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Wirbel an Putins GeburtstagGelöschte Backups, neue Reise-Ängste und erzwungene Grüße für den Kremlchef

Lesezeit 4 Minuten
Kremlchef Wladimir Putin im Kreml. Am 7. Oktober ist der russische Präsident 72 Jahre alt geworden – nicht ohne Störgeräusche.

Kremlchef Wladimir Putin im Kreml. Am 7. Oktober ist der russische Präsident 72 Jahre alt geworden – nicht ohne Störgeräusche. (Archivbild)

Der Kreml inszeniert Wladimir Putin zum Geburtstag als fleißig und bescheiden. Doch es gibt auch ungewollte Störgeräusche.

Kremlchef Wladimir Putin ist am Montag (7. Oktober) 72 Jahre alt geworden – und hat dabei wie in den Vorjahren versucht, sich als bescheidener und fleißiger Staatschef zu präsentieren. Der Kremlchef arbeite natürlich auch an seinem Geburtstag, teilte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Montag mit. Viele internationale Gäste wären aber wohl ohnehin nicht zu einer Feier nach Moskau gereist – angesichts des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine stehen offiziell nur noch wenige Staaten fest an der Seite Russlands. Und so spielte Russlands Krieg auch an Putins Geburtstag schließlich eine große Rolle.

„Unser staatlicher Medienkonzern, einer der größten, war einem beispiellosen Hackerangriff auf seine digitale Infrastruktur ausgesetzt“, erklärte Kremlsprecher Peskow gegenüber russischen Medien am Montag. Verantwortlich für den Angriff, der pünktlich zum Geburtstag des Kremlchefs gestartet worden war, scheint die Ukraine zu sein.

„Gratulation“ aus Kiew: Hackerangriff trifft Putins Staats-TV

„Ukrainische Hacker ‚gratulierten‘ Putin zu seinem Geburtstag, indem sie einen groß angelegten Angriff auf das gesamtrussische staatliche Fernseh- und Rundfunkunternehmen durchführten“, sagte eine ukrainische Quelle der Nachrichtenagentur Reuters. Betroffen war demnach der Konzern VGTRK, der mit Rossiya-1 einen der bekanntesten russischen Propagandasender betreibt. Bei den Angeboten der Mediengruppe kam es Montag demnach zu Störungen und mitunter auch Ausfällen.

„Online-Übertragungen und interne Dienste sind ausgefallen und sogar das Internet und die Telefonie funktionieren nicht“, zitierte die russische Zeitung „Gazeta“ eine anonyme Quelle innerhalb der Mediengruppe. „Ich habe gehört, die Hacker haben alles von den Servern gelöscht, einschließlich der Backups“, zitierte die russische Zeitung ihre Quelle weiter. Es werde „lange dauern, das Problem zu beheben“, hieß es weiter.

Wladimir Putin bei einer vom russischen Staatssender Rossiya 1 übertragenen TV-Ansprache. Der Sender ist am Geburtstag des Kremlchefs Opfer eines Hackerangriffs geworden. (Archivbild)

Wladimir Putin bei einer vom russischen Staatssender Rossiya 1 übertragenen TV-Ansprache. Der Sender ist am Geburtstag des Kremlchefs Opfer eines Hackerangriffs geworden. (Archivbild)

Der Hackerangriff auf die russischen Propagandamedien, die immer wieder zur „Säuberung“ und Vernichtung der Ukraine aufrufen und wiederholt Atomschläge auf westliche Nato-Länder gefordert haben, hinderte den Kreml jedoch nicht daran, das eigene Propaganda-Programm anlässlich Putins Geburtstag durchzuziehen. Teil davon ist auch die weitere Indoktrinierung russischer Kinder, wie das russische Oppositionsmedium „Novaya Gazeta Europe“ berichtete.

Russische Schulkinder müssen „Glückwunschbotschaften“ für Wladimir Putin aufnehmen

So seien in mindestens 30 russischen Schulen die Kinder dazu gezwungen worden, „Glückwunschbotschaften“ für Kremlchef Putin aufzunehmen. In einem der Videos wünschten die Kinder dem Kremlchef „ein langes Leben“, „weniger schlechte Nachrichten“ und schwenkten am Ende der Botschaft wenig begeistert ihre Fahnen, berichtete die Zeitung.

In einem anderen der Videos wünschten die Kinder Putin „Glück, Geduld und die Liebe des Volkes“. Einige der Aufnahmen enden demnach mit einem Ausruf der Kinder: „Der Sieg wird uns gehören!“ In den sozialen Netzwerken kursierten zudem Bilder, die russische Kinder – mitunter auf Knien – zeigten, wie sie mit Russlandfahnen in der Hand so positioniert worden waren, dass ihre Körper das Wort „Putin“ formten.

Die Videobotschaften folgen auf Putins jüngste Anordnung, den Propagandaunterricht in Kindergärten und Schulen weiter auszubauen. Russlands „Grundwerte“ müssten bereits den kleinsten Kindern „sorgfältig vermittelt“ werden, hatte der Kremlchef noch in der letzten Woche erklärt.

Krieg und traditionelle Werte: Putin will Kindern Russlands „Grundwerte“ vermitteln

„Der Unterricht ähnelt eher Propaganda als Bildung, die Schüler diskutieren dort die ‚spirituellen und moralischen Werte‘ der Familie“, beschreibt die „Novaya Gazeta“ das „Bildungsprogramm“ des Kremls, das darauf abzielt, die Geburtenrate in Russland zu steigern. Bereits in jungen Jahren werden russische Kinder dabei indoktriniert – und sollen so zu Kriegsunterstützern und Anhängern „traditioneller Werte“ geformt werden.

Kremlchef Wladimir Putin zusammen mit dem belarussischen Diktator Alexander Lukaschenko in der Bocharow-Ruchei-Residenz in Sotschi. (Archivbild)

Kremlchef Wladimir Putin zusammen mit dem belarussischen Diktator Alexander Lukaschenko in der Bocharow-Ruchei-Residenz in Sotschi. (Archivbild)

Während die vom Kreml gewollte Inszenierung als fröhliches Volksfest mittlerweile zum Routineprogramm rund um Putins Geburtstag geworden ist, sorgte ein für Putin durchaus peinlicher Bericht am Montag für etwas Wirbel, der nicht in Moskaus Programmplanung vorgesehen gewesen sein dürfte. So enthüllte das russische Investigativmedium „Proekt“ pünktlich zum Geburtstag des Kremlchefs den Grund, warum Putin bereits seit Monaten nicht mehr in den bei ihm eigentlich sehr beliebten Schwarzmeer-Ferienort Sotschi gereist ist.

Bericht: Putin reist aus Angst nicht mehr in beliebten Urlaubsort

Der Kremlchef fühle sich nach mehreren Drohnenangriffen in der Region „in seiner körperlichen Sicherheit bedroht“, berichtete demnach eine Quelle aus dem Umfeld des russischen Präsidenten. Putin hat also mittlerweile Angst, in seinem eigenen Land zu verreisen.

Normalerweise verbringe der Kremlchef mindestens 30 Tage in der „Bocharow-Ruchei“-Residenz in Sotschi, berichtete schließlich auch die „Moscow Times“. In diesem Jahr sei Putin jedoch „so wenige Tage wie noch nie“ in Sotschi gewesen, hieß es weiter. Damit der wahre Grund für sein Fernbleiben nicht auffalle, seien Renovierungsarbeiten in der Residenz begonnen worden, berichteten die russischen Medien weiter.

Seit März habe der Kremlchef die Residenz nicht mehr besucht – und damit auch seine langjährige Tradition aufgegeben, den Geburtstag seiner inoffiziellen Lebensgefährtin Alina Kabajewa in Sotschi zu feiern. Die ehemalige Sportgymnastin ist am 12. Mai 41 Jahre alt geworden. Sie soll zwei Kinder mit dem Kremlchef haben, der allen Anzeichen nach auch in seinem neuen Lebensjahr an seinem Kriegskurs festhalten wird – Hackerangriffen und peinlichen Berichten zum Trotz.