In der Talkreihe „frank&frei“ des KStA diskutieren die Theologinnen Julia Knop und Annette Jantzen über Frauendiskriminierung in der katholischen Kirche.
Theologin Julia Knop„Frauendiskriminierung wird in der Kirche sakral überhöht“
Frau Professorin Knop, die Kirche ist unverkennbar in der Krise. Ist das gut für die Theologie?
Ich habe die letzten Jahre als unglaublich produktiv erlebt. Das war eine total spannende Zeit theologischen Nachdenkens – mit dem Anspruch, Kirchenreformen nicht nur pragmatisch anzugehen, sondern so vertieft, dass sie von höherer Stelle nicht so einfach vom Tisch gewischt werden können. Dazu braucht es eben gute Theologie
Wo hat sich das denn erkennbar niedergeschlagen?
Der Synodale Weg der katholischen Kirche in Deutschland hat für die Kirche die Machtfrage gestellt: Wie wird Macht verteilt und kontrolliert? Wie versteht man Ämter und Aufgaben? Das sind nicht nur organisatorische, sondern theologische Fragen, weil das Machtgefüge in der Kirche religiös aufgeladen ist und religiös begründet wird. Da muss man ran.
Der schärfste Vorwurf an die Reformer – also auch an Menschen wie Sie – lautet, dass alle Bemühungen auf einer großen Täuschung basierten: Es werde nur so getan, als könnte und wollte die Kirchenleitung etwas am System ändern.
Ich kenne diese Angriffe. Sie vermischen zweierlei: Machtfragen und Sachfragen. Auf der Ebene der Entscheidungen, also der Machtfragen, trifft der Vorwurf der Wirkungslosigkeit von Reformbemühungen schon. Da hat sich in den vergangenen Jahren tatsächlich nicht viel getan. Auf Kirchenleitungsebene will man keinen Paradigmenwechsel. Auf der inhaltlichen Ebene, also bei den Sachfragen, ist hingegen viel passiert. Da wurde ein solcher Paradigmenwechsel durchdacht und vorbereitet. Das Problem besteht darin, dass theologische Reflexion und kirchliche Leitung viel zu wenig ineinander greifen. Anders gesagt: Bischöfe und römische Kurie rezipieren nicht, was theologisches Denken leistet. Machtpolitisch ist das verständlich – denn das würde für sie Machtverlust bedeuten. In der Sache kommen wir damit aber nicht voran.
Eben. Und im Ergebnis gilt zum Beispiel im Umgang der Kirche mit den Frauen, dass – wie Sie selbst einmal gesagt haben – „kein Rückschritt schon ein Fortschritt“ ist.
Wir erleben gerade weltweit einen Kulturkampf um Geschlechterfragen. In der römisch-katholischen Kirche wird die Verweigerung von Geschlechtergerechtigkeit auch noch sakral überhöht: Die kirchliche Diskriminierung der Frauen entspreche Gottes Willen, weil Frauen und Männer grundsätzlich verschieden seien. Das erleichtert es den Mächtigen, sich abzuschirmen und ihre Position zu behaupten. Und es verstärkt die überall spürbare Polarisierung.
Das ist eine bittere Beschreibung. Welchen Trost haben Sie denn dann für Katholikinnen in ihrer Kirche parat?
Trösterin steht nicht in meiner Jobbeschreibung. Aber die Diskrepanz ist natürlich da: Geschlechtergerechtigkeit darf schlichtweg nicht zur Disposition gestellt werden. Das ist rational und existenziell und übrigens auch spirituell völlig eindeutig. Aber in der Kirche passiert das ständig und dann noch aus angeblich religiösen Gründen. Mit diesen „double standards“ und dieser machtpolitischen Ausweglosigkeit muss jede Katholikin irgendwie umgehen. Innerhalb des Systems Kirche gibt es weder den Willen noch ein reguläres Format, Geschlechtergerechtigkeit einzuklagen.
Welchen Weg gehen Sie?
Ich versuche im Rahmen meiner Rolle, also in Forschung und Lehre, bewusstseinsbildend zu wirken. Theologinnen wie Annette Jantzen, mit der ich in der Karl-Rahner-Akademie diskutiere, bringen die seelsorgliche Ebene ein. Ein Kulturwandel braucht viele Player. Zwei Ebenen finde ich besonders wichtig: Theologisches Engagement für eine politische Öffentlichkeit, um das Thema Geschlechtergerechtigkeit immer wieder ins Bewusstsein zu rücken. Und pastoral braucht es Orte und Formen von Kirche, in denen Frauen trotz allem eine spirituelle Heimat finden können.
Ein Lob des Nischendaseins?
Nein. Ich meine ja keinen Rückzug aus Resignation und auch keine künstliche heile Welt. Diese Kirche bietet keine heile Welt für die, die sie verletzt. Es geht mir darum, Frauen in religiöser und in politischer Hinsicht stärken. Formate zu entwickeln, in denen sie selbst bestimmen, wie sie katholisch sein wollen. Netzwerke zu stärken, in denen Frauen öffentlich wirksam werden. Wir brauchen solches Empowerment. Denn den Preis vulneranter Systeme zahlen immer einzelne, nicht das System und nie die jeweilige Machtelite, also diejenigen, die von diesen Verhältnissen profitieren.
Wie können Sie dann als Theologin überhaupt noch in diesem System mitmachen?
In der Theorie werden oft Alternativen aufgemacht. Beim Synodalen Weg etwa: War es gezielte Täuschung oder ehrlicher Reformwille? Beim nötigen Paradigmenwechsel im kirchlichen Machtgefüge: Anpassung oder Aufstand? Bei der Frage, wie frau das System Kirche überhaupt noch ertragen kann: Rückzug in die Nische oder Austritt? Das sind aber biografisch meistens keine lebbaren Alternativen. Es sind Pole eines komplexen Gefüges voller Ungleichzeitigkeiten und Uneindeutigkeiten. Und um das wenigstens ein bisschen zu verstehen und Handlungsoptionen für die nächsten Schritte zu entwickeln, braucht es wieder gute Theologie.
Zur Person
Julia Knop, geboren 1977, ist Professorin für Dogmatik an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Erfurt. Sie ist Mitglied im Zentralkomitee der deutschen Katholiken und in der Vollversammlung des Synodalen Wegs, des Reformprozesses der katholischen Kirche in Deutschland. (jf)
frank&frei
Im Rahmen seiner Talkreihe „frank&frei“ fragt KStA-Chefkorrespondent Joachim Frank an drei Abenden: Wozu noch Theologie? Dazu bringt er Menschen aus der theologischen Wissenschaft und aus der seelsorglichen Praxis miteinander ins Gespräch.
Im zweiten Teil nehmen Julia Knop und die Pastoralreferentin Annette Jantzen, im Bistum Aachen unter anderem für die Frauenseelsorge verantwortlich, jene Hälfte des Gottesvolks in den Blick, die in der Kirchenverfassung kaum oder gar nicht vorkommt: die Frauen. Wie kann Theologie das Streben von Katholikinnen nach Gleichberechtigung und ihren Kampf für eine geschlechtergerechte Kirche fördern? Wie klingt „Gotteswort weiblich“? Und was bedeutet es theologisch und lebensgeschichtlich, dass das Vertrauen in (männliche) Verkündiger des Glaubens durch den Missbrauchsskandal so fundamental erschüttert ist?
Dienstag, 26. März, 19 Uhr, in der Karl-Rahner-Akademie, Jabachstraße 4-8, 50676 Köln. Eintritt: 10 Euro (ermäßigt und mit KStA-ABOCARD 5 Euro). Telefonische Anmeldung unter 0221 801078-0, per Mail unter info@karl-rahner-akademie.de.
Direkt zur Anmeldung geht es auch hier.