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Neonazi schmiedet Anti-Kreml-AllianzKölner Putin-Gegner will mit Prigoschins Söldnern nach Moskau marschieren

Lesezeit 5 Minuten
Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin (l.) ist mutmaßlich bei einem Flugzeugabsturz gestorben. Der einstige Kölner Neonazi Denis Kapustin (r.) fordert die Söldnergruppe nun zur Rache an Putin auf.

Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin (l.) ist mutmaßlich bei einem Flugzeugabsturz gestorben. Der einstige Kölner Neonazi Denis Kapustin (r.) fordert die Söldnergruppe nun zur Rache an Putin auf.

Einst lebte Denis Kapustin in Köln. Nun kämpft der Neonazi für Kiew – und will Prigoschins Söldner rekrutieren. Wie geht es mit Wagner weiter?

Es wäre eine unheilige Allianz russischer Nationalisten: Das Russische Freiwilligenkorps um den ehemals in Köln ansässigen Rechtsradikalen Denis Kapustin hat die Söldner der Wagner-Gruppe nach dem mutmaßlichen Tod ihres Chefs, Jewgeni Prigoschin, dazu aufgefordert, sich ihrer Miliz anzuschließen. So könne man gemeinsam Wladimir Putin zu Fall bringen.

„Wir empfehlen Ihnen, sich in unsere Reihen einzureihen und dann erneut nach Moskau zu marschieren, aber diesmal, um das Ende zu erreichen“, hieß es in einer Mitteilung im Telegramkanal der aus Russen bestehenden Freiwilligenmiliz. Kapustins Freiwilligenkorps hat sich in den Dienst der Ukraine gestellt hat, um gegen den Kreml zu kämpfen.

Freiwilligenkorps empfiehlt Wagner-Kämpfern „sich einzureihen“

Zuvor hatten sowohl Wagner-Kanäle als auch Kremlchef Putin bestätigt, dass Prigoschin und andere hochrangige Wagner-Mitglieder bei dem Absturz eines Privatjets am Mittwoch in Russland getötet worden seien. Die Hintergründe des Crashs mit zehn Todesopfern sind weiterhin unklar.

Es sei „für jeden offensichtlich“, dass Prigoschin, Wagner-Gründer Dmitri Utkin und die anderen Mitreisenden von der russischen Regierung „zynisch hingerichtet“ worden seien, erklärte das Freiwilligenkorps. Dass der Kreml bei dem tödlichen Absturz seine Finger im Spiel gehabt hat, ist auch für viele westliche Experten eine plausible Erklärung.

„Putin ist in eine neue und noch krassere Ära der Attentate eingetreten“, befand der britische Historiker und Russland-Experte Mark Galeotti im „Spectator“. Prigoschin war nach einem Putsch-Versuch im Juni in Moskau in Ungnade gefallen.

Einstiger Kölner Neonazi: Kapustin bietet Wagner „Rache an Henkern“ an

Die Wagner-Söldner stünden deshalb nun vor einer „schwierigen, aber logischen“ Wahl, erklärte das Freiwilligenkorps: Sie könnten sich entweder in den Dienst der russischen Armee stellen und „den Mördern ihrer Kommandeure dienen“ oder sich „an deren Henkern rächen“. Dafür müssten die Kämpfer fortan aber zum Freiwilligenkorps – und auf die Seite der Ukraine wechseln.

Bedingungslos ist die Einladung von Kapustins Kämpfern nicht: Nur wer „keine Kriegsverbrechen auf dem Territorium der Ukraine“ begangen habe, solle sich melden, stellte die Miliz klar. Außerdem müsse vor einem weiteren „Marsch auf Moskau“ zunächst der „blutige Fleischwolf der sogenannten ‚Militärischen Spezialoperation‘“ beendet werden. Also der Angriffskrieg gegen die Ukraine.

Bedingung für überlaufende Wagner-Kämpfer: „Keine Kriegsverbrechen“

Für alle Wagner-Kämpfer, die die Seiten wechseln, garantiere das ukrainische Verteidigungsministerium „Sicherheit und anständige Bedingungen“, verspricht das Freiwilligenkorps den derzeit mutmaßlichen führungslosen Wagner-Truppen im Gegenzug.

Dass diese angebliche Garantie mit Kiew abgestimmt ist, erscheint unwahrscheinlich. Die Ukraine hat die beiden bekannten russischen Freiwilligeneinheiten bisher zwar durchaus passiv unterstützt. Ein offizieller Bestandteil der ukrainischen Streitkräfte sind jedoch weder die als RVC („Russian Volunteer Corps“) bekannte Miliz des ehemals in Köln ansässigen Kapustin, noch eine weitere Freiwilligeneinheit namens „Legion Freiheit Russland“.

Kampfname „White Rex“: Denis Kapustin ist auch als Nikitin bekannt

Die Aktionen in den vergangenen Monaten, vor allem von Kapustins Kämpfern, haben sich dennoch stets als nützlich für Kiew erwiesen. Mit ihren Angriffen auf russische Grenzregionen sorgten die Milizen mehrfach für Wirbel in Russland – und für Zorn im Kreml. Kapustin, der auch als Nikitin bekannt ist und den Kampfnamen „White Rex“ verwendet, landete schließlich auf der Terrorliste des Kremls.

Der Wagner-Truppe stehen die russischen Kämpfer in Diensten der Ukraine trotz der jetzigen Einladung nicht unbedingt positiv gegenüber. Zwar habe Prigoschin für „neue Unruhen“ in Russland gesorgt, grundsätzlich bringe es die Ukraine aber dem Sieg näher, dass „eine der effektivsten Militäreinheiten Russlands endgültig enthauptet“ worden sei, erklärte das RVC. Kapustin machte sich derweil in seinem Telegramkanal über das „Posten trauriger Videos“ in den Wagner-Kanälen lustig.

Russisches Freiwilligenkorps: „Unser Sieg rückt immer näher!“

Auch mit dem baldigen Zerfall der Wagner-Truppe rechnet man beim Freiwilligenkorps offenbar. Die Wagner-Armee werde bald „vollständig besiegt“ sein, hieß es in der Mitteilung. „Der Kampf der russischen Eliten ist endlich in die Phase eines regelrechten Massakers übergangen“, so das Freiwilligenkorps. „Das bedeutet, dass unser Sieg immer näher rückt!“

Nach erfolgreichen Angriffen auf die russische Region Belgorod posierte das Russische Freiwilligenkorps im Mai für die internationale Presse.

Nach erfolgreichen Angriffen auf die russische Region Belgorod posierte das Russische Freiwilligenkorps im Mai für die internationale Presse.

Die Zukunft der größten russischen Privatarmee scheint nach dem mutmaßlichen Tod ihres Anführers tatsächlich zunächst ungewiss. Auf ihren Kommunikationskanälen vermeldeten die Wagner-Söldner noch am späten Mittwochabend den Tod Prigoschins. Seitdem veröffentlichen die Kanäle vor allem Trauerbekundungen und Nachrufe auf den mutmaßlich ebenfalls getöteten Kommandeur und Wagner-Gründer Dmitri Utkin.

Kopflose Kämpfer: Wie reagiert die Wagner-Truppe auf „Putins Attentat“?

Vereinzelt fanden sich in Wagner-nahen Telegramkanälen auch Drohungen und der Wunsch nach Rache an Wladimir Putin, der bei den Söldnern als Drahtzieher des für Prigoschin offenbar tödlichen Absturzes gilt. Russische Medien berichteten unterdessen, die verbliebene Führungsebene der Privatarmee wolle sich zunächst beraten – und dann Stellung zum mutmaßlichen Tod Prigoschins und möglichen Konsequenzen nehmen.

Ob die Wagner-Truppe derzeit überhaupt in der Lage ist, militärisch ähnlich wie beim „Marsch auf Moskau“ gegen den Kreml vorzugehen, ist unterdessen fraglich. Nach dem Putsch-Versuch im Juni zogen tausende der Söldner nach Belarus – und verloren westlichen Analysten zufolge auch viele ihrer schweren Waffen.

Rebellion unmöglich? „Wagner wurde in Russland demilitarisiert“

„Meines Wissens wurde Wagner in Russland komplett demilitarisiert“, schrieb der Politikwissenschaftler Carlo Masala im sozialen Netzwerk X über die Söldnertruppe. Auch die rund 4500 Kämpfer in Belarus verfügten nicht über „schwere Bewaffnung“, führte er aus.

Der Sicherheitsexperte Nico Lange rechnet derweil trotz Prigoschins Tod mit dem Fortbestand der Söldnertruppe – und zwar in Diensten Russlands und nicht auf Seiten der Ukraine. „Ich nehme an, dass Putin jemanden bestimmt hat oder noch bestimmen wird, der dieses Geschäft führt“, sagte Lange im Gespräch mit der ARD.

Hat Putin einen Plan? „Ob das Wagner heißt, ist nicht entscheidend“

Die Wagner-Gruppe sei einst als verlängerter Arm des russischen Militärgeheimdienstes entstanden, „um Dinge militärischer Art zu tun“, für die Russland als Staat keine Verantwortung übernehmen wolle. Für ein derartiges Instrument sehe Putin weiterhin Bedarf, so der Sicherheitsexperte. „Ob das jetzt Wagner-Gruppe heißt oder anders oder wer genau da diesen Auftrag kriegt, das ist vielleicht aus russischer Perspektive nicht so entscheidend.“