Trendsport auch in KölnMit Äxten werfen – warum macht man das?

Gute Haltung für den Anfang: Christian Goebel beim Axtwerfen in den Rheinauen
Copyright: Michael Bause
- Aus dem einst kriegerischen Axtwerfen ist ein geselliger Sport geworden. Auch in Köln erfreut sich der Sport zunehmender Beliebtheit.
- Wer macht so was? Wo macht man das? Und wie funktioniert das technisch? Eine Reportage mit Kölner Hobby-Werfern.
Köln – Gar nicht einfach, das Geräusch zu beschreiben, mit dem sich eine metallene Axt, geworfen aus fünf Metern Entfernung, in frisches Holz bohrt. Ein satter Ton ist das, kurz, scharf, aber nicht ganz ohne eine weiche Wärme. Mit anderen Worten: „Das knallt ganz schön“, sagt Christian, der gerade zum ersten Mal in seinem Leben eine Wurfaxt geworfen und dabei die Mitte der hölzernen Zielscheibe perfekt getroffen hat – zu seiner eigenen Verblüffung. Auf Anhieb alles richtig gemacht. Gutes Gefühl. Den Namen, bitte? „Christian“, sagt er, „Christian Ax.“ Kein Witz? „Nein, wirklich nicht.“
Das Werkzeug, dem Christian seinen prägnanten Nachnamen verdankt, ist dem Ursprung nach ein Objekt von wahrhaft epochaler Bedeutung. Die Axt gilt als eines der ältesten Werkzeuge des Menschen überhaupt und ist ein vermutlich jungsteinzeitlicher Geniestreich: Irgendwann hatte ein früher Mensch die Idee, die beiden Ur-Werkzeuge der Zivilisation, Faustkeil und Keule, miteinander im Wortsinne zu verbinden – zur ersten Axt. Die Evolution der Schlag-Werkzeuge konnte nun ebenso ihren Lauf nehmen wie die Entwicklung der Schlag- und Wurfwaffen.

Tactical tomahawks: Guter Name für die kleinen Wurf-Werkzeuge
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Die Axt hat in der Folge eine formidable Karriere gemacht – im Laufe der Historie wurden Dutzende, wenn nicht Hunderte Arten entwickelt: Äxte zum Schlagen, zum Schaben, zum Spalten, zum Kämpfen natürlich und zum Werfen. Äxte fanden ihren Weg in die Mythen unterschiedlichster Völker – die Indianer in der neuen Welt verehrten ihre Tomahawks als reale und symbolische Waffe gleichermaßen – wenn das Kriegsbeil begraben wurde, herrschte Frieden; am anderen Ende der Welt entwickelten die Franken im etwa 5. Jahrhundert ihre „Franziska“, eine so berüchtigte wie berühmt gewordene Wurfaxt, die ein paar Jahrhunderte lang für einigen Schrecken auf den Schlachtfeldern sorgte.
Gut 1500 Jahre später hat ein Nebenpfad in der Evolution der Äxte und Beile mitten in die Sport- und Freizeitnutzung geführt – eine Entwicklung, die sich ähnlich beim Bogenschießen und bei den Sportschützen vollzogen hat. Das zivile Axtwerfen war dem Ursprung nach vermutlich der sportgewordene Zeitvertreib skandinavischer und kanadischer Holzfäller, die ihre gewaltigen Werkzeuge zur Zerstreuung und um die Wette über ordentliche Distanzen in das Holz gefällter Bäume schleuderten. Beidhändig natürlich.
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Guter Moment für eine Begriffsbestimmung: Was ist Axt, was ist Beil und was ist eigentlich der Unterschied? Die Antwort findet sich am Ort unbestreitbarer Expertise, auf der Homepage eines der großen Baumärkte: „Beachten Sie, dass es für jeden Zweck das passende Beil gibt! So verfügt eine spezielle Holzaxt bzw. Spaltaxt über eine enorme Bruchsicherheit und einen langen, ergonomisch geformten Stiel. Ein Beil verfügt hingegen über einen kürzeren Stiel und eine breitere Klinge.“ Oder, noch einfacher: Eine Axt wird mit zwei Händen geführt; ein Beil bedient man einhändig.
Christian Ax staunt nach seinem fulminanten Treffer immer noch ein bisschen: „Das war der erste Wurf in meinem Leben“, sagt er. Aber er hatte wohl gut aufgepasst, als Renè Breitenbach erklärt hatte, worauf man achten muss. Breitenbach veranstaltet regelmäßig eine Art geselliges Axtwerfen, das genau genommen und eigentlich – weil einhändig ausgeführt – ein Beilwerfen ist. Christian Ax wirft gleich noch mal, aber dieses Mal fällt die Axt zu Boden, ohne das Ziel auch nur berührt zu haben. Null Punkte. Tja.
Kontakt
René Breitenbach hat das Axtwerfen in das Programm seiner Abenteuersport-Angebote aufgenommen. Üblicherweise geht es dabei bevorzugt um diverse Wassersportarten; das Spiel mit den Äxten und Beilen aber kann das ganze Jahr über stattfinden über all dort stattfinden, wo ausreichend Platz ist. Informationen und Modalitäten erklärt Breitenbach auf seiner Homepage; eventuelle Einschränkungen wegen Corona-Schutzmaßnahmen sind aktuell berücksichtigt:
www.rb-adventuresports.de
Geworfen wird aus dem Stand, aus einer leichten Schrittstellung heraus mittels einer kreisrunden Bewegung des Wurfarms. Die Axt wird gegriffen, wie man einen Hammer greift, und dann am höchsten Punkt des Kreisschwungs losgelassen; der Rest ist Physik: Auf dem Weg in Richtung Ziel folgt das Gerät den ballistischen Gesetzmäßigkeiten – sie überschlägt sich ein- oder zweimal, je nach Abstand zwischen Werfer und Scheibe. Wer Breitenbachs Erklärungen dazu befolgt, der trifft. Manchmal. Früher oder später.
Üblicherweise ist René Breitenbach mit seiner Axtwurf-Idee inzwischen in halb Nordrhein-Westfalen unterwegs. Angefangen hat das alles anders. „Eigentlich bin ich mit Wassersport groß geworden“, sagt Breitenbach, „im Kanuverein bin ich aufgewachsen.“ In Rodenkirchen hat er dann ziemlich früh als Übungsleiter gejobbt und anderen Menschen beigebracht, was man mit und ohne Boot auf dem Wasser so alles anstellen kann, wenn man es kann: Kanu, Rudern, Rafting und wie man sich auf wackeligen Stand-Up-Paddle-Boards sicher auf dem großen Fluss bewegt.

Da muss er hin! René Breitenbach (r.) erklärt seinen Leuten, worauf es beim Axtwerfen ankommt
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Breitenbach, gelernter Tischler und studierter Brandschutz-Ingenieur, war dabei, seinen beruflichen Traum auf dem Wasser zu leben. Gab aber ein Problem: „Ich brauchte etwas, das ich auch im Winter anbieten kann.“ Bei der Suche stieß Breitenbach, auf das Axtwerfen – „zufällig“, sagt er und wie das dann so ist. Man hatte davon schon gehört – auf Mittelaltermärkten oder bei Westerntreffen gibt es manchmal Stände, an denen mit Messern oder eben auch Äxten geworfen werden kann.
Breitenbach stellte fest, dass es „handliche“ Wurfäxte – mit fantastischen Namen wie „tactical tomahawks“ – frei zu kaufen gibt. „Ich habe mich in das Thema eingelesen, ich habe mir Wurfäxte besorgt und viel geübt“, sagt Breitenbach, „das hat Spaß gemacht.“ Und dann war da der nahe liegende Gedanke: „Wenn es mir Spaß macht – vielleicht macht es auch anderen Leute Spaß.“
Er deckte sich ein mit Tomahawks und Äxten aus dem Baumarkt, einen transportablen Zielscheiben-Holzblock bastelte er selbst und im Oktober 2019 schrieb Breitenbach die erste knappe Notiz zum Thema Axtwerfen auf seine Homepage – und dass er künftig Kurse und Events anbiete. „Zwei Tage später hatte ich die erste Buchung“, sagt er heute. Damit war nicht zu rechnen. In der Folge ging es beinahe Schlag auf Schlag: „Manchmal habe ich zwei, drei Veranstaltungen an einem Tag – Geburtstagen, Junggesellenabschiede, Vereins- oder Firmenfeiern.“ Je nachdem gibt es auch eine Art archaischen Mehrkampf: Axtwerfen, Baumstammwerfen, Tauziehen und Dosenschießen.
Damit wird schon deutlich, dass diese Form von Axtwerfen nicht zwingend in die Kategorie meditativer Präzisions- und Konzentrationssport fällt, in der verschiedene Spielarten des motorisch anspruchsvolleren Bogenschießens anzusiedeln sind. „Es ist eher Spektakel“, sagt Breitenbach, „der meditative Faktor ist nicht sehr ausgeprägt. Das ist beim Bogenschießen anders, da ist der ganze Vorgang komplexer.“ Beim Axtwerfen bedeutsam sind eher Sicherheitsaspekte und – je nach Anlass ein Alkoholverbot.
An diesem Morgen haben sich neun Werfer – Männer und Frauen – in den Rodenkirchener Rheinauen getroffen, um mal zu gucken, wie das so ist. Es ist keine Partygesellschaft, es sind eher Freunde und Bekannte aus Breitenbachs Kanuclub-Umfeld. Was man schnell lernt: Das Werfen ist eine Frage der Technik, das Treffen hingegen ist eine Frage des Abstands zwischen Werfer und Ziel. „Interessantes Gefühl“, sagt Martina Ferro-Tute nach ihrem Premierenversuch. Die Axt steckt kopfüber im Ziel, so war das eigentlich nicht gedacht. „Hauptsache Holz“, sagt sie.
Und ja, da war es wieder: Dieses satte Geräusch.