Putin machte im Staatsfernsehen keinen Hehl daraus, wie ernst die Lage am Samstag war.
„Bürgerkrieg verhindert“Putin räumt ein, Wagner-Gruppe komplett vom Staat finanziert zu haben
Nach dem Ende des bewaffneten Aufstands der Söldnerarmee Wagner hat Wladimir Putin in einer weiteren Rede den Sicherheitsdiensten für ihren Einsatz zum Schutz Russlands gedankt. Soldaten und Mitarbeiter der Geheimdienste hätten sich dem Versuch einer Revolte am 24. Juni entgegengestellt und so einen „Bürgerkrieg“ verhindert, sagte Putin am Dienstag bei der Rede vor Uniformierten auf dem Kremlgelände im Zentrum Moskaus. Bereits am Montag hatte er in einer aufgezeichneten Ansprache Stellung zum Aufstand der Wagner-Soldaten am Wochenende bezogen.
Vor Ort war am Dienstag auch Verteidigungsminister Sergej Schoigu. Seine Anwesenheit kann als Vertrauensbeweis von Putin gedeutet werden. Schoigu war von Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin seit Wochen heftig kritisiert worden, einige Experten hielten es nach dem Rückzug der Wagner-Truppen zunächst für möglich, dass Schoigu seinen Posten als Teil eines mutmaßlichen Deals zwischen Putin und Prigoschin würde räumen müssen. Nun demonstrierte der russische Präsident jedoch Geschlossenheit.
Wladimir Putin lobt bei Rede in Moskau Sicherheitskräfte, die „Bürgerkrieg“ verhinderten
„Sie haben die verfassungsmäßige Ordnung, das Leben, die Sicherheit und die Freiheit unserer Bürger verteidigt, unsere Heimat vor Erschütterungen bewahrt, faktisch einen Bürgerkrieg verhindert“, sagte Putin bei der Rede mit Blick auf die anwesenden Truppen des Verteidigungsministeriums, der Nationalgarde, des Sicherheitsdienstes FSB und des Innenministeriums.
„Wir wussten, dass wir gewinnen, die Aufständischen hätten Moskau nicht eingenommen“, betonte der russische Präsident bei der Ansprache, die im Staatsfernsehen gezeigt wurde.
In seiner Rede im Freien vor den Hundertschaften verschiedener Sicherheitsdienste erinnerte Putin auch an die Piloten, die am Samstag bei ihren Angriffen auf die Wagner-Kolonne getötet wurden. Die Angehörigen des Verteidigungsministeriums, der Nationalgarde, des Inlandsgeheimdienstes FSB, des Innenministeriums und des Sicherheitsdienstes des Präsidenten gedachten mit Putin in einer Schweigeminute der Toten. Die Wagner-Truppen hatten mehrere Hubschrauber und ein Flugzeug am Samstag abgeschossen.
Putin räumte am Dienstag erstmals ein, dass die Wagner-Armee vollkommen vom Staat finanziert wurde. „Wir haben diese Gruppe komplett finanziert“, sagte Putin. Die Gruppe von Mai 2022 bis Mai 2023 insgesamt 86,26 Milliarden Rubel (rund 930 Millionen Euro) aus dem Staatshaushalt erhalten haben. Offiziell nennt sich die Wagner-Armee ein privates Militärunternehmen.
Wladimir Putin bezeichnet Jewgeni Prigoschin erneut als „Verräter“
Söldnerchef Jewgeni Prigoschin hatte am Samstag nach Verhandlungen seinen Marsch Richtung Moskau überraschend gestoppt. Nach eigenen Angaben wollte er ein Blutvergießen unter russischen Soldaten verhindern und kehrte deshalb 200 Kilometer vor der russischen Hauptstadt wieder um. Er hatte auch die südrussische Stadt Rostow am Don besetzt und zog dort ebenfalls ab.
Präsident Putin hatte am Montagabend bestätigt, dass sein in Ungnade gefallener Ex-Vertrauter in Belarus mit seinen Kämpfern Zuflucht finden könne. Er bezeichnete die abtrünnigen Wagner-Leute als „Verräter“. Ob der Wagner-Chef schon in Belarus ist, war zunächst weiter unklar. Am Nachmittag bestätigte dann Alexander Lukaschenko, dass Prigoschin in Belarus eingetroffen sei.
Privatflugzeug von Wagner-Chef Prigoschin fliegt wohl von Rostow nach Belarus
Hinweise darauf lieferten am Dienstagvormittag bereits Flugdaten. Demnach ist das Privatflugzeug von Jewgeni Prigoschin nur wenige Stunden nach der früheren Ansprache von Wladimir Putin zum Putschversuch aus dem Land verschwunden. Das Flugzeug vom Typ Embraer Legacy 600, das laut einer Sanktionsliste des US-Außenministeriums Prigoschin gehört, soll am Dienstagmorgen in Rostow am Don gestartet und in Belarus gelandet sein, wie Flugdaten nahelegen. Ob Prigoschin selbst an Bord der Maschine war, war allerdings zunächst unklar. Prigoschin war im Fall einer Ausreise nach Belarus vom Kreml Straffreiheit zugesichert worden.
Putin bot in seiner Rede dem Moskau gegenüber loyalen Teil der Wagner-Truppe an, Verträge mit dem russischen Verteidigungsministerium zu schließen.
Kremlsprecher Peskow sieht Autorität von Wladimir Putin gestärkt
Dass der Kreml das Machtgefüge in Russland nach dem inzwischen beendeten bewaffneten Aufstand nicht erschüttert sieht, bestätigte auch Kremlsprecher Dmitri Peskow am Dienstag nach Angaben russischer Nachrichtenagenturen. Es gebe jetzt eine Menge „ultra-emotionaler Hysterie“ unter Experten und „Pseudo-Experten“, sagte Peskow. Das habe „nichts mit der Realität zu tun“. „Diese Ereignisse haben gezeigt, wie konsolidiert die Gesellschaft um den Präsidenten herum ist“, behauptete Peskow.
Nach dem bewaffneten Aufstand des Söldnerchefs Jewgeni Prigoschin und dessen Wagner-Armee war das Strafverfahren gegen ihn wie vom Kreml angekündigt eingestellt worden. Peskow rechtfertigte die Straffreiheit, nachdem Präsident Wladimir Putin noch am Samstag angekündigt hatte, die Drahtzieher des Aufstandes würden ihrer „unausweichlichen Bestrafung“ zugeführt.
Peskow lobt Präsident Wladimir Putin: „Das Schlimmste verhindert“
Putin habe „das Schlimmste verhindern“ wollen, sagte Peskow. Es habe eine „klare Vereinbarung“ gegeben, das schlimmste Szenario zu vermeiden. Dafür habe es „bestimmte Versprechen“ und „Garantien“ Putins gegeben, die nun umgesetzt würden. Der Kremlchef wollte sich nach Angaben Peskows am Abend mit russischen Journalisten treffen.
Der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko äußerte sich am Dienstag ebenfalls zum kurzzeitigen Aufstand der Wagner-Söldnereinheiten und bezeichnete diesen als Gefahr für Russland. „Wenn Russland zusammenbricht, werden wir unter den Trümmern zurückbleiben, wir werden alle sterben“, sagte Lukaschenko nach Angaben der staatlichen belarussischen Nachrichtenagentur Belta am Dienstag bei einer Auszeichnungszeremonie in Minsk für hochrangige Militärs.
Lukaschenko über Putin: Nicht als „Held“ zu bezeichnen
Lukaschenko räumte ein, dass alle Beteiligten die Gefahr der Eskalation des Konflikts anfangs falsch eingeschätzt hätten. Die Beteiligten hätten geglaubt, dass sich die Situation so lösen lasse. Daher seien weder er noch Putin oder Prigoschin als „Helden“ zu bezeichnen. Zwei Menschen seien „aufeinandergeprallt“, sagte er mit Blick auf Putin und Prigoschin. „In diesem Fall gibt es keine Helden“, fügte Lukaschenko hinzu und kritisierte damit überraschend auch Kreml-Chef Putin.
Prigoschin hatte am Samstag nach Verhandlungen seinen Marsch Richtung Moskau überraschend gestoppt. Nach eigenen Angaben wollte er ein Blutvergießen unter russischen Soldaten verhindern und kehrte deshalb 200 Kilometer vor der russischen Hauptstadt wieder um. Er hatte auch die südrussische Stadt Rostow am Don besetzt und zog dort ebenfalls ab. Zuvor war der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko als Vermittler eingeschaltet worden. Prigoschin und seine Söldner sollen in Belarus Zuflucht finden. (pst mit dpa)