Nach Prigoschins Tod gibt es Wirbel um alte Videos des Wagner-Chefs. Auch Putins Worte aus der Vergangenheit füttern die Rache-Theorien.
Prigoschins Ahnung und Putins Warnung„Das Flugzeug wird mitten in der Luft auseinanderfallen“
Am Sonntag (27. August) bestätigte Russland Jewgeni Prigoschins Tod: Ein DNA-Test habe Klarheit gebracht, erklärte Moskau – und lieferte Tage nach dem Absturz eines Privatjets am vergangenen Mittwoch erstmals eine offizielle Angabe über die Todesopfer in der Maschine. Zur Absturzursache schweigen die russischen Behörden unterdessen weiterhin – was die Spekulationen über einen möglichen Racheakt des russischen Präsidenten Wladimir Putin wild ins Kraut schießen lässt.
US-Angaben zufolge deutet derzeit alles auf einen Sprengsatz im Flugzeug des Söldnerchefs und seiner Entourage hin. Selbst Kreml-nahe russische Medien wie der TV-Sender Tsargrad halten das in ihren Analysen für wahrscheinlich – vermuten aber natürlich nicht Moskau, sondern andere Wagner-Söldner oder gar die Ukraine hinter dem mutmaßlichen Attentat.
Videos von Jewgeni Prigoschin: Hatte der Wagner-Chef dunkle Vorahnungen?
Während also munter spekuliert wird, führten in den letzten Tagen gleich mehrere Botschaften aus der Vergangenheit zu Aufsehen. Zwei der Video-Ausschnitte, die in den sozialen Netzwerken seit dem Absturz tausendfach angeschaut werden, stammen vom Wagner-Chef selbst.
Beide Aufnahmen sind im Laufe des russischen Kriegs gegen die Ukraine entstanden, in dem die Wagner-Truppen lange Zeit eine entscheidende Rolle spielten. Prigoschin meldete sich regelmäßig mit wütenden Videos zu Wort – und kritisierte den Kreml dafür, seine Truppen nicht ausreichend zu unterstützen.
Dass ihm seine dauernde Kritik am russischen Machtapparat zum Verhängnis werden könnte, schien Prigoschin dabei zu ahnen. „Verdammt nochmal, dann tötet mich eben und lebt in Frieden weiter“, erklärte er in einem der nun populär gewordenen Videos.
Eine weitere Aufnahme, ebenfalls ein Ausschnitt aus einer von Prigoschins Wutreden, bekommt derweil noch mehr Aufmerksamkeit – denn Prigoschins wählte darin eine Metapher, die nun in anderem Lichte erscheint.
Prigoschin-Zitat führt zu Aufsehen: „Das Flugzeug wird mitten in der Luft auseinanderfallen“
„Du tötest mich besser, aber ich werde nicht lügen“, hört man dort den sichtlich wütenden Prigoschin sagen. „Ich muss ehrlich sein: Russland steht am Rande einer Katastrophe“, führt der Wagner-Chef aus. „Wenn diese Zahnräder heute nicht angepasst werden, wird das Flugzeug mitten in der Luft auseinanderfallen“, fügte er wörtlich übersetzt an. Sinngemäß entspricht das der deutschen Redewendung von „Weichen, die gestellt werden müssen“.
Prigoschin meinte mit seinem Vergleich zwar Russland – und nicht sich selbst, beschrieb damit aber dennoch ziemlich exakt die Art seines eigenen Todes. Das Video wurde mittlerweile millionenfach abgerufen – und wird als düstere Vision des Wagner-Chefs interpretiert, der zu Lebzeiten zudem oft versicherte, den Tod nicht zu fürchten. „Eine lebhafte Vorahnung seines Todes“, habe Prigoschin da gehabt, kommentierte Samuel Ramani, Politikwissenschaftler an der Universität von Oxford.
Was Wladimir Putin nicht vergeben kann? „Verrat“
Ebenfalls große Beachtung bekommt unterdessen ein älteres Interview von Wladimir Putin – das ebenfalls Spekulationen über eine mögliche Rache des Kremlchefs nährt: Im Frühjahr 2018, kurz vor den Wahlen in Russland, hatte Putin dem populären russischen Journalisten Andrey Kondrashov ein ausführliches Interview gegeben. Eine Passage aus dem rund zweistündigen Gespräch wird nun millionenfach in den sozialen Netzwerken abgerufen.
Kondrashov fragte Putin damals, ob er in der Lage sei, zu vergeben. „Ja“, antwortete der Kremlchef – und fügte an „aber nicht alles“. Was er denn nicht vergeben könne, wollte Kondrashov daraufhin folgerichtig wissen. „Verrat“, lautete Putins klare Antwort. Bisher sei dieser Fall jedoch nie eingetreten, fügte der Kremlchef an. „Vermutlich habe ich nur Leute ausgewählt, die dazu nicht in der Lage sind“, zitierte die BBC den Kremlchef damals.
Das Video bekommt nun besondere Aufmerksamkeit, da Putin den Putsch-Versuch Prigoschins im Juni in einer TV-Ansprache explizit als „Verrat“ bezeichnet hatte – und damit als das Vergehen, was er laut eigener Aussage nicht vergeben wolle.
Russland bestreitet Beteiligung an Prigoschins Tod: „Eine absolute Lüge“
Während die Videobotschaften aus der Vergangenheit nun noch einmal für Wirbel sorgen, hat Russland jeglichen Verdacht, für Prigoschins Tod verantwortlich zu sein, scharf zurückgewiesen. Dass der Kreml hinter dem Flugzeugabsturz stecke, sei „eine absolute Lüge“ erklärte Putin-Sprecher Dmitri Peskow am Freitag.
Zuvor hatte US-Präsident Joe Biden erklärt, er kenne zwar noch keine Details zum Flugzeugabsturz, doch gebe es „nicht viel, was in Russland passiert, hinter dem Putin nicht steckt.“ CIA-Chef William Burns hatte derweil bereits im Juli vorhergesagt, dass der Kreml sich an Prigoschin rächen werde. „Putin glaubt, dass Rache ein Gericht ist, das am besten kalt serviert wird“, führte Burns damals aus.
Boris Johnson spricht von „Mord“ an Jewgeni Prigoschin: „Sein letzter Gedanke war ‚Putin!‘“
Auch der ehemalige britische Premierminister Boris Johnson erklärte am Wochenende, Putin habe Prigoschin „umgebracht“. Verhandlungen mit dem Kremlchef könne es deshalb weiterhin nicht geben, schrieb Johnson in einem Beitrag für die britische Zeitung „Daily Mail“.
Hinter dem „Mord an Prigoschin“ stecke somit „exakt der gleiche Mann, der auch die Vergiftung von Alexander Litwinenko und Sergei Skripal“ beauftragt habe, führte Johnson aus. „Als die Detonation die Luft aus der Flugzeugkabine saugte, war der letzte Gedanke in Prigoschins todgeweihtem Schädel wohl ‚Putin!‘“
Russland hat unterdessen eine umfassende Untersuchung des Absturzes angekündigt. Erkenntnisse zur Ursache des Absturzes des Wagner-Privatjets, bei dem insgesamt zehn Menschen getötet wurden, hat Moskau bisher nicht vorgelegt.