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Medwedew verhöhnt EuropaTrump „gedemütigt“ – Kreml attackiert Klinik und bejubelt Putins „perfekten Anruf“

Lesezeit 6 Minuten
Der russische Präsident Wladimir Putin gestikuliert am Dienstag während seiner Rede auf dem Jahreskongress der Russischen Union der Industriellen und Unternehmer. Kurz darauf telefonierte der Kremlchef mit Donald Trump.

Der russische Präsident Wladimir Putin gestikuliert am Dienstag während seiner Rede auf dem Jahreskongress der Russischen Union der Industriellen und Unternehmer. Kurz darauf telefonierte der Kremlchef mit Donald Trump.

Trump und Putin telefonieren erneut – und die Ergebnisse sind ernüchternd, auch wenn Washington es anders darzustellen versucht.

Kremlchef Wladimir Putin hat den von US-Präsident Donald Trump vorgeschlagenen bedingungslosen Waffenstillstand in der Ukraine in einem Telefonat am Dienstag abgelehnt und die russischen Kriegsziele erneut bekräftigt.

Der russische Präsident stimmte einem 30-tägigen gegenseitigen Verzicht auf Angriffe auf Energieanlagen zwar zu und ordnete diesen nach Moskauer Angaben unverzüglich an. Bereits wenige Stunden später meldete die Ukraine jedoch erneut russische Luftangriffe.

Luftangriffe kurz nach Telefonat zwischen Trump und Putin

In der Stadt Slowjansk kam es demnach durch die Attacken zu einem Stromausfall. In Sumy sei zudem ein Krankenhaus von einer russischen Drohne getroffen worden, gab der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj noch am Abend bekannt. Auch in der Hauptstadt Kiew wurde Luftalarm ausgelöst.

Putin hatte zuvor in dem mehr als anderthalb Stunden langen Gespräch mit Trump nach Angaben des Kremls erneut gefordert, die „Ursachen der Krise“ müssten beseitigt und die „legitimen Sicherheitsinteressen“ Russlands beachtet werden, damit „gemeinsame Lösungswege“ möglich seien.

Wladimir Putin bekräftigt seine Bedingungen

Der Kremlchef knüpfte eine Friedenslösung außerdem erneut an für die Ukraine erklärtermaßen inakzeptable Bedingungen. Die „vollständige Einstellung der ausländischen Militärhilfe“ und die Bereitstellung von Geheimdienstinformationen an Kiew seien „die wichtigste Voraussetzung zur Verhinderung einer Eskalation und zur Arbeit an einer Lösung“, stellte Putin demnach klar. Kiew hatte zuletzt auch die Schwächung der eigenen Streitkräfte als rote Linie für die Verhandlungen benannt.

Zugeständnisse machte der Kremlchef am Dienstag derweil erneut nicht – im Gegenteil. Einem Bericht der Zeitung „Kommersant“ zufolge soll Putin zuvor bei einem Treffen mit Wirtschaftsvertretern erklärt haben, dass es bei dem Gespräch mit Trump darum gehen werde, dem US-Präsidenten begreiflich zu machen, dass Russland „nichts weggenommen werden kann“, was Moskau bereits zum eigenen Staatsgebiet erklärt habe.

Kreml erhebt weiterhin Anspruch auf ukrainische Regionen

Der Kreml erhebt demnach weiterhin Anspruch auf die Krim und vier ukrainische Regionen. Zwei davon, Saporischschja und Cherson, konnte die russische Armee bisher jedoch nicht erobern. Auch die gleichnamigen Großstädte sind unter ukrainischer Kontrolle. Die Regionen aufzugeben, hat die Ukraine ausgeschlossen.

Putins Verzicht auf Angriffe gegen die ukrainische Energieinfrastruktur stelle unterdessen kein ernsthaftes Entgegenkommen dar, erklärte ein ukrainischer Geheimdienstoffizier der britischen Zeitung „The Times“ am nach dem Ende des Telefonats.

Donald Trumps „schlechter Deal“ für die Ukraine

Für die Ukraine sei das ein „schlechter Deal“. Russland greife derzeit nur selten ukrainische Kraftwerke an und spare sich die Raketen für den nächsten Winter auf, erklärte der Offizier. „Aber die Tatsache, dass wir russische Ölraffinerien zerstören, verursacht den Russen Milliardenverluste und ist sehr schmerzhaft für sie.“

US-Präsident Donald Trump im Weißen Haus. (Archivbild)

US-Präsident Donald Trump im Weißen Haus. (Archivbild)

Tatsächlich greift die Ukraine immer wieder erfolgreich Öl-Depots und Raffinerien in Russland an. Zuletzt gelangen Kiew mit neuartigen Waffensystemen dabei auch Angriffe gegen Ziele weit hinter der Grenze. Mitunter kämpfte Russland wochenlang gegen die daraus resultierenden Brände, der Betrieb vieler Anlagen so erheblich gestört werden. Trumps Deal zufolge müsste Kiew auf derartige Attacken nun verzichten – während die russischen Bodenoffensiven ungebremst weiterlaufen.

„Mein Telefonat mit Präsident Putin war ein sehr gutes und produktives“

Den US-Präsidenten hinderten die offensichtlichen Kritikpunkte jedoch nicht daran, das Gespräch mit seinem russischen Pendant als vollen Erfolg darzustellen. „Mein Telefonat mit Präsident Putin war ein sehr gutes und produktives“, verkündete Trump auf seiner Plattform Truth Social.

Das Statement des Weißen Hauses las sich ebenfalls deutlich positiver als die Worte des Kremls – die von Putin aufgestellten Bedingungen fehlten dort ebenso wie in Trumps Wortmeldung. Trump erklärte später in einem Interview, Putins Forderung sei im Gespräch gar nicht zur Sprache gekommen. „Wir haben nicht über Militärhilfe gesprochen“, zitierte Fox News den Präsidenten. 

Wladimir Putin hat „keinen Druck und spielt auf Zeit“

Dass Trump das Telefonat „völlig anders darstellt“ als Putin, sei „nicht überraschend“, erklärte der Politologe Thomas Jäger dazu. Trump stehe innenpolitisch unter Druck und müsse beweisen, dass er den Krieg beenden könne. Putin hingegen habe „keinen Druck und spielt auf Zeit“, führte der Professor für internationale Politik der Universität Köln aus.

Gleichzeitig wolle der Kremlchef der Ukraine mit der Pause bei Angriffen auf den Energiesektor das „erfolgreichste“ Druckmittel nehmen. Trump habe sich durch seine „Großmäuligkeit“ selbst in diese Lage manövriert, schrieb Jäger weiter bei X. Putin werde die kommenden Gespräche nun weiterhin dafür nutzen, „die USA und Europa zu spalten“, warnte der Kölner Politikwissenschaftler.

Trumps ehemalige Sicherheitsberater äußern scharfe Kritik

Auch einstige Weggefährten des US-Präsidenten ließen kein gutes Haar an seiner Verhandlungsstrategie: „Das ist typisch Putin“, erklärte H.R. McMaster, Trumps Sicherheitsberater während der ersten Amtszeit des Republikaners, gegenüber dem Sender Fox News. Trump habe sich vom Kremlchef manipulieren und benutzen lassen.

Moskau wolle der Ukraine lediglich die Möglichkeit verwehren, sich zu verteidigen, betonte McMaster. Der Kreml werde nun versuchen, „Trump zu einem für die Ukrainer inakzeptablen Deal zu bewegen und die USA dann nicht nur gegen die Ukraine, sondern auch gegen Europa aufzubringen“, warnte McMaster.

Ex-Botschafter: Trump von Putin „absichtlich gedemütigt“

John Bolton, ebenfalls ein ehemaliger Sicherheitsberater Trumps, äußerte sich ähnlich. Der US-Präsident werde sich zwar als Sieger feiern, der „wesentliche Gewinner“ des Telefonats sei aber Putin, sagte Bolton dem „Times Radio“. Das Ergebnis des Telefonats verdeutliche vor allem, „wie weit Trump bereit ist, sich in die Richtung Russlands zu lehnen“, fügte Bolton an.

Der russische Präsident habe Trump insbesondere mit den Angriffen auf die Ukraine direkt nach dem Telefonat „mit Absicht gedemütigt“, befand unterdessen Michael McFaul, ehemaliger US-Botschafter in Russland. „Putin respektiert ausschließlich Stärke“, die Appeasement-Taktik und vielen Zugeständnisse des US-Präsidenten würden beim Kremlchef nicht funktionieren, warnte McFaul auf der Plattform X.

Selenskyj: Putin plant neue militärische Offensiven in Ukraine

„Putin hat heute den Vorschlag für einen vollständigen Waffenstillstand de facto zurückgewiesen“, stellte schließlich am späten Dienstagabend auch Wolodymyr Selenskyj klar. „Es wäre richtig, wenn die Welt darauf reagieren und alle Versuche Putins, den Krieg zu verlängern, zurückweisen würde“, forderte der ukrainische Präsident, der gegenüber ukrainischen Medien ankündigte, das Gespräch mit Trump suchen zu wollen.

Russland habe keinen Frieden im Sinn, warnte Selenskyj. Im Gegenteil plane der Kreml derzeit militärische Offensiven gleich in vier Richtungen in der Ukraine. „Ich möchte wirklich, dass Präsident Trump hört und sieht, was Putin will“, zitierte die öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt „Suspilne“ den ukrainischen Präsidenten.

Glückseligkeit in Moskau

In Moskau herrschte unterdessen nachdem Telefonat zwischen Putin und Trump – wie bereits oft in den vergangenen Wochen – beste Stimmung. Ex-Präsident Dmitri Medwedew veranlasste das Gespräch erneut zu einer seiner bekannten vulgären Tiraden.

„Das Telefonat zwischen den Präsidenten Putin und Trump bestätigt eine altbekannte Idee: Im Speisesaal sind nur Russland und Amerika vertreten“, schrieb Medwedew bei X – und bejubelte, dass Europa und die Ukraine bei den Gesprächen weiterhin keine große Rolle spielen. „Auf der Speisekarte: leichte Vorspeisen – Brüsseler Kohl, britische Fish and Chips und Pariser Hähnchen. Als Hauptgericht gibt es ein Kotelett nach Kiewer Art. Guten Appetit!“, fügte Medwedew an.

„Jetzt ist offiziell – ein PERFEKTER Anruf“

Kirill Dmitriev, ein Sondergesandter Putins, der an den Gesprächen mit Washington beteiligt ist, wählte unterdessen fast schon glückselige Worte. „Jetzt ist offiziell – ein PERFEKTER Anruf“, schrieb Dmitriev am Dienstagabend bei X – inklusive Friedenstauben-Emoji.

Noch während des Telefonats hatte Putins Sondergesandter zuvor bereits von einem „historischen“ und „epischen“ Moment berichtet. Unter der Führung der beiden Staatschef sei „die Welt heute ein viel sicherer Ort geworden“, hieß es da. Zumindest die russische Ölindustrie dürfte diesem Urteil zustimmen.