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„Spiel mit dem Feuer“Streit über deutsche Nato-Idee gegen Putins Raketen

Lesezeit 4 Minuten
Eine Abschussvorrichtung für eine „Patriot“-Rakete. In der deutschen Politik gibt es Gedankenspiele, den ukrainischen Luftraum von Nato-Staaten aus mit westlicher Luftabwehr zu schützen. Rolf Mützenich hält das für „brandgefährlich“. (Archivbild)

Eine Abschussvorrichtung für eine „Patriot“-Rakete. In der deutschen Politik gibt es Gedankenspiele, den ukrainischen Luftraum von Nato-Staaten aus mit westlicher Luftabwehr zu schützen. Rolf Mützenich hält das für „brandgefährlich“. (Archivbild)

Politiker von CDU, FDP und Grünen haben eine Idee für die Ukraine. Rolf Mützenich sagt sofort nein – und lockt so einen alten Bekannten hervor.

Bundestagsabgeordnete von CDU, FDP und Grünen haben sich offen für Pläne gezeigt, Teile des Luftraums über der Ukraine von Nato-Territorium aus durch westliche Flugabwehr zu schützen. Der CDU-Sicherheitspolitiker Roderich Kiesewetter sagte der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“, westliche Länder könnten dabei „unbemannte russische Flugkörper“ über der Ukraine abschießen. Auch Politiker von FDP und Grünen hielten einen solchen Einsatz für denkbar.

Der Zeitung zufolge befürworteten die Politiker einen Vorschlag, den unter anderem der Militärfachmann Nico Lange von der Münchner Sicherheitskonferenz vorgebracht hatte. Seiner Ansicht nach könnte so an den Grenzen der Ukraine zu Polen, der Slowakei, Ungarn und Rumänien „eine sichere Zone von bis zu 70 Kilometern Breite entstehen“.

Nato-Schutzschirm für die Ukraine? „Ermöglichen, die Front zu schützen“

So könne man die ukrainische Flugabwehr „entlasten und ihr ermöglichen, die Front zu schützen“, sagte der CDU-Politiker Kiesewetter. Das Beispiel Israel, wo die USA, Großbritannien, Frankreich und andere Länder im April einen großen iranischen Luftangriff mit abgewehrt haben, zeige, dass teilnehmende Staaten in so einem Fall nicht zwingend „zur Kriegspartei“ werden müssten.

Der FDP-Bundestagsabgeordnete Marcus Faber sprach sich ebenfalls für die Idee aus. Ebenso Abgeordnete der Grünen. Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Agnieszka Brugger befürwortete gegenüber der Zeitung die Überlegungen.

„Flugabwehr über der Ukraine sollte man langfristig nicht ausschließen“

Ihr Parteifreund Anton Hofreiter, Vorsitzender des Europaausschusses, schloss sich an: „Flugabwehr über der Ukraine von Polen und Rumänien aus sollte man langfristig nicht ausschließen“, sagte er. Gegenwärtig stehe das allerdings noch „nicht zur Debatte“. Im Augenblick gehe es vor allem darum, im Rahmen der westlichen Waffenhilfe „deutlich mehr“ Waffensysteme an die Ukraine selbst zu liefern.

Aus der SPD gab es unterdessen prompt eine Absage an die Überlegungen der Ampel-Politiker. „Den ukrainischen Luftraum durch einen Einsatz der Nato schützen zu wollen, bedeutet eine Abkehr vom Grundsatz, dass wir nicht aktiv in den Krieg eingreifen wollen“, sagte SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich dem „Tagesspiegel“ und fügte an: „Dem wird die SPD-Fraktion nicht zustimmen.“

Rolf Mützenich kontert sofort: „Unverantwortlich und brandgefährlich“

Mützenich sagte weiter, er halte „solche Vorschläge für unverantwortlich und brandgefährlich“. Eine solche Entscheidung wäre ihm zufolge „ein Spiel mit dem Feuer und genau das, was Putin will – Futter für seine wirren Narrative einer imperialistischen Nato“. Der Berliner Tageszeitung sagte Mützenich außerdem, es sei zwar „gut und richtig, die Ukraine weiterhin und massiv auch mit militärischen Mitteln zu unterstützen, damit sie sich gegen den russischen Aggressor wehren kann“. Die SPD-Fraktion stehe aber weiterhin zum Grundsatz, dass die Nato nicht militärisch eingreifen werde.

Der Kölner Politiker Rolf Mützenich ist Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion. (Archivbild)

Der Kölner Politiker Rolf Mützenich ist Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion. (Archivbild)

Die sofortige Absage des Kölner SPD-Politikers an die Überlegungen blieb nicht lange ohne Widerspruch. Bereits in der Vergangenheit hatte Mützenich mit Aussagen zum Krieg in der Ukraine für einigen Wirbel gesorgt. Zuletzt hatte es scharfe Kritik für den SPD-Fraktionschef gegeben, als er von einem „Einfrieren“ des Krieges in der Ukraine gesprochen hatte, da ein solcher Schritt derzeit für viele Experten einem russischen Sieg gleichkäme.

Kritik an Rolf Mützenich: „Gefährlicher sicherheitspolitischer Geisterfahrer“

„Mützenich ist und bleibt ein gefährlicher sicherheitspolitischer Geisterfahrer“, wählte auch der SPD-Historiker Jan Claas Behrends scharfe Worte für eine Reaktion auf die Aussagen des Politikers. Zusammen mit anderen Historikern hatte Behrends kürzlich bereits in einem Brief an die Parteispitze die Russland-Politik der SPD kritisiert und Mützenich in einem Interview ein Verhalten attestiert, das an Donald Trump erinnere.

Auch aus Mützenichs Heimatstadt gab es für die Absage an die Gedankenspiele scharfe Kritik. Es sei die „Zögerlichkeit und Nachlässigkeit der SPD bei der Unterstützung der Ukraine“, die eine Situation heraufbeschwöre, die Mützenich verhindern wolle, schrieb der Kölner Politologe Thomas Jäger bei X. „Nationalpazifismus ist in der EU keine Option. Abschreckung braucht Waffen“, fügte er an.

Kölner Professor kritisiert Mützenich: „Abschreckung braucht Waffen“

Als Vertreter der Ukraine meldete sich mit Andrij Melnyk ein Diplomat zu Wort, der bereits in der Vergangenheit seine Abneigung gegenüber Mützenich deutlich zum Ausdruck gebracht hat. Nun wärmte der ehemalige ukrainische Botschafter in Deutschland eine Beschimpfung aus der Vergangenheit wieder auf: „Na, wer ist der widerlichste deutsche Politiker? Ihr wisst schon“, schrieb Melnyk zum Bericht des „Tagesspiegels“ bei X.

Auch in Moskau wurden die Überlegungen zur Kenntnis genommen und von den russischen Staatsmedien in einen Zusammenhang mit den öffentlichen Gedankenspielen des französischen Präsidenten Emmanuel Macron über eine Entsendung von Bodentruppen in die Ukraine gesetzt. Eine Reaktion des Kremls bliebt jedoch zunächst aus.

Die Staatsagentur Ria kramte stattdessen ein älteres Statement von Dmitri Peskow hervor. Darin wirft der Kremlsprecher „den Europäern“ vor, die „Spannungen bewusst eskalieren zu lassen“, da derzeit der „völlige Zusammenbruch“ der Ukraine drohe. (mit afp)