sagte er der staatlichen Nachrichtenagentur Tass. Noch kurz vor den Gesprächen in Saudi-Arabien habe die Ukraine den bisher größten Angriff auf Moskau gestartet, so der Duma-Abgeordnete. Der Angriff und die Verhandlungen „sehen wie Glieder einer Kette aus, die darauf abzielt, unser Land zu erpressen und einzuschüchtern“, fügte er an.

US-Präsident Donald Trump glaubt an eine Einigung mit Kremlchef Wladimir Putin. Aus Russland kommen andere Signale. (Archivbild)

US-Präsident Donald Trump glaubt an eine Einigung mit Kremlchef Wladimir Putin. Aus Russland kommen andere Signale. (Archivbild)

Abseits von Putins Partei „Einiges Russland“ fällt die Einschätzung noch deutlicher aus. „Diese Trump-Show ändert für uns nichts. Wir befreien unser Land und haben weder Zeit noch Grund, uns durch das Spielen von Friedenshütern ablenken zu lassen“, erklärte Sergej Mironow, Vorsitzender der Partei „Gerechtes Russland“.

Kreml-Quellen: Putins Zustimmung ist „unwahrscheinlich“

Ähnlich fällt auch die Einschätzung anonymer Quellen im Kreml aus, über die „Reuters“ am Mittwoch berichtet. Demnach sei es „unwahrscheinlich“, dass Putin dem US-Vorschlag zustimmen werde. Der Grund dafür sei nicht nur, dass der Kreml, wie von Lawrow und Putin stets betont, die „Grundursachen“ gelöst sehen wolle, sondern auch die militärische Lage an der Front.

Derzeit habe man „auf dem Schlachtfeld die Oberhand“, heißt es demnach aus dem Kreml. Ausgerechnet jetzt zu stoppen, wo die von ukrainischen Truppen besetzte russische Grenzregion Kursk kurz vor der Befreiung stehe, scheint für Moskau demnach wenig einleuchtend. Tatsächlich befinden sich die ukrainischen Truppen in dem Grenzgebiet seit Tagen unter großem Druck, ihr Rückzug wird bald erwartet. 

Kriegsblogger und Propagandisten sehen „Verrat und Sabotage“

Die Moskauer Propagandisten und Kriegsblogger lassen unterdessen keine Zweifel aufkommen, dass sie ein Nein von Putin zum Waffenstillstand erwarten. So behauptete einer der als „Z-Blogger“ bekannten Berichterstatter, die Annahme eines Waffenstillstands wäre „reiner Verrat und Sabotage“. Ein anderer Militärblogger erklärte, ohne die Erreichung der russischen Kriegsziele, habe keine Einigung irgendeinen Sinn. Auch der prominente TV-Moderator Wladimir Solowjow veröffentlichte in seinem Telegram-Kanal eine alte Rede, in der Putin kurzfristige Waffenstillstände abgelehnt hatte.

12.03.2025, Ukraine, Kiew: Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine,  spricht während eines Briefings. Foto: Efrem Lukatsky/AP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine, spricht während eines Briefings.

Wolodymyr Selenskyj stellte unterdessen klar, dass die Ukraine die besetzten Gebiete auch bei einem Waffenstillstand nicht als russisch anerkennen werde. „Tatsache ist, dass unser Volk dafür gekämpft hat. Unsere Helden haben dafür gekämpft, viele von ihnen wurden verwundet und getötet“, erklärte der ukrainische Präsident. „Wir werden niemals zulassen, dass irgendjemand dieses Verbrechen gegen die Ukraine vergisst“, fügte der Ukrainer an. „Alles kommt nun auf Russland an.“ 

Nawalny-Vertrauter warnt vor Wladimir Putin

Dort gibt es nicht nur scharfe Töne aus der Duma, sondern auch ernüchternde Einschätzungen der Opposition: So erklärte Leonid Wolkow, langjähriger Gefährte des in russischer Haft gestorbenen Kremlkritikers Alexej Nawalny, dass Putin zu „keinerlei Waffenstillstand bereit“ sein werde. Wolkow nannte dafür vier Gründe.

Zum einen habe Putin die russische Gesellschaft derartig auf Krieg getrimmt, dass er die Reaktionen des „Z-Publikums“ nun fürchte. Rund acht Prozent der Russen seien im Kriegsrausch, so Wolkow. „Das sind zehn Millionen Menschen, die Krieg wollen, die Blut sehen wollen, die an alle Geschichten glauben, dass die Ukraine von den Bolschewiki geschaffen wurde und kein Existenzrecht hat‘“, erklärte der Oppositionelle.

Außerdem wisse Putin nicht, was er mit den hunderttausenden Kriegsveteranen in Friedenszeiten anfangen solle. „Putins Russland ist dieser Aufgabe nicht gewachsen“, prophezeit Wolkow. Ein Anstieg von Gewalt und regionalen Konflikten sei dann „unvermeidlich“, führte er aus.

„Man kann Putin nicht vertrauen. Niemals und bei nichts“

Die beiden wichtigsten Gründe seien jedoch, dass US-Präsident Donald Trump kein echtes Druckmittel gegenüber Putin habe. Der Kremlchef werde Trumps „Zuckerbrot verschlingen und nicht Danke sagen“, prophezeit der Nawalny-Gefährte. Daraufhin werde Putin weiterhin tun, was er bisher getan habe – Trump fehle dann aber die „Peitsche“.

Schlussendlich sei der Kremlchef vor allem aber immer noch absolut überzeugt, „dass er gewinnen kann“, erklärte Wolkow und fügte an: „Warum sollte man dann bei irgendetwas nachgeben?“ Sollte Putin doch einem Waffenstillstand zustimmen, werde der lediglich zur „Truppenumgruppierung“ dienen und schließlich von Russland gebrochen werden, erklärte Wolkow weiter. „Man kann Putin nicht vertrauen. Niemals und bei nichts.“ Die Taten geben den Zweiflern bisher recht: Nach einer mehrstündigen Pause meldete die Ukraine am Mittwochnachmittag erneut Luftalarm in mehreren Regionen.