Nach der Gefangennahme von zwei chinesischen Kämpfern werden mehr Informationen bekannt. Peking weist die Vorwürfe derweil zurück.
Details zu Chinesen in Putins Armee„Die Russen sehen uns nicht als menschliche Wesen an“

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat Videoaufnahmen von der Vernehmung chinesischer Kriegsgefangener veröffentlicht.
Copyright: Wolodymyr Selenskyj/Präsidialamt der Ukraine/X
Nach der Gefangennahme von zwei auf russischer Seite in der Ukraine kämpfenden Chinesen hat Kiew die Vorwürfe gegen Peking verschärft. Es handle sich nicht um Einzelfälle, betonte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj bei seiner abendlichen Videobotschaft. „Wir haben auch Informationen über andere chinesische Bürger in der russischen Armee mit Namen und Kampfnamen sowie Beschreibungen der konkreten Art und Weise, wie diese Soldaten in das russische Besatzungskontingent gelangten.“
In einer Pressekonferenz kurz zuvor hatte Selenskyj die Zahl der Chinesen in der russischen Armee mit mindestens 155 angegeben. Die ukrainische Zeitung „Kyiv Independent“ berichtete unterdessen über ein Geheimdienstdokument, in dem von 163 chinesischen Staatsbürgern in den russischen Streitkräften die Rede sei.
Kiew: Mindestens 155 chinesische Kämpfer in der russischen Armee
Zu den von Selenskyj erwähnten 155 Menschen habe Kiew inzwischen alle Angaben einschließlich der Passdaten, sagte Selenskyj. Die beiden chinesischen Gefangenen, die inzwischen in Kiew befragt würden, werde die Ukraine nur im Austausch gegen eigene Kriegsgefangene freigeben, sagte er auf der Pressekonferenz.
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Die zwei Kriegsgefangenen werden unterdessen nun verhört, hieß es aus Kiew. Die Gefangenen hätten keine Kampfverletzungen, würden aber die notwendige medizinische Versorgung erhalten und unter angemessenen Bedingungen gemäß dem Völkerrecht festgehalten, teilte der Sicherheitsdienst der Ukraine (SBU) mit. Beide geben demnach an, bei ihrem ersten Kampfeinsatz gefangen genommen worden zu sein.
Gefangene Chinesen: Ukraine veröffentlicht Vernehmungsvideos
Einer der beiden Männer sei arbeitslos gewesen und von einem russischen Mittelsmann in China angeworben worden. Er sei im Februar in Moskau eingetroffen und habe dort einen Vertrag bei den Streitkräften unterschrieben, hieß es weiter. Der andere Chinese sei zunächst als Tourist nach Russland eingereist und habe sich dann selbst bei der Armee beworben, nachdem er eine Anzeige gesehen hatte, in dem mit einer hohen Summe für die Unterschrift geworben wurde.
Die ukrainischen Behörden haben unterdessen auch Videos von den Verhören veröffentlicht. „Es war mein erster Einsatz, mein erster Kampfeinsatz“, sagt dort einer der Männer laut Dolmetscher. „Zuvor hatte ich noch nie an Kampfhandlungen teilgenommen und bevor ich dorthin kam, hatte ich noch nie eine Waffe in der Hand.“ Von der russischen Armee sei er dann mit einer AK-74 ausgestattet worden, berichtete der Gefangene weiter.
„Bevor ich dorthin kam, hatte ich noch nie eine Waffe in der Hand“
Der andere Mann erklärte laut den ukrainischen Dolmetschern, dass die russische Armee nach seiner Festnahme „eine Art Bombe mit Gas“ über seiner Stellung abgeworfen habe. „Er war in einem Schutzraum, dort hat er das Gas eingeatmet“, fasste der Dolmetscher die Worte des Gefangenen zusammen. Die ukrainischen Soldaten hätten ihn dann jedoch aus dem Schutzraum geholt, dann sei er ohnmächtig geworden, erklärte der Chinese demnach weiter. Überprüfen lassen sich diese Angaben nicht.
Bereits bei der Gefangennahme von nordkoreanischen Soldaten hatte es jedoch entsprechende Vorwürfe gegeben. Selenskyj hatte damals erklärt, dass Russland versuche, die Verhaftung nordkoreanischer Soldaten mit allen Mitteln zu verhindern und dabei auch in Kauf nehme, dass die Kämpfer getötet werden. „Wir können sehen, dass das russische Militär und die nordkoreanischen Vollstrecker überhaupt kein Interesse am Überleben dieser Koreaner haben“, hatte Selenskyj damals erklärt.
Kriegsgefangene in der Ukraine: Kritik an Veröffentlichung von Videos
Dass die Ukraine derartige Videoaufnahmen von der Vernehmung von Kriegsgefangenen veröffentlicht, war in der Vergangenheit immer wieder kritisiert worden. Die Genfer Konvention besagt, dass Kriegsgefangene vor „öffentlicher Neugier“ geschützt werden, so die Kritiker.
Problematisch seien derartige Veröffentlichung jedoch vor allem dann, wenn „Gefangene in entwürdigenden Situationen“ gezeigt oder in anderer Form „herabgesetzt“ werden, hatte Stefan Oeter, Professor an der Fakultät für Rechtswissenschaften der Universität Hamburg, dazu gegenüber der „Tagesschau“ erklärt. Nicht alle Videos von Kriegsgefangenen seien demnach zwangsläufig ein Verstoß gegen die Konventionen, so Oeter.
China weist ukrainische Vorwürfe zurück
In seiner Videobotschaft wies Selenskyj darauf hin, dass die auf russischer Seite kämpfenden Chinesen im Widerspruch zur offiziellen Position Pekings stünden. China habe immer vor einer Eskalation des Kriegs gewarnt. Genau eine solche Eskalation stelle die Beteiligung chinesischer Kämpfer aber dar. Daher sei eine harte Reaktion erforderlich. „Das Besatzungskontingent verstärken – und von Frieden sprechen – sind zwei einander ausschließende Sachen“, sagte Selenskyj.

Ein ukrainischer Panzer schießt nahe Bachmut auf eine russische Stellung. Die Gefechte in der Ukraine dauern an.
Copyright: Anatolii Stepanov / AFP
China, das sich offiziell neutral gibt, hatte zuvor den Vorwurf zurückgewiesen, dass eigene Bürger an der russischen Invasion in der Ukraine beteiligt seien. Dies seien haltlose Behauptungen. Die chinesische Regierung habe ihre Bürger stets aufgefordert, sich von Gebieten mit militärischen Konflikten fernzuhalten.
„Das offizielle Peking weiß davon“
„Das offizielle Peking weiß davon“, erklärte Selenskyj unterdessen. „Die Russen verbreiten über chinesische soziale Netzwerke Werbevideos zur Rekrutierung. Es handelt sich nicht um geheime Rekrutierung“, fügte der ukrainische Präsident hinzu. Insbesondere TikTok spiele dabei eine Rolle, erklärte Selenskyj.
Einer der beiden Kriegsgefangenen aus China soll laut einer ukrainischen Online-Zeitung sogar Geld dafür bezahlt haben, um russischer Soldat zu werden. Die Summe habe umgerechnet rund 3.100 Euro betragen, berichtete die „Ukrajinska Prawda“, die Aussicht auf einen russischen Pass sei der Grund für die Entscheidung des Chinesen gewesen, hieß es dort weiter.
Misshandlungen in russischer Armee: Chinesen beklagen sich auf TikTok
Die britische Zeitung „The Times“ berichtete unterdessen über weitere Inhalte aus den Vernehmungen mit den nun gefangengenommenen Kämpfern. Demnach habe einer der beiden Chinesen berichtet, dass er in der russischen Armee „misshandelt“ worden sei.
„Er kam nachts zu unseren Stellungen und hat sich ergeben. Die Russen hatten ihn übel zugerichtet und ließen ihn nicht einmal essen.“ Nachdem er mit Nahrung versorgt worden sei, habe der chinesische Gefangene begonnen, sich zu äußern, zitierte „The Times“ eine Quelle aus ukrainischen Militärkreisen.
„Die Russen sehen uns nicht als menschliche Wesen an“
Zudem gebe es Indizien dafür, dass eine ganze Reihe von Chinesen in der russischen Armee Dienst tun, berichtete die Zeitung weiter. So seien auf Douyin, der chinesischen Version von TikTok, immer wieder Videos aufgetaucht, in denen Chinesen aus der Ukraine berichtet hätten. Demnach erhalten die Kämpfer rund 2.300 Euro als Monatsgehalt.
Auch in den dort kursierenden Videos hätten sich einige der Soldaten über die russischen Streitkräfte beklagt. „Die Russen sehen uns nicht als menschliche Wesen an. Wir kämpfen wie ein Selbstmordkommando und es ist ihnen egal, ob wir sterben oder verletzt werden“, zitierte „The Times“ aus einem der Videos.
Russland reagierte unterdessen am Donnerstagnachmittag erstmals auf die Vorwürfe aus Kiew. „Das ist nicht so“, erklärte Dmitri Peskow. „China nimmt eine ausgewogene Position ein, China ist unser strategischer Partner, Freund, Genosse, und China hat immer eine sehr, sehr ausgewogene Position eingenommen“, versicherte der Kremlsprecher russischen Nachrichtenagenturen zufolge.