AboAbonnieren

Schock in Bätzings Bistum - Reformer nach Freistellung tot

Lesezeit 4 Minuten

Limburg – Bestürzung, Fassungslosigkeit und Trauer - so reagiert das Bistum Limburg auf den Tod seines Priesterseminar-Leiters. Auch für Bischof Georg Bätzing muss die Nachricht ein großer Schock gewesen sein, denn er hat jahrelang eng mit dem Geistlichen zusammengearbeitet.

Außerdem dürfte er ahnen, dass man zumindest hinter vorgehaltener Hand darüber reden wird, ob er vielleicht allzu hart mit dem Mitarbeiter ins Gericht gegangen sein könnte.

Bätzing hatte den Priester am Mittwoch zu Vorwürfen übergriffigen Verhaltens angehört und ihn vorläufig von seinen Ämtern freigestellt. Dies sei von den kirchlichen Ordnungen so vorgesehen, um die Vorwürfe prüfen und aufklären zu können, hieß es vom Bistum Limburg. Ermittler gehen nun davon aus, dass sich der Priester anschließend das Leben genommen hat.

Bätzing kein Hardliner

Bätzing ist als verständnisvoller und empathischer Chef bekannt und keineswegs als Hardliner. Kürzlich war ihm sogar vorgeworfen worden, im Umgang mit einem anderen Priester zu lax gehandelt zu haben. Der Geistliche hatte zwei Frauen belästigt, war Jahre später aber gleichwohl von Bätzing zum Bezirksdekan befördert worden. Bätzing rechtfertigte dies damit, dass die Übergriffe des Priesters keine Straftaten dargestellt hätten und er sein Verhalten bereut und sich entschuldigt habe.

Als der Fall vor zwei Wochen bekannt wurde, führte dies zu einer Welle der Kritik an Bätzing. Ihm wurde vorgeworfen, die betroffenen Frauen bei seiner Entscheidung nicht ausreichend im Blick gehabt zu haben. Der Priester bot daraufhin seinen Rücktritt vom Amt des Dekans an, was Bätzing akzeptierte.

Schwierige Reformbemühungen

Der 61 Jahre alte Bischof von Limburg ist seit 2020 Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz und eine der treibenden Kräfte hinter dem derzeitigen Reformprozess der deutschen Katholiken. Dieser „Synodale Weg” strebt konkrete Änderungen an, so eine Beteiligung der Gläubigen an der Bischofswahl, die Segnung homosexueller Paare und möglichst auch das Diakonat der Frau.

Der Vatikan verfolgt die deutschen Erneuerungsbemühungen mit größtem Misstrauen. Konservative Bischöfe aus aller Welt haben sich bereits mit harschen Erklärungen dagegen in Stellung gebracht. In Deutschland gehören Konservative wie der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki und der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer zu Bätzings Gegenspielern. Er selbst ist jedoch der Überzeugung, dass der Reformprozess die letzte Chance der katholischen Kirche in Deutschland ist, denn längst wenden sich auch die Treuesten der Treuen in Scharen ab.

Mays Tod verstärkt tiefe Krisenstimmung in der Kirche

, in der er sich unter anderem für die Segnung homosexueller Paare, für die Zulassung von wiederverheirateten Geschiedenen zur Kommunion und für die Öffnung des Priesteramts für Frauen aussprach. „Theologen und Theologinnen, die Argumente bringen für das Weiheamt der Frau, werden mundtot gemacht”, kritisierte er. Das sind Töne, die man so nur sehr selten von hohen Geistlichen hört.

Der tragische Tod des 49-Jährigen, bei dem es nach Angaben der Staatsanwaltschaft Limburg keine Anhaltspunkte für ein Fremdverschulden oder eine strafbare Handlung gibt, verstärkt die tiefe Krisenstimmung in der katholischen Kirche in Deutschland. Bezeichnend ist die Tatsache, dass sich kürzlich sogar der Generalvikar von Speyer, Andreas Sturm, - der Stellvertreter des Bischofs! - von der Kirche abgewandt hat. „Ich habe im Lauf der Jahre Hoffnung und Zuversicht verloren, dass die römisch-katholische Kirche sich wirklich wandeln kann”, sagte er. Offen gab er zu, den Zölibat verletzt und Liebesbeziehungen gelebt zu haben.

Am Montag wird in Münster ein neues Missbrauchsgutachten vorgestellt, und Ende dieses Monats werden die Austrittszahlen aus der katholischen Kirche für das vergangene Jahr veröffentlicht. Es wird mit einem neuen Höchststand gerechnet.

Der Leiter des Limburger Priesterseminars hatte noch Anfang dieses Jahres in einer Predigt zugegeben, dass er mitunter selbst an seiner Berufung zweifle und das Gefühl habe, ihr nicht gerecht werden zu können. Es vergehe kein Tag, ohne dass er Gott nicht um Vergebung bitte. „Jeden Abend auf der Bettkante muss ich sagen: "Christof, Du hast es wieder nicht auf die Kette gebracht."”

© dpa-infocom, dpa:220610-99-616843/6 (dpa)