Aus 37.000 Söldnern soll die Wagner-Gruppe Ende 2022 bestanden haben. Ein Teil ging nach dem Prigoschin-Putsch Ende Juni nach Belarus, doch viele kehrten unzufrieden nach Russland zurück. Was wird jetzt aus der brutalen Privatarmee?
Nach dem Tod von Jewgeni PrigoschinEine brutale Privatarmee ohne Chef: Wie geht es weiter mit der Wagner-Gruppe?
Rund 40 private Militärunternehmen aus Russland sollen sich laut Beobachtern am Krieg in der Ukraine beteiligen. Dabei sind Privatarmeen in Russland offiziell verboten, sodass Russland die Existenz von Söldnern lange geleugnet hat. Unter den Privatarmeen ist die Gruppe Wagner eine der, wenn nicht die mächtigste Organisationen.
Doch gesicherte Zahlen über ihre Größe gibt es nicht. Ende 2022 gab der russische Ökonom Wladislaw Inosemzew an, dass die Gruppe Wagner aus etwa 37.000 Söldnern besteht. Darunter sollten sich zu dem Zeitpunkt 11.500 Kämpfer befunden haben, welche in Gefängnissen rekrutiert wurden.
Aufstand gegen Russland: Prigoschin sprach von 25.000 Kämpfern
Im Zuge des Aufstands gegen das russische Militär sprach Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin von 25.000 Söldnern. Auch wenn die Zahl heute vermutlich kleiner ist – nach dem mutmaßlichen Tod ihrer Kommandeure Prigoschin und Wagner-Gründer Dmitri Utkin, die am Mittwoch angeblich beim Absturz eines Privatflugzeugs ums Leben kamen, gleicht diese führerlose Armee für Russland einer tickenden Zeitbombe.
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Etwa 6000 Kämpfer der Truppe sollen sich nach dem gescheiterten Putschversuch Prigoschins Ende Juni in Belarus aufhalten. Nach Angaben der belarussischen Opposition wurden bis zu 15.000 Kämpfer in Russlands Nachbarland erwartet – kamen aber nie an.
Der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko hatte bei der Rebellion der Truppe Ende Juni zwischen Prigoschin und dem Kreml vermittelt. Die Abmachung sah mutmaßlich vor, dass Prigoschin-treue Söldner nach Belarus ins Exil gehen und sich dort zum Teil als militärische Ausbilder verdingen können.
Flucht aus Belarus: der Bezahlung wegen
Inzwischen sollen über Tausend Söldner der Wagner-Gruppe Belarus wieder verlassen haben, weil sie offenbar mit ihrer Bezahlung unzufrieden waren. Das berichtete das Nationale Widerstandszentrum am vergangenen Wochenende. Quellen aus Belarus teilten dem Zentrum mit, die Zahl der Wagner-Kämpfer in Belarus sei von 5800 auf 4400 gesunken. Die Finanzierungsprobleme könnten dauerhaft auf eine Verkleinerung oder eine Umstrukturierung der Privatarmee hinauslaufen, analysierte jüngst der britische Geheimdienst.
Was passiert aus dieser nunmehr führerlosen Armee? Laut dem US-Thinktank Institute for the Study of War (ISW) behaupten Insider, viele Wagner-Kämpfer seien Redut-Antiterror, einem anderen privaten Militär- und Sicherheitsunternehmen, auch bekannt als Center R, beigetreten. Offiziell gehören 7000 Söldner dieser Privatarmee an.
Das ISW geht aber auch davon aus, dass der Übergang von Wagner-Söldnern zu Redut wohl eher dem Wunschdenken des russischen Verteidigungsministeriums entspringt, weil Redut vom russischen Staatskonzern Gazprom und dem kremlnahen Oligarchen Oleg Deripaska finanziert wird, Letzterer ist laut dem SWP-Experten Janis Fiedler ein „integraler Bestandteil des Systems Putin“.
„Die Zukunft von Wagner wurde bereits vor Wochen neu geordnet. Das russische Verteidigungsministerium hat Teile der Gruppe übernommen. Russland wird das Instrument Söldner nicht aufgeben, weil es sehr effektiv ist, es wird nur jemand anderes machen. Putin hat sich als sehr unzuverlässig erwiesen und musste damit rechnen, dass es so kommt“, sagt der Politologe Thomas Jäger von der Uni Köln.
Schlacht um Bachmut: Spannung zwischen Wagner-Gruppe und Russland
ISW-Experten halten dagegen vor allem Wagner-Kommandeure als schwer integrierbar in solch autoritäre Strukturen. Das ISW beruft sich auf Wagner-nahe Quellen, die wohl betonten, „Redut und seine Teileinheiten wurden vor dem Hintergrund der Spannungen zwischen der Gruppe Wagner und dem russischen Verteidigungsministerium während der Kämpfe in Bachmut scharf kritisiert“.
Wahrscheinlich ist, dass die Wagner-Gruppe aufgelöst wird. Teilweise ist das wohl schon geschehen, zumindest ihre schweren Waffen mussten sie abgeben. „Die Bemühungen des Kreml, (...) Wagner aufzulösen, sind teilweise erfolgreich“, hieß es vom Institute for the Study of War. Um dem entgegenzuwirken, hätte Prigoschin daher zuletzt geplant, seine Söldnergruppe in Afrika wieder stärker zu reaktivieren.
„In den letzten zwei Monaten hat Putin sichergestellt, dass einige Wagner-Söldner in Afrika weiter ihre Mission erfüllen und andere in Belarus ruhiggestellt werden. Nach der Meuterei hat Putin Prigoschin wirtschaftlich ausbluten lassen und ihm seine Geschäfte abgenommen“, ist der Politikwissenschaftler Gerhard Mangott von der Universität Innsbruck überzeugt. Laut dem ISW gab es etwa Pläne der nigrischen Junta, die Wagner-Gruppe einzusetzen, um die Sicherheit in der Hauptstadt Niamey zu erhöhen.
Sold der Wagner-Kämpfer: 1400 und 4300 US-Dollar monatlich
Derzeit operieren Wagner-Söldner in Mali, Libyen, dem Sudan und der Zentralafrikanischen Republik. Was die Privatarmee so anziehend macht: Der vergleichsweise hohe Lohn für Wagner-Soldaten, der laut „Moscow Times“ (im Jahr 2017) zwischen rund 1400 und 4300 US-Dollar monatlich gelegen haben soll, je nach Ausbildung und Dringlichkeit.
Für russische Verhältnisse sind das hohe Summen, welche einige Personen in gefährliche und verwerfliche Einsätze zu locken scheint. In der Ukraine scheinen die Söldner sogar noch mehr verdienen zu können. Der Tagesspiegel berichtet von einem Deutschen, der sich der Söldnergruppe Wagner angeschlossen hat und laut eigener Aussage bis zu 7000 Dollar monatlich verdient habe.
Der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen sagte dem RND: „Ob die von Putin enthauptete Wagner-Gruppe sich nun erst recht zur Rebellion formiert oder sich führungslos fügt, ist eine offene Frage.“ Das Machtsystem Putins aber habe Risse bekommen, und das könne er nicht mehr stoppen. „Entweder Putin oder Prigoschin – das blieb die Lage auch nach dem abgesagten Putsch.“