SMS-Enthüllungen zur FlutnachtMinisterin Spiegel zunehmend unter Druck
Mainz – Nach Medienberichten, die nahe legen, dass die Grünen-Politikerin und heutige Bundesfamilienministerin Anne Spiegel sich als Chefin des Umweltressorts in Rheinland-Pfalz nach der Flutnacht vom 14. auf den 15. Juli 2021 vornehmlich um ihr Image kümmerte, fordert die Landtagsopposition am Mittwoch eine „lückenlose Aufklärung“ der Geschehnisse.
So hatte etwa der „Kölner Stadt-Anzeiger” über SMS-Protokolle berichtet, die dokumentieren, wie kaltschnäuzig die Umweltministerin und ihre Getreuen seinerzeit über das humanitäre Drama hinweggingen. „Anne braucht eine glaubwürdige Rolle“, forderte ihr Pressesprecher bereits am Morgen nach der Flutkatastrophe.
Anne Spiegel soll Prioritäten auf das politische Geschehen gesetzt haben
Während sich die Horrormeldungen über das Ausmaß der Naturgewalten häuften, arbeitete man an der Ministeriumsspitze daran, dem Koalitionspartner der SPD nicht allein die politische Bühne zu überlassen.
Um 8.07 Uhr am 15. Juli fürchtete Ministerin Spiegel in einer Handynachricht, dass der sozialdemokratische Koalitionspartner ihrem Hause das Versagen in der Flutkatastrophe in die Schuhe schieben würde. Die Grünen-Politikerin sprach vom „Blame-Game (Schuldzuweisungen Anm. der Red.), das sofort losgehen könnte. Man brauche „ein Wording, dass wir rechtzeitig gewarnt haben, ich im Kabinett“.
Grünen-Politikerin mit Sorge vor SPD-Innenminister
Dabei trieb die Grünen-Politikerin insbesondere die Sorge um, dass SPD-Innenminister Roger Lewentz ihr zusetzen könnte. „Ich traue es Roger zu, dass er sagt, die Katastrophe hätte verhindert werden können oder wäre nicht so schlimm, wenn wir als Umweltministerium früher gewarnt hätten und dass es an uns liegt, weil wir die Situation unterschätzt hätten.“
Das Umweltministerium hatte noch am Nachmittag des 14. Juli kurz vor 17 Uhr eine falsche Pressmitteilung über die Lage im Ahrtal herausgegeben. Während die Flutwelle an der Oberahr bereits Häuser wegschwemmte und der Campingplatz Stahlhütte in Dorsel erste Vermisste zählte, prognostizierte das Ministerium, dass man mit keinem Extremhochwasser rechnen müsse. Eine Stunde später teilte Umweltstaatssekretär Erwin Manz (Grüne) zwar seinen Presseleuten per SMS mit, dass genau das Gegenteil eingetreten sei. Die Öffentlichkeit nebst den Medien wurden hingegen nicht informiert.
Pressemitteilungen seien nicht Teil des Meldeweges
Damit konfrontiert, bekundete das Umweltministerium: Es treffe zu, dass Staatssekretär Manz gegen 18 Uhr zu der Einschätzung gekommen sei, „dass die um 16.43 Uhr versandte Pressemitteilung überholt war“. Die Aussage, es sei „nichts zu tun“ habe sich jedoch lediglich auf die Frage bezogen, ob eine weitere Pressemeldung sinnvoll sein könnte. „Die Information der Einsatzkräfte vor Ort, die für die Warnung der Bevölkerung zuständig sind, war und ist jederzeit über die Meldekette sichergestellt gewesen.“ Pressemitteilungen seien nicht Teil des Meldeweges.
Der rheinland-pfälzische CDU-Fraktionschef Christian Baldauf zeigt sich angesichts „der Berichte über den SMS-Austausch zwischen Spiegel und ihrem Berater fassungslos. Während am Morgen des 15. Juli das Ahrtal überflutet ist und die Todeszahlen dramatisch steigen, sorgt man sich in der Führungsetage des Umweltministeriums um eine glaubwürdige Rolle und das Image von Anne Spiegel. Kein Wort über die schreckliche Situation, keine Empathie, keine Überlegungen, wie schnelle Hilfe geleistet werden kann.“
„Beschämend und unwürdig für eine Ministerin"
Nach Ansicht des Christdemokraten habe „Spiegel die mediale Performance und machtpolitisches Taktieren über die Not der Menschen im Ahrtal gestellt. Das ist beschämend und unwürdig für eine Ministerin."
So wie in NRW auch beleuchtet in Mainz ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss das Krisenmanagement der Behörden und der Landesregierung während der Flutnacht mit ihren 134 Toten im Ahrtal.
Am Freitag soll Grünen-Bundesministerin Spiegel vor dem Untersuchungsausschuss zu ihrer Rolle während der Naturkatastrophe aussagen.
Opposition verlangt Offenlegung von Kontakten
Die Opposition verlangt in dem Zusammenhang, dass die Landesregierung alle damaligen Kontakte zwischen Innen- und Umweltministerium offenlegt.
Zu den kompromittierenden SMS-Protokollen will das Umweltministerium keine Stellung beziehen, weil diese aus nichtöffentlichen Akten des Untersuchungsausschusses stammten.
Ein Sprecher teilt einzig mit, dass am Vormittag des 15. Juli auf Einladung von Anne Spiegel eine Krisensitzung des Hauses mit den nachgeordneten Behörden zur Hochwasserlage stattgefunden habe. „Dabei ging es insbesondere um die Bewertung der Lage der Hochwassersituation inklusive Prognosen zum Niederschlagsgeschehen und um mögliche Hilfen für Bürgerinnen und Bürger sowie für Kommunen.“
Im Fokus stand die Trinkwasser- und Energieversorgung nebst der Entsorgung von Abwasser und angespülter Müllberge, heißt es weiter. „Frau Spiegel nahm an diesem Vormittag zudem an einer Sondersitzung des Ministerrates mit ihren Kabinettskolleginnen und -kollegen teil“, in der man die aktuelle Lage ausgelotet habe.
Das könnte Sie auch interessieren:
Für den CDU-Obmann des Untersuchungsgremiums, Dirk Herber belegt der Chatverkehr im Grünen-Umweltministerium zudem, „dass offenbar großes Misstrauen und Rivalitäten in der Ampel-Regierung zwischen Anne Spiegel und Innenminister Roger Lewentz herrschte“. Kritisch fragt Herber, inwieweit sich die beiden Schlüssel-Ressorts in der Flutnacht abgestimmt hätten ? „Die Sorge von Spiegel über ein mögliches ‚Blame Game‘ mit Lewentz spricht Bände.“
Aus Sicht der CDU stellt sich die Frage, ob SPD-Ministerpräsidentin Malu Dreyer „diese Koalitionsregierung im Griff hat oder auch Führungsversagen an oberster Stelle vorliegt. Immer mehr verdichtet sich der Eindruck, dass die Landesregierung in der Stunde der Not versagt hat.“