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Skandal um Tod von Häftling in ZelleJustizminister tut sich mit Entschuldigung schwer

Lesezeit 3 Minuten

Brandspuren an der Außenfront von Zelle 143 in Kleve.

Köln – Der Fall könnte auch der Stoff für einen „Tatort“ liefern. Der Syrer Amad A. saß im Sommer 2018 wochenlang unschuldig in der JVA Kleve, weil er durch eine Serie von Schlampereien bei Polizei und Justiz mit einem gesuchten schwarzen Afrikaner verwechselt worden war. Nachdem es dem Mann nicht gelang, JVA-Mitarbeitern auf seine Lage aufmerksam zu machen, zündete er seine Zelle an und starb. Der Skandal war zu einer schweren politischen Belastung für die schwarz-gelbe Landesregierung geworden.

Mit Spannung wurde jetzt der Auftritt von NRW-Justizminister Peter Biesenbach vor dem Untersuchungsausschuss des Landtags erwartet, der den Fall aufarbeitet. Der CDU-Politiker räumte Versäumnisse und Fehler ein: „Das war ein Fehler im System“, sagte Biesenbach.

Der Grünen-Politiker Stefan Engstfeld forderte Biesenbach auf, sich öffentlich für die Versäumnisse und Fehler der Justiz zu entschuldigen. Der CDU-Politiker erwiderte, dies sei ihm eigentlich zu banal. Er habe sich dreimal mit dem Vater getroffen und sein tiefes Bedauern ausgesprochen. Die Gespräche seien nicht leicht gewesen. Es sei wichtiger dafür zu sorgen, dass sich der Vorgang nicht mehr wiederholen könne, anstatt nach „Canossa“ zu gehen. Schließlich kam Biesenbach der Aufforderung der Opposition nach und entschuldigte sich.

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Der Syrer war am 6. Juli 2018 in Geldern am Niederrhein festgenommen worden, nachdem er vier junge Frauen an einem See sexuell belästigt haben soll. Dabei hielten die Beamten ihn für Amedy G. aus Mali, der in Hamburg mit zwei Haftbefehlen gesucht wurde. Kurz zuvor waren zwei Datensätze von Amedy G. und Amad A. von einer Bediensteten der Kreispolizeibehörde Siegen fälschlicherweise zusammengeführt worden. Ein fataler Fehler: Im weiteren Verlauf fiel niemandem auf, dass es sich bei dem hellhäutigen Syrer nicht um den gesuchten Schwarzafrikaner handeln konnte. Die Verwechselung kam erst nach dem Tod des Häftlings ans Licht. Bei den Ermittlungen war herausgekommen, dass 21 Beamte die Möglichkeit gehabt hatten, den Irrtum aufzudecken. Am 17. September hatte Amad A. seine Zelle angezündet.

Situation im Vollzug soll verbessert werden

A. hatte bei seiner Aufnahme in der JVA Kleve selbst darauf hingewiesen, dass er suizidgefährdet sei. Den Mädchen, die ihm sexuelle Nötigung vorwarfen, war aufgefallen, dass der Körper des Syrers mit Narben übersäht war. Eine Psychologin der Haftanstalt hatte den Hinweis von Amad A., er sei nicht der mit Haftbefehl Gesuchte, nicht ernst genommen.

Nach dem Suizid hatte eine Expertenkommission Vorschläge zu Verbesserung der Situation im Strafvollzug in NRW vorgelegt. Bislang wurde davon allerdings wenig umgesetzt. So sollen Brandmelder in den Zellen nur in den in Planung befindlichen Haftanstalten in Münster und Willich eingebaut werden. Eine Nachrüstung im Bestand ist nicht vorgesehen. Die Nachrüstung der Hafträume mit brandfesten Matratzen kommt nur schleppend voran. In der JVA Gelsenkirchen soll ein neues Kommunikationssystem erprobt werden.

Strafgefangene häufiger psychisch auffällig

Biesenbach wies darauf hin, Strafgefangene seien immer häufiger psychisch auffällig. Der CDU-Politiker kündigte an, zusätzliche 100 Plätze im Justizkrankenhaus Frödenberg zu schaffen. In den Haftanstalten sollen sich jetzt Beauftragte mit der Prävention von Suiziden befassen.Ein Schlagabtausch löste die Frage aus, warum sich Amad A. nicht heftiger gegen seine Inhaftierung gewehrt hatte. Minister Biesenbach erklärte, dies sei für ihn nicht nachvollziehbar. Die SPD-Abgeordnete Christina Kampmann wies darauf hin, der Syrer sei in einem autoritären System aufgewachsen. Deswegen habe ihm womöglich das Vertrauen in den Vollzug gefehlt.

Der Kölner CDU-Abgeordnete Oliver Kehrl erklärte nach der Sitzung, dem Tod von Amad A. habe Biesenbach konsequent und schnell sowie mit Empathie und Verstand gehandelt. „Beeindruckend ist zudem, wie höchst menschlich sich der Minister persönlich um den Vater des Verstorbenen gekümmert hat.“

Sven Wolf, Obmann der SPD, sieht das anders: Einen „empathieloseren Auftritt" eines politischen Verantwortungsträgers habe er selten erlebt, sagte Wolf. Ihm sei es nur um die „Verteidigung seines Ministerpostens“ gegangen.