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Gabriel kritisiert KanzlerPutin droht wegen US-Raketen in Deutschland – Wirbel um Gruß von Matrosen

Lesezeit 4 Minuten
Kremlchef Wladimir Putin nutzt seine Reden beim traditionellen Tag der Marine, der am letzten Juli-Sonntag gefeiert wird, immer wieder zur Machtdemonstration.

Kremlchef Wladimir Putin nutzt seine Reden beim traditionellen Tag der Marine, der am letzten Juli-Sonntag gefeiert wird, immer wieder zur Machtdemonstration.

Putin warnt Berlin bei seiner Marine-Parade – und wird dabei mit ausgestrecktem Arm gegrüßt. In Deutschland wird derweil Kritik laut.

Kremlchef Wladimir Putin hat bei der großen Marineparade in St. Petersburg eine Reaktion auf die für 2026 geplante Stationierung von US-Raketen in Deutschland angedroht. Russland werde im Fall einer Umsetzung der Pläne „spiegelgerecht“ reagieren und sich einem früheren Verbot atomarer Mittelstreckenwaffen nicht mehr verpflichtet fühlen. Die Waffen dafür seien kurz vor der Fertigstellung, hieß es aus dem Kreml.

Russland hatte die in diesem Monat verkündete Entscheidung der USA, Marschflugkörper und Raketen in Deutschland 2026 als zusätzliche Abschreckung zu stationieren, scharf kritisiert. Putin selbst beklagte einen Rückfall in den Kalten Krieg. Die Pläne gelten als Reaktion auf den seit zwei Jahren andauernden russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine.

Wladimir Putin droht mit Reaktion auf US-Raketen in Deutschland

Putin betonte bei der Parade, dass mit den Raketen, die in der Perspektive auch mit nuklearen Sprengköpfen ausgerüstet werden könnten, wichtige Ziele in Russland in Reichweite gerieten. Staatliche, militärische Objekte und wichtige Industrieanlagen könnten so binnen zehn Minuten getroffen werden. Darauf werde Russland „spiegelgerecht“ antworten. Auch russische Kriegsschiffe könnten demnach mit Raketen als Antwort ausgestattet werden.

In einer Erläuterung der Bundeswehr zum russischen Vorgehen heißt es, Russland habe unter anderem nuklearwaffenfähige Iskander-Raketen in der Exklave Kaliningrad stationiert und könne mit seinen Mittelstreckenwaffen auch deutsche Städte treffen. Die Pläne seien eine Antwort hierauf und dienten der Abschreckung.

Wladimir Putin: Marineparade als Machtdemonstration

Unter den US-Waffen für Deutschland sollen Marschflugkörper vom Typ Tomahawk sein, die technisch gesehen auch nuklear bestückt sein können, Luftabwehrraketen vom Typ SM-6 und neu entwickelte Hyperschallwaffen, die insgesamt weiter reichen sollen als bislang stationierte Landsysteme.

An der Parade in Putins Heimatstadt St. Petersburg nahmen auch Kriegsschiffe aus China, Indien und Algerien sowie Delegationen aus einem Dutzend Staaten teil. Insgesamt beteiligten sich an den Marineparaden im ganzen Land nach Angaben des Verteidigungsministeriums in Moskau rund 200 Kriegsschiffe verschiedener Klassen, mehr als 100 Einheiten Kampftechnik und etwa 15.000 Angehörige der Streitkräfte.

Ausgestreckter Arm für Putin: Geste bei Marineparade sorgt für Wirbel

Für Wirbel sorgte im Anschluss an die Parade insbesondere eine Szene: So zeigten russische Sender, wie Kremlchef Putin sich von einem Boot aus an die Soldaten auf den an der Parade beteiligten Kriegsschiffen wendet. Daraufhin war eine Gruppe von Soldaten zu sehen, die den Kremlchef mit gestrecktem rechten Arm grüßte.

Einige osteuropäische Medien verbreiteten die Szene daraufhin – und stellten sie in den Kontext des Hitlergrußes. Entgegen der Berichte handelte es sich offenbar jedoch nicht um russische Matrosen, sondern um indische Soldaten. Russische Medien nannten die Geste „Tin-Jai“-Gruß und behaupteten, diese habe eine lange Tradition.

Sigmar Gabriel kritisiert Bundesregierung

In Deutschland wird unterdessen Kritik am Vorgehen der Bundesregierung laut. Die geplante Verlegung weitreichender US-Waffen nach Deutschland ist nach Ansicht des früheren SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel nicht ausreichend diskutiert worden. „Es wird einfach entschieden“, sagte der Ex-Außenminister der „Rheinischen Post“.

Die Erhöhung der Verteidigungs- und Abschreckungsfähigkeit mit solchen Waffensystemen brauche immer das Verständnis für die Gründe einer solchen Stationierung in der Bevölkerung. Für Deutsche gebe es eine besonders heikle Frage: „Die Stationierung solcher Waffensysteme hat ja immer das Ziel, dass sie nie eingesetzt werden, weil die gegnerische Macht weiß, dass es am Ende nur Verlierer gibt.“

„Deutschland wäre das Schlachtfeld“

Das Problem aller nuklearen Strategien in Europa sei aber, „dass für den Fall, dass es trotzdem einmal zum Einsatz solcher Waffen kommen könnte, Zentraleuropa und damit Deutschland immer das Schlachtfeld wäre, auf dem ein solcher Schlagabtausch ausgetragen würde“.

Auch Sahra Wagenknecht, Chefin des als russlandfreundlich geltenden Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) kritisierte die geplante Verlegung der US-Waffen. „Viele Menschen sind zu Recht beunruhigt, weil die Bundesregierung unser Land immer mehr zur Kriegspartei im Ukraine-Krieg macht und bisher jedes Bemühen um diplomatische Lösungen vermissen lässt“, erklärte Wagenknecht.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat unterdessen allen Bemühungen um ein schnelles Ende des Kriegs einen Riegel vorgeschoben. Er könne nicht auf die Forderungen nach einem Waffenstillstand eingehen, solange Russland ukrainisches Territorium besetzt halte, sagte er in einem Interview des japanischen Senders NHK. Damit bekräftigte Selenskyj die bisherige Linie seiner Regierung. (das/dpa)