Nach der US-Wahl richtet Russland den Blick nach Deutschland. Seit dem Ampel-Aus kommen nahezu täglich hämische Kommentare aus Moskau.
„Eine klassische Bananenrepublik“Ampel-Aus, Steinmeier-Wut, ARD-Journalist – Moskau nimmt Deutschland ins Visier
Gleich mehrfach hat sich Moskau zur Lage in Deutschland geäußert, nachdem Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in der letzten Woche die Vertrauensfrage angekündigt und damit den Weg zu Neuwahlen freigemacht hat. Kurz nach Bekanntwerden des Koalitionsbruchs in Deutschland hatte sich zunächst Maria Sacharowa, Sprecherin des russischen Außenministeriums, mit hämischen Zeilen zu Wort gemeldet.
Das Ampel-Aus habe Deutschlands „Hauptproblem“ offengelegt, erklärte Sacharowa in ihrem Telegram-Kanal und präsentierte schnell ihren plumpen Befund: „Es ist eine klassische Bananenrepublik.“ Gleichzeitig verbreitete die Außenamtssprecherin bewährte russische Propaganda: Deutschland sei nur Vasall der Vereinigten Staaten, der nicht einmal mehr so tue, „als ob die Regierung unabhängig sei“, es sei außerdem „Masochismus“, auf die „lebenswichtigen“ russischen Gaslieferungen zu verzichten, betete Sacharowa übliche Moskauer Narrative herunter.
Schrille Signale: Rückt nach der US-Wahl nun Deutschland in den Fokus?
Die Wortmeldung sollte nur der Auftakt sein für eine ganze Reihe von mitunter schrillen Botschaften aus Moskau – und nicht nur von dort. Auch der belarussische Diktator Alexander Lukaschenko sah sich schnell dazu berufen, das Ampel-Aus zu kommentieren – und gab dabei gleich den Startschuss zur Einmischung in den kommenden Wahlkampf.
„Deutschland hat angefangen zu taumeln“, befand Lukaschenko laut der Staatsagentur Belta. „Schmeißt diesen Scholz aus dem Amt und Deutschland wird sich wieder fangen“, erklärte der treue Gefolgsmann von Kremlchef Wladimir Putin. „Die Deutschen sind nicht dumm, sie werden die Regierung dazu bringen, so zu arbeiten, wie sie sollte“, orakelte der Diktator und stellte ähnlich wie die populistischen Parteien an den politischen Rändern in Deutschland indirekt „billige Energie“ und „billiges Gas“ als Belohnung für eine Rückkehr zum Handel mit Russland in Aussicht.
Wladimir Putin prophezeit „Veränderungen“ in Deutschland
Die scharfen Töne kommen nicht überraschend. „Noch in dieser Woche hat die russische Duma in einer Erklärung das deutsche Volk und das deutsche Parlament aufgefordert, Olaf Scholz abzusetzen“, hatte der Russland-Experte Matthäus Wehowski schon anlässlich der Europawahlen im Sommer gewarnt. Moskau verstecke seine Absichten nicht, auf die deutsche Politik einzuwirken, erklärte Wehowski damals im „Kölner Stadt-Anzeiger“.
Tatsächlich prophezeite Putin für Deutschland bereits im März „grundlegenden Veränderungen“ in der Zukunft. „Man muss geduldig sein und daran arbeiten“, zitierten russische Medien den Kremlchef. Moskau wolle die Bundesregierung zu Fall und eine „antiliberale, möglichst leicht korrumpierbare Regierung“ in Deutschland an die Macht bringen und dort halten, warnte Wehowski damals. Putin sei es „völlig egal“, ob das „besonders rechte oder besonders linke“ Regierungen seien, so der Historiker. „Hauptsache antiwestlich, antiliberal und leicht bestechlich.“
Habeck warnt vor Wagenknecht und AfD: „Indirekt mit Putin verhandeln“
Einige Monate später ist die Ampel zerbrochen – und die russlandfreundlichsten deutschen Parteien, AfD und das Wagenknecht-Bündnis, durften sich über Erfolge bei der Europawahl und den Landtagswahlen in Ostdeutschland freuen. In den Bundeswahlkampf starten beide Parteien nun mit starken Umfragewerten und guter Ausgangslage.
Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck warnt deshalb nun bereits vor einer drohenden Sperrminorität durch die beiden im Kreml beliebten Oppositionsparteien. Die könnten BSW und AfD nutzen, um weitere Sondervermögen für die Bundeswehr zu blockieren, erklärte Habeck. „Ob unsere Bundeswehr genug finanzielle Ressourcen hat“, müsse dann „quasi indirekt mit Putin verhandelt werden“, spielte Habeck auf den prorussischen Kurs der Parteien an. „Keine gute Idee“, erklärte der Grünen-Politiker und regte an, noch vor der Wahl ein neues Sondervermögen durchzubringen.
Moskau kommentiert Wutausbruch von Frank-Walter Steinmeier
Dass Moskau so wie zuletzt in den USA versuchen wird, auch in Deutschland den Wahlkampf zu beeinflussen, scheint sicher. Nahezu täglich versuchen Russlands Vertreter für neuen Wirbel zu sorgen. Ob Elon Musks Beschimpfung von Olaf Scholz als „Narr“ oder die Berichte über einen Wutausbruch von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier – Moskau hat zu allem einen Kommentar über.
„Mein Beileid an die Deutschen; ihr Land hat seit 80 Jahren keine so verrückten Herrscher mehr gesehen“, schrieb Sacharowa also über Steinmeier, ehe sie die Gelegenheit auf vulgäre Weise nutzte, mal wieder eine gute Prise Antiamerikanismus in ihrem Statement unterzubringen.
Provokante Worte aus Moskau: „Pornofilm der Kategorie B“
Wenn die Deutschen nicht aufwachten, werde das Land „weiterhin die Hauptrolle in einem amerikanisch-deutschen Pornofilm der Kategorie B mit dem Titel ‚Nackt auf dem Trampolin‘ spielen“, pöbelte die Außenamtssprecherin, die kurz vor dem Ampel-Aus bereits behauptet hatte, Annalena Baerbock habe „gewöhnliche, fleißige Deutsche“ mit der Unterstützung für die Ukraine „ausgeraubt“.
Die Erzählung, die finanziellen Mittel für die Ukraine gingen zulasten von „gewöhnlichen Deutschen“, hat Sacharowa derweil nicht exklusiv – auch BSW und AfD setzten im Wahlkampf bereits auf das populistische Argument.
Die jüngste von Sacharowas Wortmeldungen in Richtung Deutschland galt schließlich dem ARD-Journalisten Hajo Seppelt. Laut einem Bericht der „Berliner Zeitung“ hat Seppelt eine Unterlassungserklärung unterzeichnet, nachdem er Alischer Usmanow, dem Präsidenten des internationalen Fechtverbandes, bei den Olympischen Spielen in Paris ein „System der Richterbestechung“ vorgeworfen hatte, ohne Belege dafür vorzulegen.
Russisches Außenministerium geht auf ARD-Journalisten los
Sacharowa kommentierte den Bericht ausführlich in ihrem Telegram-Kanal. Der ARD-Journalist sei ein „Lügner“ und „Verleumder“, der den russischen Sport „auf jede erdenkliche Weise diskreditiert“ habe und dabei von deutschen Behörden unterstützt werde, polterte Sacharowa. Auch die USA wob die schreibfreudige Sprecherin mal wieder ein. Seppelt habe im Auftrag der amerikanischen Fechter gearbeitet, behauptete sie – Belege für ihre Behauptung legte Sacharowa nicht vor.
Die Unabhängigkeit Deutschlands und Europas infrage zu stellen, war zu Wochenbeginn schließlich auch das Ansinnen des größten Moskauer Lautsprechers. „Es ist wirklich zum Lachen, wenn man die entsetzten Gesichter der europäischen Establishment-Köter sieht, die Trump früher einen russischen Agenten nannten und die sich jetzt in die Hose machen, weil sie ihrem neuen Herrn eilig die Stiefel küssen wollen“, polterte Dmitri Medwedew, früherer Präsident und nunmehriger Vizechef des russischen Sicherheitsrates, in bekanntem Tonfall auf der Plattform X.
Deutschland nach Trumps Triumph im Fokus: „Dann geht es hier weiter“
Nachdem Moskaus Wunschkandidat in den USA die Wahl gewonnen hat, dürften nun Europa und insbesondere die wichtigen politischen Weichenstellungen in Deutschland in den russischen Fokus rücken. Bereits die russische Propaganda zur US-Wahl habe „mit Blick auf die Bundestagswahl“ gezeigt, was auf Deutschland zukomme, hatte der Kölner Politologe Thomas Jäger bei X bereits kurz vor Trumps Triumph gewarnt: „Dann geht es hier weiter.“