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Ukraine und Moldau sind EU-Kandidaten, andere könnten folgen

Lesezeit 3 Minuten

Brüssel – Die von Russland angegriffene Ukraine und das kleinere Nachbarland Moldau sind offiziell EU-Beitrittskandidaten. Das beschlossen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und die anderen 26 Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union beim EU-Gipfel in Brüssel.

Bosnien-Herzegowina und Georgien könnten demnächst folgen, sobald sie bestimmte Reformen erfüllen. Ratspräsident Charles Michel und der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sprachen von einem „historischen Moment”. Selenskyj wurde nach der Entscheidung live zum Gipfel zugeschaltet. „Die Zukunft der Ukraine liegt in der EU”, schrieb er auf Twitter.

Macron: „Politische Geste”

Der französische Präsident Emmanuel Macron sprach von einer „politischen Geste”. Kanzler Scholz schrieb auf Twitter: „27 Mal Ja!” Er ergänzte: „Auf gute Zusammenarbeit in der europäischen Familie!”

Insgesamt kandidieren nun sieben Länder für die EU-Mitgliedschaft. Neben der Ukraine und Moldau sind das Montenegro, Nordmazedonien, Albanien, Serbien und die Türkei. Im Fall Türkei liegen die Verhandlungen allerdings auf Eis. Potenzieller Beitrittskandidat ist neben Bosnien und Georgien auch noch das Kosovo. Den Balkanländern wurde der EU-Beitritt schon vor 19 Jahren in Aussicht gestellt. Die Türkei ist am längsten Beitrittskandidat: knapp 23 Jahre.

Von der Leyen nannte die Entscheidung ein Zeichen der Hoffnung für die Ukraine, Moldau und Georgien. „Heute ist ein guter Tag für Europa”, sagte sie. „Ich bin überzeugt, dass unsere Entscheidung, die wir heute getroffen haben, uns alle stärkt.”

Keine Garantie für zügige Aufnahme

Mit der einstimmigen Entscheidung der 27 Mitgliedstaaten erkennt die EU die Anstrengungen der Staaten um eine Beitrittsperspektive an und will ihnen Mut machen, den Weg entschlossen fortzuführen. Vor allem Selenskyj hatte angesichts des russischen Kriegs gegen sein Land zuletzt immer wieder eine solche Botschaft der EU eingefordert - auch um den mehr als 40 Millionen Bürgern seines Landes zu zeigen, dass sich der Kampf für Freiheit und Demokratie lohne.

Nach einer Empfehlung der EU-Kommission sollen EU-Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine und Moldau erst dann beginnen, wenn diese weitere Reformauflagen erfüllt haben. Dabei geht es etwa um Justizreformen und eine stärkere Korruptionsbekämpfung. Der ukrainische Ministerpräsident Denys Schmyhal kündigte an: „Wir sind voller Energie, um den Weg zur Mitgliedschaft so schnell wie möglich zu gehen.”

Balkan-Staaten frustriert - Hoffnung für Bosnien-Herzegowina

Zunehmend frustriert sind die ebenfalls auf einen EU-Beitritt hoffenden Westbalkanstaaten. Das EU-Land Bulgarien blockiert seit mehr als einem Jahr die Aufnahme von Beitrittsgesprächen mit Nordmazedonien und Albanien, weil sich Nordmazedonien weigert, auf Forderungen zu den Themen Minderheiten, Geschichtsschreibung und Sprache einzugehen. Versuche, die Blockade rechtzeitig vor einem am Rande des EU-Gipfels organisierten Westbalkan-Treffen zu lösen, scheiterten.

Bosnien-Herzegowina kann aber hoffen, bald in den Kreis der Beitrittskandidaten aufgenommen zu werden. Nach Angaben von EU-Ratspräsident Charles Michel soll die EU-Kommission zügig einen neuen Bericht zu den Reformanstrengungen des Landes vorlegen. Die EU-Staaten wären dann bereit, eine Entscheidung über den Beitrittskandidatenstatus für das rund 3,3 Millionen Einwohner zählende Bosnien-Herzegowina zu treffen, erklärte der Belgier am Rande des EU-Gipfels in Brüssel.

Insbesondere Österreich hatte zuvor darauf gedrungen, auch Bosnien-Herzegowina offiziell zu einem Kandidaten für den EU-Beitritt zu machen. „Der Paradigmenwechsel war, dass Bosnien wieder in den Fokus zurückgekommen ist”, betonte Nehammer nach dem Gipfel. „Wir dürfen den Balkan nicht vergessen. Es ist wichtig, sich um Bosnien-Herzegowina zu kümmern.”

Explodierende Energiepreise Thema zum Abschluss des Gipfels

Das Treffen in Brüssel geht heute mit einem Euro-Gipfel zu Ende, bei dem es unter anderem um die hohe Inflation und die explodierten Energiepreise gehen wird. Das Thema treibt die Staats- und Regierungschefs auch deshalb stark um, weil die Bürgerinnen und Bürger unmittelbar davon betroffen sind.

Auch die Möglichkeit eines Preisdeckels für Gas, für den sich unter anderem Italien einsetzt, dürfte wieder aufkommen. Zudem soll darüber beraten werden, wie mit den Ergebnissen des einjährigen Bürgerdialogs zur Zukunft der EU umgegangen wird.

© dpa-infocom, dpa:220623-99-778173/3 (dpa)