Mit scharfer Wortwahl attackiert der Ex-Botschafter Rolf Mützenich. Auch von Melnyks Nachfolger, der CDU und aus der Ampel kommt harte Kritik am SPD-Fraktionschef.
Kölner SPD-Politiker erntet harte KritikMelnyk nennt Mützenich „widerlichsten deutschen Politiker“
Nach einer Rede im Bundestag bekommt SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich scharfe Kritik und mitunter harsche Reaktionen. Der ehemalige ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk, kommentierte im Kurznachrichtendienst X (vormals Twitter) die Aussage Mützenichs zum „Einfrieren“ des Krieges in der Ukraine mit scharfen Worten: „Habe immer gesagt: Dieser Typ war und bleibt der widerlichste deutsche Politiker. Für immer und ewig.“
Der Kölner SPD-Politiker hatte im Rahmen der andauernden Debatte um eine mögliche Lieferung von deutschen Taurus-Marschflugkörpern am Donnerstag im Bundestag gesagt: „Ist es nicht an der Zeit, dass wir nicht nur darüber reden, wie man einen Krieg führt, sondern auch darüber nachdenken, wie man einen Krieg einfrieren und später auch beenden kann?“
Rede über den Krieg: Andrij Melnyk poltert – Rolf Mützenich verteidigt sich
Mützenich verteidigte zudem die auch innerhalb der Ampel-Koalition schwer umstrittene Entscheidung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), die Marschflugkörper nicht an Kiew zu liefern. „Zeitenwenden sind nichts für politische Spielernaturen. Gebraucht wird Verstand, Besonnenheit und Klarheit“, erklärte Mützenich. „Das tut der Bundeskanzler in der Abwägung, die er als Regierungschef hat.“
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Mützenich wies die Kritik an seinen Äußerungen am Freitag umgehend zurück. Er habe sich am Donnerstag im Bundestag „klar für die Unterstützung der Ukraine, auch mit Waffen und Munition, ausgesprochen“, sagte der SPD-Politiker der „Rheinischen Post“. Darüber hinaus habe er, wie viele vor ihm, „angeregt, nicht nur über Militärhilfen, sondern auch über die Bedingungen für ein mögliches Kriegsende nachzudenken“.
Mützenich-Rede: CDU-Politiker Norbert Röttgen spricht von „unglaublichem Vorschlag“
Mützenich betonte zugleich: „Russland darf diesen Krieg nicht gewinnen. Die staatliche Souveränität und territoriale Unversehrtheit der Ukraine ist unser klares Ziel.“ Er rede „keinesfalls einer Preisgabe der völkerrechtswidrig besetzten Gebiete im Osten der Ukraine und der Krim das Wort“. Über einen Waffenstillstand und ein Einfrieren der Kämpfe könne nur die ukrainische Regierung entscheiden, erklärte Mützenich. „Dies enthebt uns nicht von der Verantwortung, auch über Wege und Perspektiven für die Zeit nach dem Ende des Krieges nachzudenken“, fügte der SPD-Fraktionschef hinzu.
Kritik an Mützenichs Wortwahl kam unterdessen nicht nur von dem für seine harten Worte bekannten ukrainischen Ex-Botschafter Melnyk, sondern auch von CDU-Politiker Norbert Röttgen. „Um Europa von der ‚Kriegsfessel‘ zu befreien, will Mützenich den Krieg einfrieren. Damit verabschiedet sich die SPD von dem Ziel, den Krieg Putins zum Scheitern zu bringen“, schrieb Röttgen bei X. Angesichts „schlimmster Verbrechen“, die in von Russland besetzten Gebieten in der Ukraine begangen würden, sei das ein „unglaublicher Vorschlag“.
Kritik aus der Koalition: „Das ist inakzeptabel und muss schnellstens geklärt werden“
Auch innerhalb der Regierungskoalition wurde Kritik laut. Die Forderung des SPD-Fraktionschefs bedeute ein „Abrücken“ der SPD von der „vereinbarten Zeitenwende“, schrieb FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann am Freitag bei X. „Das ist inakzeptabel und muss schnellstens in der Koalition geklärt werden.“
Der stellvertretende FDP-Vorsitzende Wolfgang Kubicki warf Mützenich zudem „verfassungsfeindliche Erklärungen“ vor. Mützenich hatte sich zuvor öffentlich darüber geärgert, dass auch Abgeordnete der Ampel-Koalition einem Antrag der Opposition zur Lieferung von Taurus zugestimmt hatten. Am Donnerstag hatten Strack-Zimmermann und Kubicki für einen erneuten Antrag zur Lieferung der Marschflugkörper der CDU gestimmt.
Grüne sehen „Rückfall in die alte Russlandpolitik“ bei der SPD
Dass der Haussegen in der Regierungskoalition schief hängt, zeigen unterdessen nicht nur die Reaktionen aus der FDP. Auch bei den Grünen wurde Kritik an Mützenich laut. Bei „Welt TV“ bezeichnete Parteichefin Ricarda Lang die Rede des SPD-Politikers als „Rückfall in die alte Russlandpolitik der Sozialdemokratie“. Eigentlich sei sie davon ausgegangen, dass die SPD ihre „naive Appeasementpolitik gegenüber Russland“ aufgegeben habe, führte Lang aus. Die Partei müsse ihre Linie klären, forderte die Grünen-Chefin zudem.
„Es ist klar, dass ein Einfrieren dieses Konfliktes am Ende zu unfassbarem Leid der vielen Menschen in diesen besetzten Territorien führen würde“, erklärte Lang. „Eine Welt, in der Putin in der Ukraine gewinnt, ist eine Welt, wo er und andere autoritäre Diktatoren lernen, dass sie Grenzen verschieben können und damit durchkommen.“
Kein Interesse an Diplomatie: Moskau fordert Kapitulation der Ukraine
Ein Sprecher des Auswärtigen Amts verwies unterdessen darauf, dass Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) bereits im Dezember gesagt habe, ein Einfrieren des Konflikts würde „die Gewaltherrschaft Putins in der Ukraine zementieren“.
Russlands Krieg im Osten der Ukraine habe schon 2014 begonnen. Alle Versuche, Lösungen zu finden, seien da schon von Russland torpediert worden. Dem russischen Präsidenten Wladimir Putin sei es damals nicht um Frieden gegangen, „sondern um die Vorbereitung dieses brutalen Angriffskriegs“. Zuvor hatte Baerbock mit Kopfschütteln und ablehnender Mimik auf Mützenichs Worte reagiert.
Dass Debatten über das „Einfrieren des Krieges“ an der realen Situation vorbeigeführt werden würden, kritisierte unterdessen auch Nico Lange bei X. „Medwedew sagt gerade, was Russland will: Kapitulation der Ukraine, Auflösung der Ukraine, Anschluss der Ukraine an die Russländische Föderation. Das ist die russische Position“, schrieb der Sicherheitsexperte bei X.
SPD in der Kritik: „Friedenspopulismus wird das Problem nicht lösen“
„Putin wird den Krieg nur ‚einfrieren‘ wollen, wenn er eine operative Pause braucht und Eroberungen absichern will“, hatte Lange zuvor bereits erklärt. „Friedenspopulismus in der Hoffnung auf bessere Umfragen wird das Problem nicht lösen und später alles noch schwieriger und unsicherer machen.“ Der Vizechef des russischen Sicherheitsrats, Dmitri Medwedew, hatte am Donnerstag noch einmal unterstrichen, dass Russland das Ende der Existenz der Ukraine anstrebt.
Der amtierende ukrainische Botschafter in Deutschland, Oleksii Makeiev, verbreitete Langes Kommentar in dem sozialen Netzwerk weiter – und kommentierte Mützenichs Rede selbst in anderem Tonfall als sein Vorgänger: „Man friert keine Konflikte ein, man legt nur Zeitbomben“, schrieb Makeiev bei X.
„Das einzige, was Besatzung einfriert und legitimiert, ist die Missachtung der Menschenrechte“, fügte er an. „‚Nie wieder ist jetzt‘ braucht einen kalten Kopf, aber kein kaltes Herz“, erklärte der Nachfolger von Andrij Melnyk. Die Zeitenwende brauche „Mut“, fügte Makeiev an.