Franziskus hatte gesagt, die Ukraine solle den Mut zur „weißen Flagge“ haben. Außenministerin Baerbock rät dem Papst zu einem Besuch vor Ort.
Caren MiosgaBaerbock ist fassungslos über Papst-Appell an Ukraine und hat Ratschlag für Franziskus
Mit Bundesaußenministerin Annalena Baerbock war am Sonntagband (10. März) nach Robert Habeck bereits ein zweites hochrangiges Mitglied der Grünen innerhalb weniger Wochen Gast bei Caren Miosga. Im ARD-Talk stellte die Moderatorin die Frage: „Putins Krieg und Deutschlands Rolle: Wie undiplomatische können Sie sein, Frau Baerbock?“. Zunächst im Einzelgespräch und später mit dem „Zeit“-Journalisten Michael Thumann und der Sicherheitsexpertin Minna Ålander ging es um Baerbocks Besuche in der Ukraine und auch die Haltung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD).
Baerbock musste ihren jüngsten Besuch in Mykolajiw abbrechen, weil eine russische Drohne gesichtet wurde. Diese verfolgte die Wagenkolonne von Baerbock sogar noch. Die Ministerin sagte bei Miosga allerdings, sie glaube nicht, dass diese Aktion ihr gegolten habe. Sie sei jedoch bereits zum sechsten Mal in der Ukraine gewesen, und dieses Mal sei „doch noch mal anders“ gewesen, da Russland auf maximale Einschüchterung und Zermürbung setze. Dies werde im Westen jedoch nicht greifen.
„Miosga“: Annalena Baerbock greift den Papst wegen Ukraine-Äußerung an
Tatsächlich wenig diplomatisch reagierte Baerbock auf den Appell des Papstes vom Samstag an die Ukraine, Verhandlungen mit Russland aufzunehmen. Franziskus hatte gesagt, angesichts einer drohenden Niederlage solle das Land den Mut zur „weißen Flagge“ haben – was faktisch einer Kapitulation gleichkäme.
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Baerbock zeigte sich entgeistert vom Vorstoß des Papstes. „Ich frage mich wirklich, was er sich dabei gedacht hat“, sagte die Grünen-Politikerin. „Ich versteh’s nicht.“ Baerbock zuckte ratlos die Schultern. Sie wünsche sich manchmal bei solchen Äußerungen, die betreffenden Personen würden einfach mal die Ukraine besuchen. Man könne manche Dinge nur verstehen, wenn man sie mit eigenen Augen sehe.
Annalena Baerbock berichtet Caren Miosga von verschleppten ukrainischen Kindern
Baerbock berichtet, wie ukrainische Kinder von einer Schule in Busse verfrachtet und nach Russland verschleppt wurden. Über Monate gab es internationale Bemühungen, die Kinder zu befreien. „Da frage ich mich, wo ist da der Papst?“, zeigt sich Baerbock empört. Sie habe mit einem der befreiten Kinder später gesprochen, und es hätte gesagt, man dürfe Putin nicht nachgeben, so die Außenministerin emotional.
Diesen Mut wünsche sie sich auch von der Politik, so Baerbock. Man müsse den Mut haben, an der Seite der Menschen in der Ukraine zu stehen und alles für die Ukraine zu tun, dass sie sich verteidigen könne, verlangte Baerbock. Wenn es eine minimale Chance gebe, dass die russische Seite Gesprächsbereitschaft zeige, „dann wäre die ganze Welt da und würde reden. Nur leider sehen wir jeden Tag das Gegenteil.“
Baerbock nennt Taurus-Ringtausch eine „Option“
Baerbock zeigt sich in der ARD-Sendung offen für den Vorschlag ihres britischen Kollegen David Cameron, der Ukraine über einen Ringtausch neue Marschflugkörper zur Verfügung zu stellen. „Das wäre eine Option“, sagte die Grünen-Politikerin. Sie ließ zugleich erkennen, dass sie auch Taurus-Lieferungen an die Ukraine befürworten würde – anders als Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD).
Sie habe schon im Sommer sehr deutlich gesagt, dass die Ukraine mit Blick auf den Minengürtel im Osten des Landes weitreichende Waffensysteme brauche, betonte Baerbock - und ergänzte auf Nachfrage: „in Klammern: auch Taurus“. Dazu zählten aber zum Beispiel auch Raketenwerfer und Panzerhaubitzen, die Deutschland bereits geliefert habe.
Annalena Baerbock zu Taurus: Will Strategie der SPD nicht kommentieren
Caren Miosga sagte, die SPD wolle sich offenbar als „Friedenspartei“ positionieren, indem sie zögerlich bei Waffenlieferungen sei. Baerbock entgegnete sehr deutlich, dass sie den Koalitionspartner SPD und seine mögliche Wahlkampfstrategie nicht kommentieren wolle. Eine innenpolitische Spaltung sei genau das, was Putin bezwecke. Damit blieb sie weitaus zurückhaltender als beispielsweise ihr Parteikollege Anton Hofreiter, der sich immer wieder vehement für die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern ausspricht.
Baerbock vermied es, die Frage zu beantworten, ob Deutschland bei einer Taurus-Lieferung Kriegspartei werden würde. Dies hatte Scholz konstatiert, da seiner Auffassung nach in diesem Fall deutsche Soldaten die ukrainischen Streitkräfte vor Ort unterstützen müssten. Dies war von Angehörigen der Bundeswehr und von Oppositionspolitikern bestritten worden. Auch in der FDP und bei Teilen der Grünen war Scholz’ Begründung als haltlos angesehen worden.
Bundeskanzler Scholz lehnt Taurus-Lieferungen ab
Cameron hatte in einem Interview der „Süddeutschen Zeitung“ seine Bereitschaft erklärt, „engstens mit unseren deutschen Partnern zusammenzuarbeiten, um der Ukraine zu helfen“. Dabei hält Cameron auch einen Ringtausch für möglich, der die Bedenken von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zerstreuen könnte.
Scholz lehnt die Lieferung der Taurus-Raketen mit einer Reichweite von 500 Kilometern an die Ukraine ab, weil er befürchtet, dass Deutschland durch deren Einsatz letztlich in den Krieg hineingezogen werden könnte. Bei einem Ringtausch könnte Deutschland Taurus-Marschflugkörper an Großbritannien abgeben - und London seinerseits weitere Flugkörper vom Typ Storm Shadow an die Ukraine liefern. (mit dpa)