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„Putins Träume werden verwirklicht“Moskau droht Europa – Wirbel um Trump-Plan

Lesezeit 6 Minuten
Kremlchef Wladimir Putin am Montag in Moskau. Russlands Präsident zeigt sich nun „wenn nötig“ bereit für direkte Gespräche mit Wolodymyr Selenskyj.

Kremlchef Wladimir Putin am Montag in Moskau. Russlands Präsident zeigt sich nun „wenn nötig“ bereit für direkte Gespräche mit Wolodymyr Selenskyj.

USA und Russland sprechen ohne die Ukraine über die Ukraine. Moskau droht gleichzeitig Europa – und Donald Trump sorgt für Wirbel im Baltikum.

Kaum waren die Gespräche in Saudi-Arabien zwischen US-Außenminister Marco Rubio und seinem russischen Pendant, Sergej Lawrow, gestartet, stärkten die ersten Eilmeldungen bereits den Eindruck aus den letzten Tagen: Russland diktiert die Bedingungen – und macht bisher so gut wie keine Zugeständnisse.

Die Ukraine habe das „Recht“ auf einen EU-Beitritt, nicht aber auf eine Mitgliedschaft in der Nato, verkündete der Kreml, während die Gespräche ohne Beteiligung der Ukraine in Saudi-Arabien andauerten. Außerdem sei Kremlchef Wladimir Putin „wenn nötig“ nun sogar dazu bereit, mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zu verhandeln.

Klare Botschaft aus Moskau: „Keine Gedanken“ an Zugeständnisse

Was wie eine Konzession klingt, ist eigentlich nur die Rückkehr zu einer Selbstverständlichkeit. Dass die Gespräche ohne die Beteiligung Selenskyjs und Europas gestartet sind, war schließlich ein Wunsch aus Moskau, dem Washington entsprochen hat. Dass der Kreml in den jetzt gestarteten Verhandlungen mit den USA nicht plant, plötzlich einzulenken, stellte Lawrow derweil noch kurz vor dem Treffen klar.

Das amerikanische Verhandlungsteam um Außenminister Marco Rubio zusammen mit den russischen Vertretern um Außenminister Sergej Lawrow in Riad.

Das amerikanische Verhandlungsteam um Außenminister Marco Rubio zusammen mit den russischen Vertretern um Außenminister Sergej Lawrow in Riad.

Es könne „keinen Gedanken“ an territoriale Zugeständnisse an die Ukraine seitens Russlands bei möglichen Friedensgesprächen geben, erklärte der Außenminister vor seiner Abreise nach Saudi-Arabien. Weder auf die „russischsprachige Bevölkerung“ noch auf die Seltenen Erden werde Russland verzichten, führte Lawrow laut russischen Staatsmedien aus.

Verachtung vom Kreml: „Das, was jetzt Ukraine genannt wird“

Ein Entgegenkommen für „das, was jetzt Ukraine genannt wird“ schloss Moskaus Chefdiplomat aus – und unterstrich mit seiner Wortwahl, dass Moskau trotz der Gespräche mit Washington die imperialistische Perspektive auf das Nachbarland nicht zu ändern gedenkt.

Russland werde gegenüber der Ukraine „keinerlei Zugeständnisse machen“, schrieb der Historiker und Russland-Experte Matthäus Wehowski dazu auf der Plattform X. Lawrows Worte machten deutlich, dass Moskau seinen Kurs nicht geändert habe.

Russland-Experte: „Die Ukraine soll bedingungslos kapitulieren“

„Die Ukraine soll bedingungslos kapitulieren, Territorien abtreten und eine prorussische Marionettenregierung akzeptieren“, führte Wehowski aus. Die Gespräche mit den USA betrachte Moskau als Verhandlung darüber, wie die Ukraine kapitulieren soll, nicht ob. Noch wichtiger sei Moskau jedoch abzustecken, „wie Europa in einem ‚Jalta 2.0‘ zwischen den ‚Interessensphären‘ aufgeteilt werden soll“. Auch darüber, so Wehowski, wollten die beiden „Großmächte“ alleine entscheiden.

Warnungen vor diesem Szenario kommen derweil auch aus den USA. „Ich hoffe, wir erleben in Saudi-Arabien nicht Jalta 2.0“, schrieb Michael McFaul, ehemaliger US-Botschafter in Russland, bei X. „Ich fürchte aber, das werden wir“, fügte er hinzu. In Jalta auf der Halbinsel Krim hatten sich 1945 sich die Staatsoberhäupter und Regierungschefs Großbritanniens, der USA und der Sowjetunion getroffen, um sich über die Zukunft Europas nach dem Ende der NS-Herrschaft zu verständigen.

Kreml stellt klar: „Das Wichtigste ist, unsere Ziele zu erreichen“

„Das Wichtigste für uns ist, unsere Ziele zu erreichen, und natürlich bevorzugen wir friedliche Mittel, um unsere Ziele zu erreichen“, bekräftigte unterdessen auch Kremlsprecher Dmitri Peskow am Dienstag, dass es aus russischer Sicht nur noch um das Wie gehen kann – und darum, Europa zu schwächen.

Maria Sacharowa, Sprecherin des russischen Außenministeriums, richtet Drohungen an Europa. (Archivbild)

Maria Sacharowa, Sprecherin des russischen Außenministeriums, richtet Drohungen an Europa. (Archivbild)

Auch Maria Sacharowa, Sprecherin des russischen Außenamts, unterstrich das noch während die Gespräche in Nahost liefen, und richtete eine offene Drohung an den Kontinent. „Die Komplizenschaft mit dem Kiewer Regime könnte vielen europäischen Regierungen zum Verhängnis werden“, erklärte Sacharowa. „Früher oder später werden sich alle für ihre Taten verantworten müssen“, drohte Lawrows Sprecherin.

Moskau will Spalt zwischen USA, Ukraine und Europa treiben

Dass Europa von Trump für die ersten Gespräche mit Russland genauso ausgebootet wurde wie die Ukraine, scheint ganz in Moskaus Sinne zu sein. In den Propaganda-Talkshows des Staats-TV wird in diesen Tagen offen über Angriffe auf London, Brüssel oder Paris fantasiert – jetzt, wo die Amerikaner Europa nicht mehr schützen wollten, heißt es da.

Auch Ex-Kremlchef Dmitri Medwedew versuchte am Mittwoch weiter einen Spalt zwischen USA, Ukraine und Europa zu treiben. „Während Paris Gastgeber eines Treffens europäischer Länder war, die vehement einen endlosen Krieg befürworteten, griff Kiews Drogensüchtiger eine Ölanlage des internationalen Kaspischen Pipeline-Konsortiums an, das US-Öl transportiert“, polterte Medwedew nach einem ukrainischen Angriff auf X und unkte: „In Europa scheint sich eine Anti-Trump-Internationale zu bilden.“

Selenskyj: „Keine Entscheidung über die Ukraine ohne die Ukraine“

Zuvor hatte Medwedew bereits behauptet, der ukrainische Präsident habe Trump „für alles Mögliche getadelt“ und seinem Unterstützer „in die Hand gespuckt“, nachdem Selenskyj gewagt hatte, zu betonen, dass sein Land keine Einigung akzeptieren werde, an dem es nicht selbst mitgewirkt hat. „Keine Entscheidung über die Ukraine ohne die Ukraine. Keine Entscheidung über Europa ohne Europa“, hatte Selenskyj bei der Sicherheitskonferenz in München am Wochenende erklärt.

Diesen Kurs behält Kiew auch nach Beginn der Gespräche in Saudi-Arabien offenbar bei. Einen Deal über die Seltenen Erden im Osten des Landes mit den USA lehnte die Ukraine zudem am Samstag ab. Einem Bericht des britischen „Telegraph“ zufolge soll das Papier einen „Würgegriff“ darstellen, der Washington umfassende Herrschaft über die Ressourcen der Ukraine eingeräumt hätte, ohne dem Land irgendeine Sicherheitsgarantie im Gegenzug anzubieten.

„Es geht um Europas Sicherheit und die globale Rechtsordnung“

„Was wir bei der Münchner Sicherheitskonferenz und heute in Riad erleben, ist historisch“, kommentierte derweil ZDF-Korrespondentin Katrin Eigendorf das Geschehen. „Trump holt im Alleingang Russland auf die internationale Bühne zurück“, fügte Eigendorf an und erinnerte daran, dass Russland die Deportation tausender ukrainischer Kinder zur Last gelegt wird.

In Riad gehe es nun nicht mehr bloß um die Ukraine, „es geht um Europas Sicherheit und die globale Rechtsordnung“, schrieb Eigendorf bei X und fragte: „Kann ein US-Präsident über alles hinweggehen?“

Elon Musk zufrieden: „So sieht kompetente Führung aus“

In Washington scheint man das zu glauben: „So sieht kompetente Führung aus“, kommentierte Elon Musk, Tech-Milliardär und „besonderer Regierungsmitarbeiter“ von Trump, ein Video von Lawrows Ankunft in Riad bei X. „Wir werden niemals einen Deal zwischen den USA und Russland über die Köpfe Europas hinweg akzeptieren“, sagte derweil der ukrainische Botschafter in Deutschland, Oleksii Makeiev, gegenüber Politico am Dienstag: „Frieden ist kein Deal.“

Diese Einschätzung scheint man in der EU zu teilen. Auf die Frage, ob Deutschland akzeptieren könne, dass die Verhandlungen ohne die Ukraine und die Europäer stattfinden, sagte Außenministerin Annalena Baerbock: „Nein.“ Aber, fügte die Grünen-Politikerin an, „auch wenn uns allen hier das Herz brennt, wir müssen einen sehr kühlen Kopf bewahren.“ Europa müsse selbstbewusst sein – und für seine Interessen einstehen.

Ukraine warnt: „Vorspiel für einen neuen russischen Krieg“

Auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sprach sich nach einem Telefonat mit Selenskyj für „starke und glaubwürdige“ Sicherheitsgarantien für Kiew aus. Um dies zu erreichen, müsse Russland „seine Aggression beenden“, forderte Macron.

„Wir teilen eine gemeinsame Vision: Sicherheitsgarantien müssen robust und zuverlässig sein“, schrieb auch Selenskyj auf X. Jede andere Entscheidung ohne solche Garantien wäre aus seiner Sicht „nur eine weitere Täuschung Russlands und ein Vorspiel für einen neuen russischen Krieg gegen die Ukraine oder andere europäische Nationen“.

Russland attackiert Ukraine vor Gesprächen mit 176 Drohnen

Für beide Deutungen gab es am Dienstag erneut gute Gründe: So meldete die ukrainische Armee einen russischen Angriff mit 176 Kampfdrohnen. Eines der Flugobjekte habe ein Wohnhaus getroffen, es habe drei Verletzte gegeben, hieß es weiter. Der russische Terror in der Ukraine geht also auch während der Gespräche ungezügelt weiter.

Selenskjys Warnung vor einem künftigen russischen Angriff auf Europa wurde derweil von einem Bericht der „Financial Times“ unterfüttert. Trump erwäge demnach derzeit, US-Truppen aus dem Baltikum und möglicherweise sogar noch weiter westlich in Europa abzuziehen.

Dementsprechend düster fällt die Einschätzung in Osteuropa aus: „Ohne die US-Truppen könnte Putin die Möglichkeit sehen, zu annektieren, was er will“, warnte der ehemalige litauische Außenminister Gabrielius Landsbergis bereits am Montag. „Putin ist im Aufwind – seine Träume werden von seinen ehemaligen Feinden verwirklicht“, lautet das Zwischenfazit im Baltikum.