Bundespräsident Steinmeier war offenbar nicht einverstanden mit einer Rede des Schriftstellers Marko Martin. Es kam zum Eklat in Bellevue.
„Er hat ziemlich die Fassung verloren“Eklat in Bellevue – Steinmeier bekommt Wutanfall wegen Kritik in Mauerfall-Rede
Eine kritische Rede des Schriftstellers Marko Martin im Schloss Bellevue und die Reaktion von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier darauf sorgen für Wirbel. Martin hatte bei einer Veranstaltung zum Mauerfall vor 35 Jahren unter anderem Steinmeiers Haltung gegenüber Russland und Kremlchef Wladimir Putin in seiner Zeit als deutscher Außenminister angeprangert. Darauf reagierte Steinmeier laut Martin beim Empfang nach der Veranstaltung mit einem Wutausbruch.
„Er ist angerauscht gekommen, um mir qua seines Amtes die Leviten zu lesen“, sagte Martin. Steinmeier habe ihn gefragt, ob es ihm Freude mache, Politiker zu diffamieren. „Er hat ziemlich die Fassung verloren“, sagte Martin im Gespräch mit t-online. „Steinmeier warf mir vor, ihn zu diffamieren. Offensichtlich fühlte er sich persönlich von meinen Worten getroffen.“
Eklat um Frank-Walter Steinmeier: „Er hat ziemlich die Fassung verloren“
Die Sprecherin des Bundespräsidenten erklärte dazu auf Anfrage, Steinmeier habe mit Martin bei dem Empfang „kontrovers, aber sachlich über seine Rede diskutiert“. Die Rede hatte Steinmeier zuvor zunächst mit düsterer Miene, aber äußerlich ungerührt verfolgt.
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Martin warf Steinmeier in seiner Rede unter anderem das Festhalten am Projekt der Erdgaspipeline Nord Stream 2 vor: Dieses „war nur insofern ‚eine Brücke‘ – Ihre Worte vom Frühjahr 2022 – als dass es Putin in seinen Aggressionen zusätzlich ermutigte, und zwar in seinem Kalkül, dass die Deutschen, ansonsten Weltmeister im Moralisieren, das lukrative Geschäft schon nicht sausen lassen würden, Ukraine hin oder her“.
Marko Martin teilt auch gegen Ex-Kanzler Gerhard Schröder aus
Martin teilte auch gegen Altkanzler Gerhard Schröder aus. Dieser sei nach wie vor ein reueloser „großsprecherischer Duzfreund des Massenmörders im Kreml“ und vom neuen Generalsekretär der SPD weiter in der Partei willkommen.
„Wir haben einen Bundespräsidenten, der sich dieser Debatte verweigert, der Debatte über die deutsche Mitverantwortung für Putins Aggressionen“, blieb Martin auch nach dem Eklat in Bellevue bei seiner Kritik an Steinmeier.
„Steinmeier scheint nicht geahnt zu haben, wen er da einladen ließ“
„Das russische Imperium befindet sich seit Langem in einer Frontstellung gegen den liberalen Westen, die SPD aber verweigert sich dieser von seriösen Historikern immer und immer wieder analysierten Wahrheit noch immer“, kritisierte Martin gegenüber t-online. „Die versuchte Rehabilitierung von Gerhard Schröder spricht dabei Bände.“
Nach Bekanntwerden des Eklats wurde schnell Kritik am Bundespräsidenten laut. „Steinmeier scheint tatsächlich nicht geahnt zu haben, wen er da mit Marko Martin als Festredner einladen ließ“, schrieb der Historiker Bert Hoppe auf der Plattform X.
Kritik an Steinmeier: „Ein kleinlich-peinlicher Bundespräsident“
Noch deutlicher wurde Ilko-Sascha Kowalczuk, ebenfalls Historiker. „Der Intellektuelle Marko Martin macht, was Intellektuelle zu tun haben: In offenen Wunden zu bohren und sich nicht um die Meinung der Mächtigen zu sorgen“, schrieb der Historiker bei X.
„Eine großartige Rede, ein beeindruckendes Interview und ein kleinlich-peinlicher Bundespräsident“, lautete die Bilanz des Experten für die Aufarbeitung der SED-Diktatur in der DDR.
Olaf Scholz würdigt Mauerfall als Beispiel für Zusammenhalt
In Berlin wird am Samstag derweil auf vielfältige Weise an den Fall der Mauer vor 35 Jahren erinnert. An einer zentralen Gedenkveranstaltung in der Gedenkstätte Berliner Mauer nimmt auch Bundespräsident Steinmeier teil. Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) hält eine Rede. Zu einem „Fest der Freiheit“ werden Zehntausende Besucher erwartet.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat den Mauerfall am Samstag als Beispiel für den europäischen Zusammenhalt gewürdigt. Der Fall der Berliner Mauer sei der „glückliche Höhepunkt einer gesamteuropäischen Entwicklung“ gewesen, betonte Scholz in seiner Videobotschaft zum 9. November. (mit dpa)