Der russische Außenminister hat sich erneut zu Verhandlungen mit Kiew geäußert – und Kritik an Ex-Kanzlerin Angela Merkel geübt.
Vergiftete VerhandlungsbereitschaftLawrow nennt Bedingungen – und zitiert Gedicht vom „Kampf mit ganz Europa“
Russland ist nach Aussagen von Außenminister Sergej Lawrow weiterhin unter bestimmten Bedingungen bereit, Abkommen über die Ukraine abzuschließen. „Unsere Position bleibt dieselbe: Wir sind bereit, Abkommen zu treffen, vorausgesetzt, dass die aktuelle Situation vor Ort berücksichtigt wird“, zitierte die staatliche Nachrichtenagentur Tass Lawrow in einem am frühen Donnerstagmorgen veröffentlichten Interview. Darüber hinaus müssten die Sicherheitsinteressen Russlands beachtet werden, darunter die Notwendigkeit, „die Schaffung eines feindlichen Nazi-Regimes in der Nähe der russischen Grenzen zu verhindern“.
Lawrow hatte laut Tass bereits gesagt, je länger Kiew Gespräche mit Moskau verzögere, desto schwieriger werde eine Einigung. Moskau besteht vor möglichen Verhandlungen unter anderem darauf, dass die Ukraine auf ihre von russischen Truppen besetzten Gebiete verzichtet. Das lehnt die Ukraine entschieden ab.
Russland besteht auf Gebietsverzicht der Ukraine
Am Dienstag hatte der frühere ukrainische Box-Weltmeister Wladimir Klitschko gesagt, er sehe derzeit keinerlei Chancen, mit Russland über Frieden zu verhandeln. „Verhandlungen mit wem, mit Russland, mit (dem russischen Präsidenten Wladimir) Putin, Lawrow, mit wem?“, hatte der 47-Jährige in der ZDF-Sendung von Markus Lanz eine entsprechende Frage beantwortet.
Auch Lawrow sieht keine baldigen Verhandlungen. Berichte über mögliche Gespräche im Herbst seien bloß Gerüchte, erklärte der Außenminister. „Indem der Westen solche aufstachelnden Gerüchte verbreitet, scheint er unsere Bereitschaft, seine Bedingungen zu akzeptieren, auf die Probe zu stellen“, führte er aus.
Sergei Lawrow wirft dem Westen vor, die Ukraine „mit Waffen zu überschwemmen“
„Sie versuchen, Zeit zu gewinnen, um die Ukraine zusätzlich zu den bereits gelieferten Waffen mit weiteren Waffen zu überschwemmen“, erklärte Lawrow. Außerdem behauptete der russischen Außenminister, die ehemaligen europäischen Regierungschefs Angela Merkel, François Hollande und Piotr Poroschenko hätten als einziges Ziel beim Abkommen von Minsk gehabt, Wladimir Putin „in die Irre zu führen“. Das Abkommen sei vom Westen nur getroffen worden, „um die Waffenbestände des ukrainischen Regimes für den Kampf gegen die Russen aufzufüllen“.
Die Äußerungen des Außenministers passen ins Bild: Immer wieder erklärten Russlands Politiker in der letzten Zeit eine angebliche Verhandlungsbereitschaft, jedoch immer nur dann, wenn die Forderungen Russlands dabei erfüllt werden. Parallel kommen aus Moskau auch immer wieder schrille Drohungen, etwa vom Vize-Chef des russischen Sicherheitsrat Dmitri Medwedew.
Poetischer Außenminister: Lawrow zitiert Gedicht über „Kampf mit ganz Europa“
Auch Lawrow bediente sich schärferer Worte, kurz bevor er seine angebliche Verhandlungsbereitschaft verkündete. Bei einem Besuch bei einem russischen Bildungsprojekt am Mittwochnachmittag zitierte der Außenminister den russischen Dichter Fjodor Tjutschew mit den Worten: „Es besteht kein Grund mehr, sich selbst zu täuschen – Russland wird aller Wahrscheinlichkeit nach in einen Kampf mit ganz Europa eintreten.“ Die Zeilen stammen laut Tass aus einem Gedicht, das Tjutschew in den 1850er Jahren verfasst hat.
„Dass dieser wütende Hass, der 30 Jahre lang jedes Jahr immer stärker im Westen gegen Russland entfacht wurde, eines Tages losbrechen würde, konnte man schon vor langer Zeit vorhersagen. Dieser Moment ist gekommen“, lautet ein weiteres von Lawrow vorgetragenes Zitat. „Wenn wir von Daten und Jahrestagen abstrahieren, trifft dies durchaus auf das zu, was der Westen heute in Bezug auf unser Heimatland tut“, fügte der russische Außenminister an.