In Kasachstan kamen 38 Menschen bei einem Flugzeugabsturz ums Leben. Ursache war wohl eine fehlgesteuerte russische Abwehrrakete. In der Ostsee häufen sich unterdessen die Zwischenfälle.
Hybride AngriffeFlugzeugabsturz in Kasachstan, kaputte Kabel in der Ostsee: Wie gefährlich ist Russland?
Finnland machte am zweiten Weihnachtsfeiertag kurzen Prozess. Die Küstenwache des Landes enterte einen aus Russland kommenden und auf den Cook-Inseln registrierten Öltanker namens „Eagle S“ und übernahm das Kommando. Zuvor war ein beschädigtes Unterseestromkabel nach Estland ausgefallen. Finnland ermittelt nun wegen „schwerer Sabotage“. Erst im November hatte es einen ähnlichen Vorfall mit einem chinesischen Frachter gegeben. Auch er kam aus Russland.
Ebenfalls an Weihnachten lenkte ein Flugzeugabsturz in Kasachstan erneut den Blick nach Russland. Die Maschine war von Aserbaidschan nach Tschetschenien unterwegs, als vermutlich ein Fehlschuss der russischen Flugabwehr den Absturz auslöste. 38 von 67 Menschen wurden getötet. 29 Menschen überlebten, viele schwer verletzt.
Erinnerung an 2014 wird wach
Experten sind sich einig, dass es sich um einen Unfall handelt – einen sehr weitreichenden Unfall allerdings, der an den 17. Juli 2014 erinnert. Damals schoss ein russisches Flugabwehrsystem vom Typ Buk über der Ostukraine versehentlich eine Boeing der Fluggesellschaft Malaysia Airlines auf dem Flug von Amsterdam nach Kuala Lumpur ab. 289 Menschen kamen um.
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Der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Marcus Faber (FDP), sagte dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) jetzt: „Die russische Flugabwehr ist zunehmend überfordert.“ Er forderte zugleich Konsequenzen. „Alle zivilen Fluglinien sollten dringend das gesamte Kriegsgebiet meiden - also Überflüge über der Ukraine und Russland ausschließen.“ Tatsächlich geschieht dies in vielen Fällen bereits.
Zwischen dem Vorfall in der Ostsee und dem im Kaukasus besteht jedenfalls ein bedeutender Unterschied. Die jüngste Attacke auf das Unterseestromkabel war kein Versehen, sondern mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Absicht. Schließlich herrscht in Estland, Finnland und anderen Ostsee-Anrainerstaaten seit geraumer Zeit erhöhte Wachsamkeit und Alarmbereitschaft wegen möglicher Sabotageakte, nachdem es zuletzt mehrfach zu Ausfällen und Störungen von Stromkabeln, Gaspipelines und Telekommunikationsverbindungen gekommen war. Dringender denn je stellt sich die Frage: Was tun?
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Der Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums im Bundestag, Konstantin von Notz, sagte dem RND: „Putin führt einen hybriden Krieg gegen den Westen. Jeden Tag gibt es neue Provokationen und das bewusste Ausreizen von Grenzen. Im Bewusstsein der deutschen Öffentlichkeit ist die Aggressivität und Bösartigkeit, mit der hier agiert wird, immer noch nicht angekommen. Das ist ein relevantes politisches Problem, denn solange niemand richtig versteht oder wahrhaben will, was hier läuft, fehlt die Entschlossenheit zur politischen Reaktion auf diese Angriffe.“ Der Grünen-Politiker betonte: „Ich erwarte von der Bundesregierung, diese Aggression Russlands endlich klar öffentlich zu benennen und einzuordnen.“
Greift die Beistandspflicht der Nato?
Der Politikwissenschaftler Carlo Masala von der Universität der Bundeswehr in München geht einen Schritt weiter. „Die Bedrohung, die von Russland ausgeht, ist schon relativ groß“, sagte er. Mit den Attacken auf die Infrastruktur greife es zugleich die Wirtschaft an. Masala fuhr fort: „Die Attacken zuzuschreiben ist schwierig. Deshalb muss man die kritische Infrastruktur besser schützen – national wie international, indem man die Vorfälle auf die Ebene der Nato hebt, und zwar nach Artikel 4 des Nato-Vertrages.“
In Artikel 4 heißt es: „Die Parteien werden einander konsultieren, wenn nach Auffassung einer von ihnen die Unversehrtheit des Gebietes, die politische Unabhängigkeit oder die Sicherheit einer der Parteien bedroht sind.“
Marsala: Man könnte mehr tun und eine bessere Abschreckung erreichen
Der Politikwissenschaftler mahnte: „Man sollte Marineverbände oder Küstenwachen in der Ostsee patrouillieren und Schiffe kontrollieren lassen. Man kann das nicht flächendeckend machen. Dazu ist der Raum zu groß. Aber man könnte mehr tun und eine bessere Abschreckung erreichen, als das in den letzten Monaten der Fall war. Ich würde deshalb Beratungen im Nato-Rahmen über eine mögliche Reaktion initiieren.“
Der Präsident des Bundesnachrichtendienstes, Bruno Kahl, hatte im November bei einer Veranstaltung der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik sogar gesagt: „Der umfangreiche Einsatz hybrider Maßnahmen durch Russland erhöht das Risiko, dass die Nato irgendwann erwägt, ihre Klausel zur gegenseitigen Verteidigung nach Artikel 5 in Anspruch zu nehmen.“ Dies gilt nach einem massiven Cyberangriff bereits heute als möglich.
Die Bundeswehr sitzt mit im Boot
Artikel 5 des Nato-Vertrages lautet: „Die Parteien vereinbaren, dass ein bewaffneter Angriff gegen eine oder mehrere von ihnen in Europa oder Nordamerika als ein Angriff gegen sie alle angesehen werden wird (…).“ Daraus folgt eine Beistandsverpflichtung. Nato-Generalsekretär Mark Rutte kündigte soeben an, die Bündnis-Präsenz in der Ostsee zu verstärken.
Erst Ende Oktober hatte Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) in Rostock ein neues Marine-Hauptquartier eingeweiht. Kein Zweifel: Deutschland sitzt mit der Bundeswehr als großer Ostsee-Anrainerstaat unweigerlich mit im Boot.