Nach der Freigabe aus den USA macht sich in Russlands Grenzregionen Unruhe breit. Annalena Baerbock begrüßt den Schritt derweil.
„Völlig beschissene Situation“Unruhe und Fluchtgedanken in Russland nach Freigabe für US-Raketen
Nach der Freigabe aus Washington für die Ukraine für Angriffe mit US-Raketen auf Ziele in Russland, gibt es nervöse Reaktionen in den russischen Grenzregionen. Während der Kreml die Entscheidung von US-Präsident Joe Biden vergleichsweise zurückhaltend kommentierte und auf „neue Spannungen“ verwies, die aus der Entscheidung folgen würden, macht sich nahe der ukrainischen Grenze in Russland nun Unruhe breit.
Rund 300 Kilometer ist die Reichweite der leistungsstärksten US-Raketen im ukrainischen Arsenal. Die Abschussrampen der ATACMS-Raketen werden jedoch meist nicht direkt an der Grenze aufgestellt – zu groß ist das Risiko eines russischen Gegenschlags. Tatsächlich dürften für die Ukraine nun also Ziele mit einer Entfernung von circa 250 Kilometern innerhalb Russlands erreichbar sein.
„Heftige Reaktionen“ in Russland nach US-Raketen-Entscheidung
Bei ATACMS handelt es sich um ballistische Raketen. Die Zerstörungskraft der Geschosse hat sich Kriegsverlauf bereits bei einigen ukrainischen Angriffen innerhalb der besetzten Gebiete und auf der Krim gezeigt. Nun stehen Kiew neue Möglichkeiten offen – und für die Bewohner in den russischen Grenzregionen ändert sich die Lage.
Dort laufen nun die Vorbereitungen auf mögliche Angriffe der Ukraine. „Karten mit dem Radius der Raketen“ würden unter Kollegen verschickt, berichtet das unabhängige russische Medium „Verstka“ am Montag von mitunter „heftigen Reaktionen“ insbesondere in der Region Woronesch, die an die umkämpften Gebiete Belgorod und Kursk grenzt.
Fluchtgedanken in Russland wegen „völlig beschissener Situation“
Die Situation sei „völlig beschissen“, habe ein örtlicher Beamter erklärt, berichtete „Verstka“. Auch Überlegungen „die Sachen zu packen“ und die eigenen Verwandten „weit weg“ zu bringen, habe es bei den örtlichen Beamten in Woronesch gegeben, hieß es weiter. Bisher versuche man sich jedoch damit zu beruhigen, dass die Ukraine wohl keine teuren ATACMS-Raketen aufbieten werde, um nicht-militärische Ziele zu attackieren.
Der örtliche Militärflugplatz sei zudem bereits seit längerer Zeit geräumt worden, erklärte einer der Beamten. Alle dort befindlichen „Objekte“ seien bereits verlegt worden, hieß es aus Woronesch. Außerdem sei die Region „gut durch die Luftverteidigung abgedeckt“, zitierte „Verstka“ die örtlichen Verwaltungsbeamten weiter.
Russischer Beamter rät Bewohnern „ihre Nerven zu schonen“
Seit der Freigabe für ATACMS-Angriffe auf Ziele in Russland habe die Lokalregierung jedoch ihre Kommunikationsarbeit deutlich intensiviert, berichtet das russische Medium. Wenige Minuten nach Berichten über „Lichtblitze“ in der Region gab der Pressedienst der Regionalverwaltung am Montag bereits Entwarnung – und somit deutlich schneller als aus den letzten Monaten bekannt, heißt es bei „Verstka“. Ein Beamter riet den Bewohnern der Region nun dazu, „ihre Nerven zu schonen“, man werde sie schließlich noch „brauchen“.
Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock hat derweil mit Zustimmung auf die US-Berichte reagiert. Es gehe jetzt darum, „dass die Ukrainer nicht warten müssen, dass die Rakete über die Grenze fliegt, sondern dass man die militärischen Abschussbasen, dass man von dort, wo die Rakete geflogen wird, dass man das zerstören kann“, sagte die Grünen-Politikerin im rbb Inforadio. Dies sei im Rahmen des Selbstverteidigungsrechts jedes Landes.
„Jede Rakete auf die Menschen in der Ukraine ist auch ein Angriff auf unseren Frieden in Europa“, schrieb Baerbock zudem auf der Plattform X. Putin bombardiere gezielt Kraftwerke und Wärmeversorgung. Der Kremlchef wolle „nicht verhandeln, sondern die Ukraine unterwerfen“, erklärte Baerbock. „Wir müssen gemeinsam die Kraft haben, unseren Frieden zu schützen.“
Olaf Scholz bleibt bei Nein zu Taurus-Marschflugkörpern
Es sei zudem schon lange bekannt, dass die Grünen „das genauso sehen wie unsere osteuropäischen Partner, wie die Briten, wie die Franzosen und auch wie die Amerikaner“, führte Baerbock aus.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte sich hingegen stets gegen grünes Licht für Kiew ausgesprochen. Auch deutsche Taurus-Marschflugkörper will Scholz nicht an die Ukraine liefern. Die SPD bekräftigte den Kurs des Kanzlers am Montag erneut. Auch nach der Entscheidung in Washington wolle Scholz die Marschflugkörper nicht liefern, hieß es aus Berlin. (das/dpa)