Das BSW stellt sein Wahlprogramm vor – samt pro-russischem Kurs. Das sorgt hierzulande für Empörung, aber für Freude in Moskau.
Entsetzen über Wagenknecht-Pläne„Die verschleiern nicht einmal mehr, für wen sie arbeiten“
Am Wahlprogramm des Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) gibt es scharfe Kritik. Insbesondere die Pläne der neu gegründeten Partei der ehemaligen Linken-Politikerin sorgten nach ihrem Bekanntwerden zu Wochenbeginn für mitunter entsetzte Reaktionen. „Es wäre lächerlich, wenn es nicht so traurig wäre. Die Grenzen des Russlandverständnisses enden nirgends“, kommentierte der ukrainische Botschafter in Deutschland, Oleksii Makeiev, das Wahlprogramm des BSW mit harten Worten im sozialen Netzwerk X (vormals Twitter).
Zuvor hatte die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ über das Europawahlprogramm der Wagenknecht-Partei berichtet, die mit den Spitzenkandidaten Fabio de Masi und Thomas Geisel ins Rennen gehen will. Die Haltung von BSW-Mitgliedern gegenüber Russland hatte bereits in der Vergangenheit für scharfe Kritik gesorgt. Mitunter wurde Wagenknecht eine indirekte Unterstützung des Kremls vorgeworfen.
Wagenknecht-Wahlprogramm sorgt erneut für Vorwurf der Russland-Nähe
Das Wahlprogramm gibt diesen Vorwürfen neue Nahrung: So will das Wagenknecht-Bündnis Russland mit dem Angebot eines Stopps aller Rüstungsexporte an die Ukraine zur Teilnahme an Friedensverhandlungen bringen, berichtet die FAZ, der das Wagenknecht-Programm vorliegt.
Demnach fordert das BSW einen Waffenstillstand und die Aufnahme von Friedensverhandlungen. Um „Russland zur Aufnahme von Verhandlungen zu motivieren, sollte für diesen Fall der sofortige Stopp aller Rüstungsexporte in die Ukraine angeboten werden“, zitiert die „FAZ“ aus dem 26 Seiten langen Programm.
BSW will Ukraine nicht in der EU, aber Öl und Gas aus Russland kaufen
Gegenüber Kiew sollte die weitere Unterstützung und die Zahlung von Hilfsgeldern aus der sogenannten Ukraine-Fazilität der EU „an die Vorbedingung der Bereitschaft zu Friedensverhandlungen geknüpft werden“. Ziel sei „eine neue europäische Friedensordnung, die längerfristig auch Russland einschließen sollte“.
Die Aufnahme von EU-Beitrittsgesprächen mit der Ukraine lehnt das Bündnis ebenfalls ab und fordert vielmehr den Abbau von Sanktionen für Russland und die Wiederaufnahme von Öl- und Gaslieferungen aus Russland. Der Krieg in der Ukraine „wurde militärisch von Russland begonnen, aber er wäre vom Westen verhinderbar gewesen und hätte längst beendet werden können“, heißt es in dem Programm. „Der Krieg in der Ukraine ist ein blutiger Stellvertreterkrieg zwischen der Nato und Russland“, behauptet das BSW demnach zudem.
Scharfe Kritik an Wagenknecht-Programm: „Das ist 1 zu 1 die russische Forderung“
Die Reaktionen auf dieses Programm, in dem die Ukraine lediglich als Verhandlungsmasse zwischen Russland und dem Westen vorkommt, nicht aber als unabhängiges Land, das eigene Entscheidungen treffen kann, ließen nicht lange auf sich warten.
„Das ist 1 zu 1 die russische Forderung für Verhandlungen“, kommentierte der Politikwissenschaftler Carlo Masala die Wagenknecht-Pläne mit deutlichen Worten. „Einen Tag, nachdem die Sprecherin des russischen Außenministeriums die Einstellung der Waffenlieferungen an die Ukraine fordert, tritt Wagenknecht mit derselben Forderung auf“, kritisierte auch der Kölner Politikwissenschaftler Thomas Jäger. „Die verschleiern nicht einmal mehr, für wen sie arbeiten“, fügte er an.
„Könnte auch das Programm von ‚Einiges Russland‘ sein“
In eine ähnliche Kerbe schlug auch der Historiker Matthäus Wehowski: „Könnte auch das Programm von ‚Einiges Russland‘ sein“, schrieb er bei X. „Einiges Russland“ ist die Partei von Kremlchef Wladimir Putin.
Auch Janis Kluge von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) kritisierte die Haltung des BSW. „Wenn dieser geniale Geistesblitz von Frau Wagenknecht wider Erwarten nicht funktioniert, dann müssen es ja nur die Ukrainer ausbaden“, schrieb Kluge.
Harte Worte aus der SPD: „Verlängerter Arm Moskaus und Putin-Knecht“
Bezug nahm er damit vor allem auf Wagenknechts Idee, Waffenlieferungen an die Ukraine einzustellen, um Russland an den Verhandlungstisch zu bewegen, obwohl Russland ohne militärische Gegenwehr aus der Ukraine kaum einen für Verhandlungen hätte.
SPD-Politiker Michael Roth kommentierte das BSW-Wahlprogramm ebenfalls mit harten Worten: „Wer sich zum verlängerten Arm Moskaus und Putin-Knecht macht, schafft keinen Frieden, sondern verlängert den Krieg und legt ganz Osteuropa in Brand“, schrieb Roth bei X.
Zuspruch von AfD-Politiker für Wagenknecht-Pläne
CDU-Politiker Jan-Marco Luczak bezeichnete die Wagenknecht-Pläne unterdessen als „widerlich“, das BSW wolle „die Ukraine waffen- und damit schutzlos stellen“ und dem Westen „die Schuld für den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands zuschieben“, führte Luczak aus.
Neben vielen kritischen Stimmen gab es unterdessen auch Zuspruch für die Wagenknecht-Partei und ihren russlandfreundlichen Kurs. Der AfD-Politiker und EU-Abgeordnete Bernhard Zimniok bezeichnete die Kritik von SPD-Politiker Roth bei X als „Schande“. Roth habe diejenigen, „die Frieden durch Verhandlungen forcieren wollen, auf niederträchtigste Art und Weise beleidigt“, schrieb der AfD-Politiker und signalisierte Zustimmung zum Kurs des BSW.
Kreml-Medien berichten wohlwollend über Wagenknecht-Pläne
Auch die russische staatliche Nachrichtenagentur Ria berichtete wohlwollend über Wagenknechts neuerlichen Vorstoß. Wagenknecht habe dem ukrainischen Präsidenten „schockierende Ratschläge“ erteilt, schrieb Ria. Die Agentur gilt als eines der schrillsten Sprachrohre des Kremls in der russischen Medienlandschaft.
Indirekt kommentierte unterdessen auch der mehrmalige russische Schachweltmeister, Politikaktivist und Putin-Gegner Garry Kasparow die Forderungen nach Verhandlungen in westlichen Staaten.
„Putin muss die westlichen Experten und Akademiker satthaben, die weiterhin die NATO, Biden, die Ukrainer oder irgendjemand anderen für seine unprovozierte Invasion in der Ukraine verantwortlich machen. Auch eine Antwort auf alle ‚Einfach verhandeln!‘-Beschwichtiger“, schrieb Kasparow zu einem Foto, das eine Leuchtreklame in Moskau zeigt. Zu lesen ist dort in großen Lettern ein Zitat von Kremlchef Putin: „Russlands Grenzen enden nirgendwo.“