Nikita Semjanow soll minderjährige Mädchen missbraucht haben, ehe er seinen Schwiegervater tötet. Für Wladimir Putin ist er dennoch ein Held.
Von Putin für Kriegseinsatz begnadigtRussische Schulen feiern pädophilen Mörder als Helden
Die Vorwürfe wiegen schwer, sie werden von einer ganzen Reihe von russischen Frauen erhoben: Nikita Semjanow soll minderjährige Mädchen jahrelang sexuell missbraucht haben. Verurteilt wird der Russe allerdings erst nach dem Tod seines Schwiegervaters – wegen Mordes. Das Gericht sieht es als erwiesen an, dass er den Mann erschlagen und erdrosselt hat.
Im Mai 2022 verurteilt das Gericht Semjanow zu neun Jahren Haft in einer Hochsicherheitskolonie. Doch dort bleibt er offenbar nicht lange, wie russische Medienberichte nun zeigen. Im Februar 2024 erfahren die Angehörigen des Ermordeten zufällig, dass Semjanow wieder frei ist – ohne auch nur ein Jahr abzusitzen.
Von Putin begnadigt, in Schulen in Russland gefeiert: Pädophiler Mörder ist jetzt „Kriegsheld“
Ihren Angaben zufolge zog er im Mai 2023 als Söldner in die Ukraine, um dort zu kämpfen, Hinweise in den sozialen Medien lassen darauf schließen, dass Semjanow unter anderem in Bachmut im Einsatz war. Doch nicht nur das: Der mutmaßlich Pädophile wurde für den Kriegseinsatz nicht nur begnadigt, er tritt nun offenbar in Schulen vor Kindern als „Held der Spezialoperation“ auf.
Der Fall Nikita Semjanow, von Wladimir Putin begnadigt, kam ans Licht, weil seine Ex-Frau Polina über die Rückkehr Semjanows auf vk.com, dem russischen Facebook-Pendant, berichtete. Anschließend recherchierte das unabhängige Nachrichtenportal „Sibir.Realii“ weiter, sprach unter anderem mit mehreren Zeuginnen.
Semjanow tötete Schwiegervater und bekam neun Jahre Haft – ehe Putin ihn begnadigte
Sibir.Realii ist ein russischer Ableger des US-Auslandssenders Radio Free Europe/Radio Liberty (RFE/RL), der in Russland zu einer „unerwünschten Organisation“ erklärt worden ist. RFE/RL produziert auf Russisch unter anderem das Radioprogramm „Radio Swoboda“ (Radio Freiheit) und den TV-Nachrichtenkanal „Current Time“, der ebenfalls über den Fall berichtete.
Den Berichten sowie Gerichtsakten zufolge tötete Semjanow 2021 in einem Streit in seiner heimischen Garage den eigenen Schwiegervater. Laut Gericht habe er den älteren Mann erwürgt und vergraben. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Russe laut mehreren Zeuginnen bereits zahlreiche Straftaten verübt, die bis dato juristisch ungesühnt blieben.
Berichte über sexuellen Missbrauch von Minderjährigen
Mehrere weitere seiner Opfer und Augenzeugen der Verbrechen bestätigen gegenüber Sibir.Realii, dass Semjanow „sexuelle Beziehungen mit Mädchen im Alter von 13 bis 15 Jahren hatte“ und auch seine Tochter aus erster Ehe geschlagen habe. Laut einer Quelle, die sich Olga nennt, soll Semjanow Polina „vor Fremden vergewaltigt haben, auch vor Minderjährigen“. „Als sie 13 und er 21 war, schliefen sie zum ersten Mal miteinander“, berichtet Olga.
Eine weitere Zeugin, von der Redaktion Diana genannt, bestätigt den Missbrauch ebenfalls. Dass der Mann nun wieder frei ist und überdies auch noch als Kriegsheld gefeiert ist, schockiert sie.
„Ich war entsetzt, als ich herausfand, dass er frei war“, so Diana. Sie sei bereit, vor Gericht gegen ihn auszusagen, „weil er frei in der Schule herumhängt und mit Kindern spricht. Denen wird immer noch gesagt wird, dass er angeblich ein Held ist ... Da bekomme ich eine Gänsehaut. Was für ein Held ist er? Er ist ein Pädophiler und Mörder!“
Russische Propaganda verklärt Nikita Semjanow zum Kriegshelden und schickt ihn an Schulen
Die russische Propaganda-Maschinerie erzählt eine andere Geschichte: Missbrauch und Mord spielen keine Rolle, stattdessen präsentiert das Regime um Wladimir Putin einen Kriegshelden.
Die Schule Lyzeum Nummer 9 in Nowosibirsk zählt heute zu den Bildungseinrichtungen der Stadt, in denen Semjanow seit Februar als „Held der Spezialoperation“ vor Kindern auftritt. Dies belegen unter anderem Bilder in den sozialen Medien.
Seit Beginn des russischen Angriffskriegs laden Schulen in Russland oft Soldaten und Söldner zu Propagandazwecken ein. Nicht selten stehen dabei ehemalige Schwerverbrecher auf der Bühne, die für ihren Einsatz im Kriegsgebiet in der Ukraine begnadigt wurden – und dort mutmaßlich weitere völkerrechtswidrige Straftaten begangen haben.