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„Wagner-Hammer“ wird zum SymbolPrigoschin-Kult und Angst vor „Tausenden Mördern“ in Russland

Lesezeit 5 Minuten
Ein Kämpfer der privaten Wagner-Militärs steht an einer informellen Gedenkstätte neben dem ehemaligen "PMC-Wagner-Zentrum". Der russische Söldnerführer Prigoschin ist nach Angaben seines Telegram-Kanals Grey Zone vom Mittwoch tot. Von offizieller Seite steht eine Bestätigung aus. Nach russischen Behördenangaben stand er aber auf der Passagierliste eines abgestürzten Flugzeugs. +++ dpa-Bildfunk +++

Ein Kämpfer der Wagner-Gruppe steht an einer informellen Gedenkstätte neben dem Hauptquartier der Wagner-Söldner in St. Petersburg. Anderswo sorgt die Rückkehr der Söldner für Angst.

Politiker kriegen nun Hämmer und Wagner-Mörder verbreiten Schrecken. Prigoschin hinterlässt Russland ein brutales Erbe.

Jewgeni Prigoschin mag tot sein, doch die Kultur der rohen Gewalt, die der Wagner-Chef in seiner Söldnertruppe etabliert hat, scheint einen dauerhaften Platz in der russischen Gesellschaft zu finden. Das Erbe Prigoschins ist eines aus rohen Sitten und äußerster Brutalität – das manifestiert sich kurz nach seinem Tod bereits deutlich.

So hat der Gouverneur der Region Perm dem neuen Oberbürgermeister der gleichnamigen Großstadt zum Amtsantritt einen massiven Vorschlaghammer überreicht, das berichtet die russische Nachrichtenagentur Ria Novosti am Montag.

Jewgeni Prigoschins Erbe: Russischer Bürgermeister bekommt Vorschlaghammer

„Er wiegt zwischen 16 und 18 Kilogramm“, erklärte Dmitri Makhonin demnach. „Neben der Fitness kann der Hammer auch dazu verwendet werden, bürokratischen Unsinn aus den Köpfen zu schlagen“, führte der Gouverneur aus. „Lassen Sie diesen Hammer Ihnen helfen, die Zukunft von Perm und der Region zu gestalten“, wandte Makhonin sich an den neuen Bürgermeister der Millionenstadt, Eduard Sosnin.

Der Vorschlaghammer ist seit Beginn des völkerrechtswidrigen Angriffskrieges gegen die Ukraine zum wohl bekanntesten Sinnbild für die Brutalität der Wagner-Söldner geworden. Im November vergangenen Jahres sorgte ein Video der Exekution eines vermeintlichen Wagner-Mitglieds für internationales Entsetzen.

Wagner-Söldner: Exekution mit Vorschlaghammer sorgt für weltweites Entsetzen

Der Mann, der den Aufnahmen zufolge mit einem Vorschlaghammer getötet wurde, sei ein „Verräter“ gewesen, hatte Wagner-Chef Prigoschin damals erklärt. Über Wagner-Kanäle wurde das Video mit dem Titel „Der Hammer der Rache“ verbreitet. Nun sei der Hammer „zu einem der Symbole der russischen Welt“ geworden, kommentierte Anton Geraschtschenko, Berater des ukrainischen Innenministeriums.

Die Hinrichtung durch den Hammer ist nur ein Beispiel für die Brutalität der Söldner, die sich zu großen Teilen aus ehemaligen Häftlingen zusammensetzen. Mit einer Sonderregel hatte Russland der Söldnergruppe gestattet, ihre Kämpfer direkt in Russlands Gefängnissen zu rekrutieren.

Wagner-Gruppe rekrutiert verurteilte Mörder und Vergewaltiger als Söldner

In der Folge wurden Tausende verurteilte Gewalttäter – darunter Mörder und Vergewaltiger – an der Front in der Ukraine eingesetzt. Nach sechs Monaten im Kampfeinsatz, so der kolportierte Deal für die Häftlinge, wartete dann die Freiheit auf die Schwerkriminellen.

Bereits seit Wochen führt dieses Erbe Prigoschins zu Sorgen bei Angehörigen der damaligen Opfer der nun mehr entlassenen kriminellen Wagner-Kämpfer. „Ich konnte meinen Augen nicht trauen, ich habe gesagt, dass es nicht er war, sondern Photoshop“, schilderte Wladimir Pekhtelev die Panik, die die Rückkehr der Wagner-Kämpfer in der Heimat auslösen kann. Zuvor war bekannt geworden, dass der Mörder von Pekhtelevs Nichte, Vera Pekhteleva, als Wagner-Kämpfer in der Ukraine kämpfte – und danach in seine Heimat in Sibirien zurückkehren will.

Russland: Wagner-Söldner foltert Frau zu Tode – und gilt nun als Held

Der Mord an Pekhteleva, der hier beispielhaft für dutzende derartiger Fälle steht, hatte im Jahr 2020 für einen Aufschrei in Russland gesorgt – obwohl Gewalt gegen Frauen dort kein viel beachtetes Thema ist. Ihr Mörder und jetziger Wagner-Söldner, Wladislaw Kanyus, hatte die junge Frau stundenlang gefoltert. Die Polizei erschien trotz mehrerer Notrufe von Nachbarn nicht. Pekhteleva starb schließlich an insgesamt 111 Verletzungen, berichtet der britische „Guardian“.

Kanyus wurde wegen Mordes zu 17 Jahren im Gefängnis verurteilt – eigentlich. Denn neun Monate nach seiner Verurteilung war der Mörder dank des Deals mit der Wagner-Gruppe wieder raus aus der Haft – und kämpfte für Prigoschins Truppen in der Ukraine. Zehntausende russische Verbrecher taten es ihm gleich – und kehren nun nach und nach in ihre Heimatorte zurück.

Rückkehr von Jewgeni Prigoschins Söldnern: „Eine Welle von Mord und Vergewaltigung“

„Wir haben so viele Nachrichten von Menschen erhalten, die Angst haben“, schilderte die russische Frauenrechtlerin Alena Popowa die Situation gegenüber dem „Guardian“. Die Polizei würde nichts gegen „die Männer, die Frauen gequält haben, aus diesem Krieg zurückkommen und anfangen, sie erneut zu schlagen oder sogar zu töten“ unternehmen. Die ehemaligen Wagner-Söldner würden nun „als Helden und nicht als Vergewaltiger oder Mörder angesehen“, so Popowa. „Ich denke, es wird eine Welle von Mord, Vergewaltigung und häuslicher Gewalt geben.“

Auch eine der russischen Freiwilligeneinheiten, die auf Seiten der Ukraine gegen Wladimir Putin kämpfen, warnte am Montag vor dem brutalen Erbe Prigoschins. Der ehemalige Wagner-Söldner Ruslan Bakiyev, der wegen Kindesentführung eigentlich zu 24 Jahren Haft verurteilt worden sei, habe nach seinem Dienst für Wagner und seiner Rückkehr nach Russland erneut ein achtjähriges Kind entführt.

„Wie viele solcher Fälle wird es geben?“, führte die „Legion Freiheit Russlands“ in einem Beitrag auf X aus. „Zehntausende Mörder und Wahnsinnige laufen durch unsere Städte.“ Die Angaben der Freiwilligeneinheit können derzeit nicht unabhängig überprüft werden.

Russland: „Zehntausende Mörder und Wahnsinnige laufen durch unsere Städte“

Tatsächlich zeigt sich in Russland in diesen Tagen aber eine gewisse Verehrung für die Wagner-Gruppe – zumindest jedoch für ihre nun getöteten Anführer Jewgeni Prigoschin und Dmitri Utkin. Seit Bekanntwerden des Todes des Söldnerchefs hatte es zunächst vor allem in St. Petersburg, dem Sitz der Wagner-Gruppe, öffentliche Trauerbekundungen gegeben.

Am Montag gab es die dann sogar in Sichtweite des Kremls, wie die ARD-Korrespondentin Ina Ruck auf X berichtete. „Erstaunliche viele junge Leute kommen und bringen Blumen oder Kränze“, schilderte die Journalisten. „Prigoschin wird selbst hier in Moskau wie ein Held verehrt.“ Der Söldnerchef, so scheint es, wird nach seinem Tod für die Russen offenbar gleichzeitig zur Helden- und zur Horrorgestalt.