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Freigabe für Schläge mit US-RaketenMoskau droht mit Antwort, Wagenknecht sieht „Wahnsinn“ und Trump Jr. tickt aus

Lesezeit 6 Minuten
Aus Washington gibt es nun offenbar grünes Licht für den Einsatz von ATACMS-Raketen gegen Ziele in Russland. Aus Moskau kommen Drohungen – auch im Lager des kommenden US-Präsidenten Donald Trump gibt es schrille Töne. (Archivbild)

Aus Washington gibt es nun offenbar grünes Licht für den Einsatz von ATACMS-Raketen gegen Ziele in Russland. Aus Moskau kommen Drohungen – auch im Lager des kommenden US-Präsidenten Donald Trump gibt es schrille Töne. (Archivbild)

Joe Biden gibt offenbar grünes Licht für Angriffe auf Ziele in Russland. Die Reaktionen sind schrill – nicht nur in Moskau, auch in den USA.

Die Erlaubnis für die Ukraine von US-Präsident Joe Biden für den Einsatz von amerikanischen Raketen mit größerer Reichweite gegen Ziele in Russland hat für Warnungen vor einer „Eskalation“ aus Moskau und Wirbel in den USA gesorgt.

Aus dem Umfeld von Bidens designiertem Nachfolger Donald Trump wurde scharfe Kritik an der Entscheidung des scheidenden US-Präsidenten laut. In Deutschland begrüßten derweil Vertreter von CDU, FDP und Grünen die Freigabe für Angriffe auf Ziele in Russland. BSW und AfD verurteilten Bidens Entscheidung.

Selenskyj bestätigt Freigabe indirekt: „Raketen werden für sich sprechen“

Konkret geht es um die Freigabe für den Einsatz von ATACMS-Raketen mit einer Reichweite von rund 300 Kilometern zur Verteidigung der ukrainischen Streitkräfte in der von der Ukraine besetzten westrussischen Region Kursk. Mehrere große US-Medien hatten über die Freigabe unter Berufung auf US-Regierungskreise berichtet.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat die Entscheidung schließlich indirekt bestätigt. Es habe viele Berichte dazu gegeben, aber „solche Dinge“ kündige man nicht an, erklärte Selenskyj am Sonntag und fügte vielsagend an: „Die Raketen werden für sich sprechen, das werden sie sicher.“

Moskau spricht von „Bloody Joe“ und warnt vor „härtester Antwort“

Moskau reagierte derweil mit scharfen Tönen. Die Entscheidung in Washington werde „unweigerlich zu einer ernsthaften Eskalation führen, die weitaus schwerwiegendere Folgen haben könnte“, zitierte die staatliche Nachrichtenagentur Tass den Vorsitzenden des Ausschusses für internationale Angelegenheiten in der Duma, Leonid Slutsky.

Präsident Biden habe offenbar beschlossen, „als ‚Bloody Joe‘ in die Geschichte einzugehen“, erklärte der Politiker. Sollten die Medienberichte zutreffen, handele es sich um „eine direkte Beteiligung der USA an dem militärischen Konflikt in der Ukraine“, schilderte Slutsky die Moskauer Sicht der Dinge. Russland werde darauf „unweigerlich die härteste Antwort“ geben, drohte der russische Abgeordnete.

Kein (neuer) Kommentar von Wladimir Putin zur „roten Linie“

Der Kreml selbst reagierte am Sonntag zunächst nicht. Moskau hatte die Erlaubnis für Angriffe auf Ziele in Russland zuvor stets als „rote Linie“ bezeichnet. Das russische Außenministerium verwies am Sonntag auf ältere Aussagen des Kremlchefs. „Der Präsident hat zu dieser Angelegenheit gesprochen“, sagte Sprecherin Maria Sacharowa gegenüber russischen Medien.

Reagierten zunächst nicht auf die Entscheidung in den USA: Kremlchef Wladimir Putin zusammen mit seinem Sprecher Dmitri Peskow. (Archivbild)

Reagierten zunächst nicht auf die Entscheidung in den USA: Kremlchef Wladimir Putin zusammen mit seinem Sprecher Dmitri Peskow. (Archivbild)

Eine Freigabe für Angriffe mit westlichen Raketen auf Ziele in Russland bedeute, „dass sich die USA und die europäischen Länder im Krieg mit Russland“ befinden, hatte Putin im September gewarnt. Ein solcher Schritt stelle eine „wesentliche Veränderung“ der Lage dar, erklärte der Kremlchef und kündigte für diesen Fall „angemessene Entscheidungen auf der Grundlage der Bedrohungen, die für uns entstehen“ an.

Am Montag erklärte Kremlsprecher Peskow dann, der Schritt sorge für eine „neue Spannung und eine qualitativ neue Situation im Hinblick auf die Beteiligung der Vereinigten Staaten an diesem Konflikt.“

Moskau sieht Störfeuer für möglichen Deal mit Donald Trump

„Die Biden-Regierung muss verstehen, dass sie dem Trump-Team nicht nur das Problem der Beilegung des Ukraine-Konflikts überlässt, sondern auch das noch akutere Problem der Verhinderung einer globalen Konfrontation“, warnte der Duma-Abgeordnete Slutsky derweil. Auch die russischen Staatsmedien widmeten sich ausführlich der Frage, wie der designierte US-Präsident Donald Trump auf die Entscheidung von Biden reagiert – und ob Trumps „Friedensplan“ für die Ukraine davon betroffen sein könnte.

Dass Washington in den letzten Monaten von Bidens Amtszeit grünes Licht für Raketenschläge auf Ziele in Russland geben könnte, war von Moskaus Propagandisten bereits länger als mögliches Störfeuer für einen Deal zwischen Trump und Putin prophezeit worden. Wie eine Einigung zwischen Trump, Putin und Kiew aussehen könnte, ist derweil weiterhin völlig offen. Berichten zufolge könnte Trump die Ukraine durch das Ende von Waffenlieferungen an den Verhandlungstisch zwingen wollen.

Wut im Trump-Lager nach Entscheidung von Joe Biden

Tatsächlich scheint man in Trumps Umfeld die Entscheidung als Störfeuer zu betrachten. „Auf dem Weg aus dem Amt versucht Joe Biden auf gefährliche Weise, den dritten Weltkrieg zu beginnen“, polterte die US-Abgeordnete und glühende Trump-Unterstützerin Marjorie Taylor Greene auf X. Die amerikanischen Wähler hätten bei der Wahl ein Mandat gegen derartige Entscheidungen erteilt. „Das Volk will keine Kriege im Ausland finanzieren oder führen“, behauptete Taylor Greene. „Schluss damit, es muss aufhören.“

„Liberale lieben den Krieg“, schrieb derweil auch der republikanische Senator Mike Lee auf X – und bekam dafür prompt Zustimmung von Tech-Milliardär und Trump-Fan Elon Musk. „Wahr“ schrieb Musk, der X (ehemals Twitter) 2022 gekauft hatte und zu einer Wahlkampfmaschine für Trump umgebaut hat, zu Lees Beitrag.

„Wie Trump während seines Wahlkampfs sagte, ist er der Einzige, der die Konfliktparteien zusammenbringen kann, um Frieden auszuhandeln“, erklärte derweil Trumps Sprecher Stephen Chun gegenüber dem US-Sender CNN.

Trump Jr. poltert und Elon Musk sieht Kriegstreiberei

Die schrillsten Worte kamen unterdessen von einem der Söhne des kommenden US-Präsidenten. „Der militärisch-industrielle Komplex scheint den Dritten Weltkrieg ausbrechen lassen zu wollen, bevor mein Vater eine Chance hat, Frieden zu schaffen und Leben zu retten“, schrieb Donald Trump Jr. bei X und behauptete, es ginge darum, „Billionen Dollar“ einzufahren. Biden und seine Regierung bezeichnete Trump Jr. als „Schwachköpfe“.

Ähnliche Töne wie aus dem Trump-Lager und aus Moskau kamen in Deutschland vom Bündnis Sahra Wagenknecht: „Es ist verantwortungslos von Biden, als abgewählter Präsident an der Eskalationsschraube zu drehen“, schrieb die Parteichefin selbst bei X. Russlands Antwort werde „noch mehr Menschen das Leben kosten“, außerdem wachse „die Gefahr, dass der Krieg sich auf ganz Europa ausweitet“, behauptete Wagenknecht und forderte einen Waffenstillstand.

Wagenknecht-Partei attestiert Joe Biden „unverantwortlichen Wahnsinn“

Sevim Dağdelen, außenpolitische Sprecherin des BSW, sprach derweil von „unverantwortlichem Wahnsinn“ angesichts der Entscheidung in Washington. „Vor dem Abtritt wollen die demokratischen Wahlverlierer offenbar noch in den ganz großen Krieg gegen Russland schlafwandeln. Das Risiko tragen vor allem die Menschen in Europa“, behauptete Dağdelen. Ähnlich sah man es auch bei der AfD: „Diese Politik schadet und gefährdet Deutschland“, verkündete Parteichef Tino Chrupalla am Sonntag bei X.

CDU, FDP und Grüne begrüßten das grüne Licht von Biden. „Lieber spät als nie“, befand Marie-Agnes Strack-Zimmermann. Es sei „sehr gut“, dass der US-Präsident die Entscheidung gegen Ende seiner Amtszeit nun doch getroffen habe, fügte die FDP-Politikerin an.

CDU, FDP und Grüne begrüßen Entscheidung: „Lieber Kanzler, …“

Die Freigabe für Angriffe auf Ziele in Russland sei „überfällig“, erklärte auch Roderich Kiesewetter. Es werde nun Zeit, dass Biden „weitere überfällig Entscheidungen“ treffe, forderte der CDU-Verteidigungspolitiker – und benannte konkret weitere Waffenlieferungen und die Nato-Einladung für die Ukraine.

„Lieber Bundeskanzler, einfach alles so machen wie der US-Präsident jetzt“ schrieb derweil der Grünen-Abgeordnete Sebastian Schäfer, wohl auch mit Blick auf die vorherigen Aussagen des frisch gewählten Kanzlerkandidaten der Grünen, Robert Habeck, der am Sonntag erklärt hatte, im Gegensatz zu Scholz würde er der Ukraine deutsche Taurus-Marschflugkörper als Kanzler liefern.

Der Artikel wurde nachträglich mit der Stellungnahme von Kremlsprecher Dmitri Peskow überarbeitet.